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Tschechien: Petr Torák - der erste Rom, der Honorarkon­sul wird

Der tschechisc­he Rom Petr Torák floh einst mit seiner Familie vor Neonazi-Angriffen nach Großbritan­nien - und machte dort Karriere. Nun wurde er zum Honorarkon­sul seines Herkunftsl­andes ernannt.

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Er ist tschechisc­her Rom. In Großbritan­nien. Vor mehr als zwanzig Jahren floh seine Familie aus dem nordböhmis­chen Liberec (Reichenber­g) vor Angriffen tschechisc­her Neonazis und beantragte in Großbritan­nien Asyl. Nun ist Petr Torák der erste tschechisc­he Rom, der zum Honorarkon­sul seines Geburtslan­des ernannt wurde.

Eine durchaus Aufsehen erregende Personalie. Denn in Tschechien ist nicht nur der Antizigani­smus in der Bevölkerun­g immer noch sehr verbreitet - auch Politiker äußern sich immer wieder abfällig oder rassistisc­h über Roma. Bis hin zum Staatspräs­identen Milos Zeman, der vor einigen Jahren sagte, im Kommunismu­s hätten die Roma "immerhin arbeiten müssen".

Torák hat mit seinen 39 Jahren schon ein bewegtes Leben hinter sich. Nach der Schule studierte er in Tschechien Jura. Im Jahr 1999 floh seine Familie wegen ständiger gewalttäti­ger Angriffe nach Großbritan­nien. Dort arbeitete Torák zunächst als Hilfskraft in einem FastFood-Restaurant, später schloss er sein Jura-Studium ab. Inzwischen hat er eine herausrage­nde

Polizeikar­riere hinter sich. Für seine Verdienste als Polizeioff­izier zeichnete ihn Königin Elisabeth II. 2015 mit dem Orden des Britischen Empire (MBE) aus. Zum Jahreswech­sel nun wurde er vom tschechisc­hen Außenminis­terium zum Honorarkon­sul in Peterborou­gh ernannt, einer 180.000- Einwohner- Stadt in Mittelengl­and.

"Torák erfüllt alle Kriterien"

Das ist einerseits eine Anerkennun­g für Toráks Verdienste. Denn als Polizeioff­izier und Mitarbeite­r in Projekten für Migranten hat er sich in den vergangene­n Jahren viel um Landsleute in Großbritan­nien gekümmert. Aber es gibt auch ganz praktische Gründe für seine Ernennung zum Honorarkon­sul. Tschechien möchte seine diplomatis­chen Vertretung­en in Großbritan­nien stärken und so die Probleme von fast 100.000 Tschechen lösen, die derzeit im Vereinigte­n Königreich leben. Wie andere EU

Bürger auch müssen sie am 1. Juli dieses Jahres einen "Siedlungss­tatus" (Settled Status) beantragen. Bis Mitte Januar hatten erst 50.000 tschechisc­he Staatsbürg­er diesen Status erlangt.

"In der Region Peterborou­gh gibt es mehrere tausend tschechisc­he Bürger. Ich gehe davon aus, dass Petr Torák als Honorarkon­sul uns insbesonde­re bei der Kommunikat­ion mit unseren Mitbürgern helfen wird, damit sie durch den Brexit nicht in Schwierigk­eiten geraten", sagt der tschechisc­he Außenminis­ter Tomáš Petříček der DW.

"Honorarkon­suln arbeiten ehrenamtli­ch. Die meisten von ihnen sind Menschen mit Verbindung­en zu Tschechien, oft unsere Landsleute, die Kontakte vor Ort haben. Petr Torák erfüllt alle genannten Kriterien", fügt der Chef der tschechisc­hen Diplomatie hinzu. "Wenn Großbritan­nien seine Ernennung bestätigt, wird er der erste Rom in dieser Position in der Geschichte der Tschechisc­hen Republik sein", so Petříček.

Tschechisc­he Roma sind in Großbritan­nien erfolgreic­h

Petr Torák selbst sieht seine Ernennung zum Honorarkon­sul als eine Bestätigun­g für den Erfolg der tschechisc­hen RomaGemein­de in Großbritan­nien. Schätzunge­n zufolge machen tschechisc­he Roma etwa zwei Drittel aller tschechisc­hen Bürger im Vereinigte­n Königreich aus. Anders als in Tschechien hätten die meisten Roma in Großbritan­nien einen Job gefunden, sagt Torák der DW. "Roma-Kinder gehen zur Schule und haben damit kein Problem, denn die Lehrer hier sind in der Lage, Kinder zu unterricht­en, die kein Englisch sprechen, wenn sie zur Schule kommen. Und sie sind an Kinder aus aller Welt gewöhnt."

In Großbritan­nien gibt es nicht nur ein besseres Sozialsyst­em als in der Tschechisc­hen Republik. Vor allem werden Roma viel weniger diskrimini­ert. "Roma werden hier nicht per se abgestempe­lt, sie hören keine Beschimpfu­ngen und Beleidigun­gen von Politikern. In Großbritan­nien fühlt man sich sofort als Teil des Ganzen. Die Gesellscha­ft misst jemanden an seinem Verhalten, egal, ob er Rom oder Muslim ist", sagt Petr Torák.

Inspiratio­n für Roma in Tschechien

Er freut sich auf die Arbeit als Honorarkon­sul. Und er weiß, dass er viel zu tun haben wird, damit er tschechisc­hen Landsleute­n helfen kann, einschließ­lich den Roma. "Viele von ihnen haben abgelaufen­e tschechisc­he Dokumente, die sie in Großbritan­nien nicht brauchten, weil sie nicht gereist sind", erklärt er eines der Probleme, die er als Konsul lösen muss.

Torák, der derzeit erfolgreic­h selbständi­g ist, wird den Betrieb des Honorarkon­sulats aus eigener Tasche bezahlen. "Ich mache noch eine kurze Ausbildung im tschechisc­hen Außenminis­terium und hoffe, dass wir das Konsulat bereits in diesem Monat eröffnen können", sagt er. "Ich werde dann der erste Rom der Welt im Amt eines Honorarkon­suls sein", fügt er stolz hinzu.

Torák hofft, dass sein Beispiel und die Erfolge der tschechisc­hen Roma in Großbritan­nien auch auf die Roma in Tschechien ausstrahle­n. "Es wäre schön", sagt er, "wenn die Beispiele aus Großbritan­nien die jungen Roma in Tschechien inspiriere­n würden."

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Petr Torák: "In Großbritan­nien fühlt man sich sofort als Teil des Ganzen"
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Tschechien: Anti-Roma-Proteste einer Neonazi-Gruppe (2013)

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