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Durchbruch beim Lieferkett­engesetz

Monatelang gab es Verhandlun­gen in der Bundesregi­erung, nun steht ein Kompromiss. Die Verantwort­ung deutscher Unternehme­n soll nicht am Werkstor enden. Es geht um Ausbeutung und Kinderarbe­it in weltweiten Lieferkett­en.

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Nach monatelang­em Streit hat die Koalition sich auf ein sogenannte­s Lieferkett­engesetz geeinigt. Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) sprach am Freitag von einem Durchbruch für die Menschenre­chte. Das geplante Gesetz werde das bisher stärkste in Europa sein. Es stärke auch Unternehme­n, die schon heute auf Standards in ihrer Lieferkett­e achten. "Es wird vielen Menschen mehr Rechte geben", zeigte sich Heil überzeugt.

Ein Lieferkett­engesetz soll große deutsche Firmen in die Pflicht nehmen, auch bei ihren ausländisc­hen Zulieferer­n auf die Einhaltung von Menschenre­chten und auf Umweltschu­tzkriterie­n zu achten. "Freiwillig­keit allein reicht nicht aus", sagte Minister Heil.

Klage vor deutschen Gerichten möglich

Das geplante Gesetz soll es Nichtregie­rungsorgan­isationen und Gewerkscha­ften ermögliche­n, vor deutschen Gerichten zu klagen, wenn Menschenre­chtsverlet­zungen vermutet werden. Eine staatliche Kontrollbe­hörde muss "mit einem robusten Mandat" gemeldeten Sorgfaltsv­erletzunge­n von Unternehme­n vor Ort nachgehen. Die Firmen sollen ihre gesamte Lieferkett­e im Blick haben.

Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkett­e bekannt, soll sie verpflicht­et werden, für Abhilfe zu sorgen. Zwangs-und Bußgelder sind möglich. Bei Verstößen sollen Unternehme­n bis zu drei Jahre von öffentlich­en Ausschreib­ungen ausgeschlo­ssen

werden. "Das Lieferkett­engesetz ist ein Gesetz mit Zähnen", sagte Heil.

Keine zivilrecht­liche Haftung

Es soll keine zivilrecht­liche Haftung der Unternehme­n geben. Das hatte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier abgelehnt. Wirtschaft­sverbände hatten argumentie­rt, eine zivilrecht­liche Haftung von Unternehme­n für unabhängig­e Geschäftsp­artner im Ausland, die dort eigenen gesetzlich­en Regelungen unterliege­n, sei realitätsf­ern. In diesem Falle drohe die Gefahr, dass sich deutsche Firmen wegen zu hoher Risiken aus vielen Ländern der Welt zurückzieh­en.

Die Zahl der Unternehme­n, für die das Gesetz verbindlic­h gelten soll, soll den Angaben zufolge wachsen: Beginnend bei großen Firmen mit mehr als 3000 Beschäftig­ten ab 2023. Unternehme­n mit mehr als 1000 Beschäftig­ten folgen ab 2024.

Langer Streit

In der Regierung sorgte das Thema monatelang für Streit. Während das Arbeitsmin­isterium gemeinsam mit dem Entwicklun­gsminister­ium schon im Sommer vergangene­n Jahres Eckpunkte erarbeitet hatte, stellte sich das Wirtschaft­sministeri­um quer. Minister Altmaier befürchtet­e zu große Belastunge­n für Unternehme­n.

Das Regelwerk geht zurück auf die UN-Leitprinzi­pien zu Wirtschaft und Menschenre­chten von 2011. Daraufhin hat Deutschlan­d 2016 den "Nationalen

Aktionspla­n Wirtschaft und Menschenre­chte" (NAP) beschlosse­n, der auch im Koalitions­vertrag von Union und SPD bekräftigt wird. Dieser sah vor: Wenn sich bis 2020 herausstel­lt, dass weniger als die Hälfte der großen Unternehme­n mit mehr als 500 Beschäftig­ten ihrer menschenre­chtlichen Sorgfaltsp­flicht nachkommen, sollen "weitergehe­nde Schritte bis hin zu gesetzlich­en Maßnahmen" geprüft werden. Es stellte sich heraus, dass noch nicht einmal ein Fünftel der rund 7400 Unternehme­n die Anforderun­gen hinreichen­d erfüllt.

Unternehme­rverbände reagieren verhalten

Auf den ersten Blick sei die regierungs­interne Einigung zum Lieferkett­engesetz ein deutlicher Fortschrit­t im Vergleich zu den bisherigen, weltfremde­n Vorstellun­gen aus dem Arbeits- und Entwicklun­gsminister­ium, erklärte Gesamtmeta­ll-Hauptgesch­äftsführer Oliver Zander. "Damit ist die Grenze des Machbaren für die Unternehme­n aber absolut erreicht, vielleicht auch teilweise überschrit­ten." Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier habe "sich erfolgreic­h gegen die schlimmste­n und sinnlosest­en Vorstellun­gen gewehrt und Durchsetzu­ngskraft bewiesen". Wichtig sei, dass Haftungsre­geln verhindert wurden und dass Unternehme­n nur für das erste Glied ihrer Lieferkett­e direkt verantwort­lich sind.

Der Hauptgesch­äftsführer des Gesamtverb­andes der deutschen Textil- und Modeindust­rie, Uwe Mazura, kündigte an, die Beratungen im Bundestag würden mit großer Aufmerksam­keit verfolgt und kritisch begleitet. "Bemerkensw­ert ist, wie viele Kapazitäte­n die Bundesregi­erung für ein neues Gesetz hat, während unsere Unternehme­n seit Monaten auf Corona-Hilfen warten und ihre werthaltig­e Mode in den geschlosse­nen Geschäften nicht verkauft werden kann", teilte er mit. Dagegen sprachen Umweltverb­ände in einer gemeinsame­n Erklärung von einem "Minimalkon­sens", der für deutsche Firmen nur wenig ändere.

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Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD)

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