Deutsche Welle (German edition)
Corona-Impfungen auf dem Westbalkan: zwischen Unfähigkeit und Geopolitik
Während man international versucht, dem Impfnationalismus ein Ende zu setzen, läuft der Impftourismus auf dem Westbalkan auf Hochtouren.
Wo enden geopolitische Gesichtspunkte, wo beginnt die Sorge um die Gesundheit der Bürger? Diese Frage stellen sich die Menschen in fast allen Ländern des westlichen Balkans derzeit, während sie machtlos beobachten, wie in der nahen und fernen Nachbarschaft massenweise gegen Corona geimpft wird - und bei ihnen nicht.
Bei älteren Bürgerinnen und Bürgern, die noch mit dem Eisernen Vorhang aufgewachsen sind, weckt die aktuelle Krise um das Corona-Vakzin ein seltsames Gefühl von Dèjá-vu. Sie haben Jahre mit regen Diskussionen darüber verbracht, ob nun die USA oder die Sowjetunion mehr Atombomben besitzen und wer in einer eventuellen finalen Abrechnung den Kürzeren ziehen würde.
Heute streitet man darüber, ob nun die westlichen oder die russischen und chinesischen Impfstoffe besser sind - und ob die Verbündeten in den USA oder der EU verärgert wären, wenn man zumindest für den Moment den Blick nach Moskau oder Peking richten würde.
Doch die Debatte ist rein theoretischer Natur: Tatsächlich hat der Großteil der Länder der Region Impfstoffe eben so wenig zu Gesicht bekommen, wie Atombomben im Kalten Krieg. In
Nordmazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina sowie Kosovo hat man noch immer nicht mit der Immunisierung der Bevölkerung begonnen; und es gibt auch keine präzisen Angaben darüber, wann dies zu erwarten ist.
Dabei liegen drei dieser Länder - Nordmazedonien, Bosnien und Montenegro - nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bei der durchschnittlichen Anzahl der Corona-Todesfälle pro 100.000 Einwohner an der Spitze Europas.
Aktuell im Besitz von Impfstoffen ist keiner der genannten Staaten; die Behörden versprechen bisher lediglich, dass die ersten Dosen bis Ende dieses Monats eintreffen würden. Nur Albanien hat es geschafft, insgesamt 2000 Dosen des BioNTech/Pfizer-Wirkstoffs zu beschaffen - für eine Bevölkerung von rund 2,8 Millionen Menschen. 800 Dosen kamen von einem unbekannten Donator in der EU, der Rest direkt von dem Pharmaunternehmen.
Von allen Westbalkan-Staaten gehört einzig Serbien bei der Anzahl der geimpften Bürger zu den europäischen Spitze