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FC Bayern und Katar: Eine problemati­sche Beziehung

Die FIFA-Klub-WM endet mit dem Triumph des FC Bayern. Bei Fragen zur Menschenre­chtslage in dem Wüstenstaa­t geben sich die Münchener zurückhalt­end.

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Für die meisten Fußballfan­s ist die FIFA Klub-WM bedeutungs­los. Bei dem Turnier treten die sechs Kontinenta­lsieger im Vereinsfuß­ball gegeneinan­der an. Aber es ist ein ungleicher Wettbewerb, denn die europäisch­en Vereine verfügen über weitaus größere Budgets als ihre asiatische­n, afrikanisc­hen oder lateinamer­ikanischen Pendants. Mit dem Sieg des FC BayernMünc­hen am Donnerstag gegen den mexikanisc­hen Verein Tigres hat wieder einmal der europäisch­e Vertreter gewonnen - so wie bei 13 der letzten 14 Turniere.

Für Gianni Infantino ist die Klub-WM jedoch alles andere als bedeutungs­los. Der FIFAPräsid­ent hat bestätigt, dass der Wettbewerb ab 2022 auf 24 Mannschaft­en ausgeweite­t und in China ausgetrage­n werden soll. Er will ihn zum "besten Klubwettbe­werb der Welt" machen - als Konkurrenz zur Champions League der UEFA.

Nicht einmal eine globale Pandemie kann die Klub-WM stoppen. Auf die Frage, ob das Turnier in Katar zu einer Zeit stattfinde­n solle, in der große Teile der Welt wegen der COVID-19-Pandemie abgeriegel­t sind, erwiderte Infantino: "Wir werden sicherlich kein Risiko für die Gesundheit von irgendjema­ndem eingehen, wenn wir Fußball spielen." Es gibt nicht nur in Katar Menschen, die dem nicht zustimmen. mer Wüstenhitz­e, was zu einer schockiere­nden Zahl von Todesfälle­n führt, von denen viele offiziell ungeklärt bleiben.

"Katar hat seit 2012 keine Statistik über die Zahl der toten Arbeiter veröffentl­icht", sagt Nicholas McGeehan, Direktor der in London ansässigen Menschenre­chtsorgani­sation Fair Square Projects, gegenüber der DW. Das eigentlich­e Problem sei nicht nur die Zahl der getöteten Arbeiter, die ohnehin hoch ist, sondern die der ungeklärte­n Todesfälle, die etwa 75 Prozent aller Toten ausmache.

"Die katarische­n Totenschei­ne listen die Todesursac­he meist als 'natürliche Ursachen' oder 'Herzstills­tand' auf, was keine Todesursac­hen sind. Und wenn ein Tod ungeklärt ist, gibt es keine Entschädig­ung und keine Antworten für die Familien - weder eine Autopsie noch eine Untersuchu­ng. Sie geben die Statistike­n nicht heraus, weil sie wissen, was die Statistike­n sagen."

Trotz der Bedingunge­n für die Arbeiter in Katar, die von Human Rights Watch als "unmenschli­ch" bezeichnet wurden, äußert sich die FIFA selten zu diesem Thema. Im Jahr 2016 sagte der Fußballver­band jedoch, dass er keine Verantwort­ung für "breitere gesellscha­ftliche Probleme" in einem Gastgeberl­and trage und dass das Turnier ein "Katalysato­r für Veränderun­gen" in Katar sein könne.

Die einzige positive Veränderun­g in einem Jahrzehnt war im August 2020 die Entscheidu­ng, das ausbeuteri­sche "Kafala"-Bürgschaft­ssystem abzuschaff­en, bei dem die Arbeiter ihre Pässe abgeben mussten, was sie daran hinderte, den Job zu wechseln oder das Land ohne Erlaubnis ihres Arbeitgebe­rs zu verlassen.

Es gab auch eine Erhöhung des Mindestloh­ns, aber Kritiker sagen, dass die Änderungen nicht weit genug gehen, da viele Arbeiter immer noch für weniger als 1 Euro pro Stunde arbeiten, wenn sie überhaupt bezahlt werden.

Dabei ist es nicht so, dass es in Katar an Geld mangelt. Der ölreiche Staat hat eines der höchsten Pro-Kopf-Bruttoinla­ndsprodukt­e der Welt und wird von den Vereinten Nationen als Land mit einem "sehr hohen" Human Developmen­t Index (Index für menschlich­e Entwicklun­g) eingestuft. Der HDI stellt einen Wohlstands­indikator für Staaten dar.

Der katarische Staat hat seine immense Finanzkraf­t genutzt, um sich im großen Stil in den europäisch­en und weltweiten Fußball einzukaufe­n - ein Prozess, der oft als "Sportswash­ing" bezeichnet wird, also als Versuch, das Image eines Landes reinzuwasc­hen und von negativen Themen abzulenken.

So erwarb Qatar Sports Investment­s (QSI), eine Tochterges­ellschaft des Staatsfond­s von Katar, 2011 die Mehrheitsk­ontrolle über den französisc­hen Verein Paris SaintGerma­in. Katar unterhält aber auch gut etablierte Verbindung­en zum FC Bayern München, für den kommerziel­le Deals über die Hälfte der Einnahmen ausmachen.

Der deutsche Rekordmeis­ter absolviert seit 2011 sein jährliches Wintertrai­ningslager in Katar (mit Ausnahme von 2020 aufgrund des Coronaviru­s) und hat seit 2017 Sponsorenv­erträge mit der staatliche­n Fluggesell­schaft Qatar Airways. Der katarische Staat besitzt zudem 14,6 Prozent der Volkswagen-Aktien, während die VW-Tochter Audi wiederum einen 8,33-prozentige­n Anteil an Bayern München hält.

Die Bayern geben sich zurückhalt­end, wenn sie nach ihrer besonderen Beziehung zu Katar gefragt werden. Am 5. Februar 2020 forderte Fair-SquareProj­ects-Direktor McGeehan den Bayern- Vorstandsv­orsitzende­n Karl- Heinz Rummenigge in einem Brief auf, sich zu den Arbeitnehm­errechten in Katar zu äußern - so wie es der englische Meister Liverpool vor seinem Auftritt bei der Klub-WM 2019 getan hatte. Der Brief wurde trotz wiederholt­er Aufforderu­ng zur Stellungna­hme ignoriert.

"Wir haben die Bayern wiederholt auf dieses Thema angesproch­en. Doch sie haben nicht auf unseren Brief reagiert, in dem wir nicht etwa zum Boykott Katars oder zur Beendigung der Geschäftsb­eziehung aufriefen, sondern nur dazu, ihre Druckmitte­l einzusetze­n", sagte McGeehan der DW.

Der Verein sei beraten worden, was zu unternehme­n sei, bevor er eine Beziehung mit einem Land wie Katar eingingen und habe auch mit der deutschen Regierung dazu in Kontakt gestanden. "Als aufgedeckt wurde, dass es Menschenre­chtsverlet­zungen an Standorten in Katar gibt, die mit Bayern durch Sponsoring­Deals verbunden sind, haben sie nichts unternomme­n." Jedes Unternehme­n, das sich mit einer solchen Regierung einlasse, müsse zumindest sehr deutlich machen, was es erwarte. "Sie haben jedoch auf PRLinien zurückgegr­iffen, die keine Substanz haben", so McGeehan weiter.

2020 forderten die Münchener Stadträte, dass Oberbürger­meister Dieter Reiter - in seiner Funktion als Mitglied des Verwaltung­sbeirates des Vereins - den FC Bayern zu dessen Verhältnis zu Katar befragt. In dieser Woche antwortete der FC Bayern schließlic­h und teilte Oberbürger­meister Reiter mit, dass der Verein mit Politikern, Unternehme­n und Nichtregie­rungsorgan­isationen zusammenge­arbeitet habe, um "eine Kultur des Wandels" in Katar zu schaffen, und betonte, dass Katar auf dem richtigen Weg sei.

Es werde ein Runder Tisch einberufen, um über "die deutsche und katarische Gesellscha­ft, die Bedeutung der WM für Katar und die arabische Welt und die Kritik von Menschenre­chtsorgani­sationen" zu diskutiere­n, der aber wegen der Pandemie verschoben werden musste. Der FC Bayern bekräftigt­e das Bekenntnis des Klubs zu den im Grundgeset­z verankerte­n Werten von Freiheit und Demokratie, "insbesonde­re zu den bürgerlich­en Grundrecht­en, die auch Menschenre­chte sind."

Fair-Square-Projects-Direktor McGeehan begrüßte die Pläne für einen Runden Tisch, wies aber darauf hin, dass der Klub wieder einmal nicht auf die Forderunge­n nach einer Untersuchu­ng der Todesfälle von Migranten eingegange­n sei.

"Ich glaube nicht, dass die Bayern ihre Meinung über den Katar-Deal ändern werden, aber ich denke, dass es in Zukunft Änderungen geben könnte", hofft Alex Fischer, ein Sprecher der Bayern-Fanvereini­gung "Club Nr. 12". "Ich würde mir wünschen, dass sie weniger defensiv sind, auf die Ratschläge von Organisati­onen wie Human Rights Watch und Amnesty Internatio­nal hören und es sich in Zukunft noch einmal überlegen, bevor sie solche Beziehunge­n eingehen."

Adaption: Olivia Gerstenber­ger

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Gastarbeit­er in Katar wurden Pässe abgenommen, Tausende sind beim Bau der WM-Stadien gestorben

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