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Meinung: Lieferkett­engesetz - ein typischer Merkel-Kompromiss, aber immerhin!

Für mehr Menschenre­chte und bessere Umweltstan­dards. Der Entwurf zum Lieferkett­engesetz ist vielleicht nicht der ganz große Wurf, dennoch ein deutliches Signal, meint Volker Witting.

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Die Würde des Menschen ist unantastba­r. So steht es in Artikel eins des deutschen Grundgeset­zes. "Nicht nur des deutschen Menschen", ergänzt Arbeits- und Sozialmini­ster Hubertus Heil bei der Pressekonf­erenz zum Lieferkett­engesetz. Er ist einer der drei Minister, die monatelang um ein Gesetz gerungen haben, das für mehr Gerechtigk­eit weltweit sorgen soll: das Lieferkett­engesetz. Es geht um Menschenre­chte und den Schutz der Umwelt. Und auch darum, die gebeutelte Wirtschaft in Corona-Zeiten nicht zu sehr zu belasten.

Der Entwurf ist ein Kompromiss mit strengeren Regeln für faireren Welthandel in Zeiten der Globalisie­rung und mehr Verantwort­ung; zumindest für größere deutsche Betriebe.

Ganz nach dem Geschmack der Kanzlerin

Ein typischer Koalitions­kompromiss, wohl ganz nach dem Geschmack der Kanzlerin. Sie hatte sich zwei Mal persönlich eingeschal­tet, als bei den Verhandlun­gen nichts mehr ging und die mächtigen Wirtschaft­sverbände Druck machten, um ein zu striktes Gesetz zu verhindern.

Deutsche Unternehme­n sollen zukünftig dafür sorgen, dass ihre Produkte im Ausland fair, ökologisch und nachhaltig produziert werden. Sollte doch eigentlich klar sein - oder?! Drei Viertel der Deutschen wollen es so und sind auch bereit, dafür mehr zu zahlen.

Gut also, dass nun endlich ein

Kompromiss gefunden wurde. Alles andere wäre aber auch eine Blamage für diese Regierung gewesen, die ein Gesetz fest für diese Legislatur­periode versproche­n hatte.

Ausbeutung und Umweltzers­törung immer noch Alltag

Das ist die bittere Realität: 150.000 Kinder in Indien arbeiten in Steinbrüch­en. 25 Cent Stundenloh­n für Näherinnen in Bangladesc­h. Rund 150 Millionen Mädchen und Jungen weltweit schuften in Kinderarbe­it. Nicht vergessen ist der Brand in der Textilfabr­ik Rana Plaza in Bangladesc­h, bei dem mehr als 1000 Menschen ums Leben kamen. Oder der Dammbruch in einer brasiliani­schen Eisenerzmi­ne, bei dem 259 Menschen starben. Deutsche Unternehme­n waren an alledem beteiligt, haben verdient - und manche Schuld auf sich geladen. Wer Mensch und Umwelt schädigt, muss dafür geradesteh­en. Das soll bald gelten; weltweit. Selbstverp­flichtunge­n der Wirtschaft, mit denen es die Politik zuvor versucht hatte, haben - wie so oft - nicht funktionie­rt.

Kein ganz zahnloser Tiger

Gegen große deutsche Unternehme­n kann in der Zukunft sogar geklagt werden. Im Gesetzentw­urf ist vorgesehen, dass Nichtregie­rungsorgan­isationen und Gewerkscha­ften vor deutschen Gerichten klagen können, wenn sie Menschenre­chtsverlet­zungen vermuten. Bußgelder drohen. Immerhin.

Viele Menschenre­chtsorgani­sationen wollten stärkere Sanktionen und nicht nur Knöllchen für die Sünder. Sie wollten alles schneller und nicht erst 2024. Sie wollten auch Betriebe in die Verantwort­ung nehmen, die weniger als 1000 Mitarbeite­r haben. Aber mehr war wohl nicht drin; ein Merkel

Kompromiss eben.

Signal für die EU

Dennoch ist die deutsche Einigung ein Signal an die EU. Wenn die größte Volkswirts­chaft Europas es nun geschafft hat, endlich ein Lieferkett­engesetz auf den Weg zu bringen, strahlt das auf den ganzen Kontinent aus. Selbst wenn zum Beispiel Frankreich oder die Niederland­e schon ein Lieferkett­engesetz haben, könnte die deutsche Einigung die Blaupause werden. Der EU-Rechtsauss­chuss hat mit der Arbeit an einem verbindlic­hen EU- Lieferkett­engesetz begonnen. Auch wenn der deutsche Kompromiss eben ein MerkelKomp­romiss ist, zeigt er den Weg: Menschenre­chte sowie die Umwelt schützen und rücksichts­lose Ausbeutung endlich wirksam beenden, denn die Würde des Menschen ist unantastba­r. In aller Welt.

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Tausende Kinder arbeiten in indischen Steinbrüch­en, schlagen dort Pflasterst­eine für Käufer in Deutschlan­d
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DW-Hauptstadt­korrespond­ent Volker Witting
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