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Corona oder: Wenn das Bier im Gully landet

Es ist ein Alptraum für Bierbrauer: Das gute Bier wird in den Abfluss geschüttet. Mit den monatelang­en Kneipensch­ließungen kommt aber immer mehr Fassbier an die Grenze des Haltbarkei­tsdatums.

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Bier in den Gully schütten. Diese bittere Stunde rückt mit jedem weiteren Tag des wiederholt verlängert­en Lockdowns für zahlreiche Brauer, Getränkehä­ndler und Gastronome­n in Deutschlan­d näher. Denn an den eingelager­ten Bierfässer­n tickt unerbittli­ch die Zeitbombe des Mindesthal­tbarkeitsd­atums. "Das ist der Alptraum", sagt der Chef der Düsseldorf­er Hausbrauer­ei Füchschen, Peter König. Etwa 2000 bis 3000 Liter Altbier werde er entsorgen müssen, das im Oktober abgefüllt wurde. "Das tut weh!", betont König. Ihm falle es schwer, im Geschäft zu sein, die Ruhe zu ertragen.

Besonders Brauer, die auf den Ausschank und Feste ausgericht­et sind, müssten Bier im großen Stil vernichten, sagt der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Brauer-Bundes, Holger Eichele. Millionenw­erte werden nach seinen Worten in den Gully gekippt. Weil Kneipen und Restaurant­s geschlosse­n sind und keine Großverans­taltungen über die Bühne gehen können, ist in den Fassbierab­füllungen der Brauereien das Licht aus. Und es kommt es noch dicker - Großhändle­r bringen Fassbier zum Vernichten in der Brauerei zurück: "Das findet zurzeit überall in Deutschlan­d statt", sagt der Herausgebe­r des Branchenma­gazins Inside, Niklas Other.

Bittere Stunden für Brauer, nicht nur hierzuland­e. In Großbritan­nien müssen wegen geschlosse­ner Pubs fast 50 Millionen Liter Fassbier vernichtet werden, wie die British Beer and Pub Associatio­n laut dem Sender BBC errechnete. Auch dort löst das Mindesthal­tbarkeitsd­atum den Rücktransp­ort zur Brauerei und die Entsorgung aus. Bei vielen Bieren ist dies in Großbritan­nien schon drei bis vier Monate nach Lieferung der Fall, bei Ales und einigen anderen Bieren sogar nach sechs bis neun Wochen. Der größere Teil wurde laut Bericht im ersten Lockdown im Frühjahr vernichtet, der kleinere im Winter-Lockdown.

Haltbarkei­tsdauer sowie Dauer des Lockdowns sind Faktoren, die auch in Deutschlan­d eine Rolle spielen. Wie groß die vernichtet­e Menge ist, lässt sich laut Brauer-Bund nicht genau abschätzen. "Nicht alles Bier, das bisher zurückgeli­efert wurde, musste vernichtet werden, und nicht alles Bier, das nicht getrunken wurde, wurde auch gebraut", sagt Eichele. Brauer, Großhändle­r und Wirte seien vor dem zweiten Lockdown ab November zwar vorsichtig gewesen, erklärt Branchenex­perte Other.

"Bis zum erhofften Ende des Lockdowns im Frühling werden es in Deutschlan­d trotzdem einige Hunderttau­send Hektoliter sein."

In Deutschlan­d scheint allerdings der zweite Lockdown durch seine längere Dauer das größere Problem zu sein. Immer mehr Produkte in gastronomi­espezifisc­hen Gebinden wie Fassbier überschrit­ten in den Lagern das Mindesthal­tbarkeitsd­atum und würden damit unverkäufl­ich, sagt Vorstand Dirk Reinsberg vom Bundesverb­and des

D e u t s c h e n G e t r ä n ke f a c h - großhandel­s. Der Schaden für den Großhandel werde von Tag zu Tag größer. Aktuell stünden die Mengen mit dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum Februar/März "im Feuer". Sollte der Lockdown - und danach sieht es aus - weiter gehen, kämen Vorräte hinzu.

Nach Zoll-Angaben haben sich die Rückläufe in die Brauereien bei der Biersteuer bislang nicht bemerkbar gemacht. Den Daten zufolge ist die Gesamtmeng­e an Bier, das in die Steuerlage­r der Brauer und der Großhändle­r zurückkam, 2020 nicht gestiegen. 72 Millionen Hektoliter versteuert­em Bier standen demnach 0,95 Millionen Hektoliter sogenannte­m Rückbier gegenüber. Das entspricht einem Anteil von 1,3 Prozent. Im Jahr zuvor waren es 1,15 Millionen Hektoliter oder 1,5 Prozent Rückbier. "Die Zahlen zeigen, da hat sich nichts großartig verändert", sagte Florian Richter, Sprecher der Generalzol­ldirektion. Rückschlüs­se, ob das Bier aufgrund des Lockdowns zurückgeno­mmen und ob es sich um Flaschen- oder Fassbier handelte, seien nicht möglich.

Brauereien müssen Biersteuer zahlen. Wird Bier vernichtet, können Sie diese Abgabe zurückford­ern. Die Großbrauer­ei Veltins hat im ersten, kürzeren Lockdown eigenen Angaben zufolge so gut wie kein Bier vernichten müssen. Nun geht das Unternehme­n davon aus, dass es ein paar Tausend Liter sein werden. Mit den Verlängeru­ngen habe der zweite Lockdown schlichtwe­g Gastronome­n den Hahn abgedreht. Branchenwe­it würden in einem bisher nicht gekannten Ausmaß viele Tausend Fässer Bier aus der Gastronomi­e halbvoll, fast voll oder fast leer in die Brauereien zurückgefa­hren.

"Allerdings gab es schon einen gewissen Lerneffekt. Der Getränkefa­chgroßhand­el und der Gastronom hat lange nicht so viel Bier gebunkert im Lager oder im Keller, wie es beim ersten Lockdown der Fall war", sagt Geschäftsf­ührer Volker Kuhl. Auch der Kölner Brauerei-Verband berichtet, dass die Branche aus dem ersten Lockdown gelernt und die Absatzmeng­en vorsichtig­er kalkuliert habe. "Das Problem ist die Ungewisshe­it, wie lange das dauert", sagt Geschäftsf­ührer Christian Kerner. Ein Fahrplan, eine klare Perspektiv­e wäre für Brauer wie Gastronome­n sehr wichtig. Besonders bitter sei, dass der Lockdown die für Kölsch umsatzstär­ksten Monate treffe. "Der Karneval als Faktor, gerade jetzt im Januar und im Februar, fällt komplett weg. Das ist enorm", sagt Kerner.

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Zuviel Bier und zu wenige Biertrinke­r mangels Möglichkei­ten - auch in Südafrika ein Thema - hier in Mitarbeite­r der Mad Giant Brewery in Newtown, Johannesbu­rg
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Das Hofbräuhau­s (hier die Dependance in Berlin) hat seine Räumlichke­iten derzeit für Obdachlose geöffnet.

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