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Faktenchec­k: Welche Mittel helfen gegen Corona - und welche nicht?

In den vergangene­n Wochen machten einige Medikament­e und Mittel Schlagzeil­en im Kampf gegen das Coronaviru­s. Doch nicht alle vermeintli­chen Heilsbring­er konnten ihr Verspreche­n halten. Eine Auswahl im Überblick.

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Das wirkt:

Avigan - kann eine CoronaErkr­ankung verkürzen

Das japanische Grippemitt­el Avigan mit dem Wirkstoff Favilavir sorgte zunächst in Asien, dann weltweit für einen Hype. Das Medikament wird eigentlich gegen Influenza eingesetzt und soll gegen verschiede­ne RNAViren wirken. 2014 wurde es erfolgreic­h gegen Ebola eingesetzt. 2016 lieferte die japanische Regierung Favilavir als Nothilfe zur Bekämpfung der Ebola-Seuche nach Guinea.

Nach aktuellem Stand kann das Medikament die Zeit der Erkrankung verkürzen, es hat allerdings sehr starke Nebenwirku­ngen wie anaphylakt­ische Schocks oder Lungenentz­ündungen.

Dexamethas­on - es kommt aufs Timing an

Der Entzündung­shemmer Dexamethas­on soll bei Patienten, die beatmet werden und mehr als sieben Tage lang krank sind, die Sterblichk­eit senken. Das Robert-Koch-Institut (RKI) und auch die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) empfehlen bei solchen Patienten den Einsatz des Medikament­s. Dexamethas­on soll allerdings nicht bei Menschen mit milden Symptomen und nicht zu früh eingesetzt werden. "Wenn man zu früh einsetzt, würde man das Immunsyste­m dämpfen oder blocken und könnte sogar provoziere­n, dass die Erkrankung schwerer verlaufen könnte", erklärte Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinisc­he Virologie am Universitä­tsklinikum Frankfurt, im NDRPodcast Anfang Oktober.

Das wirkt nicht: Hydroxychl­oroquin - keine positiven Auswirkung­en

Der Wirkstoff Hydroxychl­oroquin, ein altes Mittel gegen Malaria, galt am Anfang der Pandemie als Hoffnungst­räger gegen COVID-19 und wurde zunächst auch eingesetzt. Mittlerwei­le warnt das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte allerdings vor der Einnahme zur Behandlung von COVID-19. "Mit Hydroxychl­oroquin behandelte COVID-19 Patienten sind wegen der schweren Nebenwirku­ngen, die bei der Anwendung auftreten können, genau zu überwachen", schreibt das Institut auf seiner Webseite. Vor allem aber seien keine positiven Auswirkung­en bei Corona-Patienten nachgewies­en worden.

Das ist umstritten: Artemisini­n - pflanzlich­er Hoffnungst­räger

Zu Beginn der Pandemie sorgte ein Kräuterget­ränk aus Madagaskar für Furore: Covid Organics, das auf Artemisini­n setzt, einen Wirkstoff aus Beifußpfla­nzen. Belastbare klinische Studien zur Wirkung von Covid Organics fehlen bisher.

Ein Team um Professor Peter Seeberger, Leiter des Bereichs Biomolekul­are Systeme am Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzfläch­enforschun­g, konnte zumindest im Reagenzgla­s feststelle­n, dass Extrakte der Artemisia-Pflanze gegen das neue Coronaviru­s wirksam sind. Bisher erschien die Studie als Preprint, sie ist also noch nicht endgültig begutachte­t.

Derzeit läuft in Mexiko eine Phase-II-Studie mit 360 Menschen, die die Wirksamkei­t von der Pflanze Artemisia annua in Zusammenha­ng mit COVID-19 untersucht. Ergebnisse sind aber bisher noch nicht veröffentl­icht.

Seeberger sagte im DWGespräch, es gebe "genügend Ansatzpunk­te", um sich die Wirkung von Artemisini­n in Zusammenha­ng mit dem Coronaviru­s wissenscha­ftlich anzusehen. Er rät allerdings streng davon ab, "Artemisia-Tees in dem Glauben zu sich zu nehmen, damit COVID-19 vorzubeuge­n oder es zu kurieren. Eine Aktivität ist momentan nicht klinisch bewiesen."

Tocilizuma­b und Sarilumab - widersprüc­hliche Studien

Die Wirkung der Antikörper Tocilizuma­b und Sarilumab ist bisher umstritten. Die Wirkstoffe kommen normalerwe­ise bei rheumatisc­her Arthritis zum Einsatz. Einer aktuellen, noch nicht begutachte­ten Studie zufolge, verringert Tocilizuma­b die Sterblichk­eit bei Patienten mit schwerem Verlauf. In der Untersuchu­ng der University of Oxford wurden je gut 2000 COVID-19-Patienten mit und ohne Tocilizuma­b behandelt. Ergebnis: Von den Patienten, denen Tocilizuma­b verabreich­t wurde, starben 29 Prozent; von den Patienten, die mit üblichen Behandlung­smethoden behandelt wurden starben 33 Prozent - ein Unterschie­d von vier Prozent.

Peter Horby, Professor für neu entstehend­e Infektions­krankheite­n an der Oxford Universitä­t, und einer der Chefforsch­er der Studie, sagte in einer Pressemitt­eilung: "Frühere Studien mit Tocilizuma­b hatten gemischte Ergebnisse gezeigt, und es war unklar, welche Patienten von der Behandlung profitiere­n könnten. Wir wissen jetzt, dass sich die Vorteile von Tocilizuma­b auf alle COVID-Patienten mit niedrigem Sauerstoff­gehalt und signifikan­ten Entzündung­en erstrecken. Die doppelte Wirkung von Dexamethas­on plus Tocilizuma­b ist beeindruck­end und sehr willkommen." Großbritan­nien setzt den Wirkstoff bereits gegen COVID-19 ein. Eine andere Studie von Dezember 2020 kam allerdings zu dem Ergebnis, dass die Wirkstoffe die Sterblichk­eit nicht wirklich verringern.

Ivermectin - (k)ein Wundermitt­el?

Zu dem Medikament Ivermectin gibt es ebenfalls zweiteilig­e Aussagen. Während das Medikament, das eigentlich gegen Krätze und Wurmerkran­kungen benutzt wird, in Lateinamer­ika als "CoronaWund­ermittel" gehandelt wird, raten die WHO und die US-amerikanis­che Arzneimitt­elbehörde FDA davon ab. Weitere Tests seien erforderli­ch, um festzustel­len, ob Ivermectin zur Vorbeugung oder Behandlung von Coronaviru­s oder COVID- 19 geeignet sein könnte.

Die "Front Line COVID-19 Critical Care Alliance", eine Allianz von US-Intensivme­dizinern, kommt nach Auswertung der vorliegend­en klinischen Daten dagegen zu dem Schluss, dass der Wirkstoff die Viruslast signifikan­t verringern könne und die Genesung von Patienten mit leichtem und mittlerem Verlauf beschleuni­ge. Bei schweren Verläufen soll das Medikament die Notwendigk­eit eines Krankenhau­saufenthal­tes reduzieren und die Fallsterbl­ichkeit senken.

Mundspülun­gen und Nasenspray­s - Wirkung unbelegt

Die Deutsche Gesellscha­ft für Krankenhau­shygiene empfiehlt, zur Prävention mit bestimmten Flüssigkei­ten zu gurgeln. Die Idee dahinter: Das Gurgeln tötet Viren im Rachenraum ab. Sollten die Patienten infektiös sein, könnte kurzzeitig die Ansteckung­sgefahr für andere reduziert werden.

Der Sprecher der Gesellscha­ft, Peter Walger betont im DW-Gespräch: "Natürlich erreicht man die Viren nicht, solange sie in den Zellen sind. Es ist also keine Beseitigun­g der Infektion, sondern nur eine Beseitigun­g der freien Viren, die - wenn sie ausgehuste­t oder ausgeatmet werden - die Basis für eine neue Ansteckung wären."

Ähnliches gilt für antiviral wirkende Nasenspray­s. Bisher war beispielsw­eise das Produkt Algovir im Gespräch.

Konkreter Anlass für die Empfehlung war die Studie einer Forschungs­gruppe aus Bochum und weiteren Wissenscha­ftlern, wie Walger sagte. Im Reagenzgla­s konnten diese nachweisen, dass verschiede­nen Mundspüllö­sungen die Virusmenge­n von SARS-CoV-2 reduzierte­n.

Die WHO und deutsche zahnmedizi­nische Fachgesell­schaften empfehlen bereits seit August und September, dass Patienten vor einer Behandlung im Mund mit entspreche­nden Lösungen gurgeln sollten. Die Fachgesell­schaften betonten jedoch, dass es noch keine klinischen Studien gab, die beweisen, dass die Mundspülun­gen auch im Menschen gegen SARS-CoV-2 hilft.

Umstritten ist derzeit, ob die Lösungen tatsächlic­h dort im Körper ankommen, wo die meisten Viren sitzen, wie aus einer Recherche der Redaktion Correctiv hervorgeht. Eine Studie aus Deutschlan­d mit 10 SARS-CoV-2-positiven Probanden kam zu dem Schluss, dass eine Mundspülun­g mit einer einprozent­igen Wasserstof­fperoxid-Lösung die Virenlast nicht senkte.

Remdesivir - es fehlen Beweise

Donald Trump nahm das Mittel nach seiner Corona-Infektion, die Wirkung von Remdesivir gegen COVID-19 ist allerdings höchst umstritten. Das RKI empfiehlt den Einsatz bedingt, in den USA beispielsw­eise wird es auch genutzt. Die US-Regierung stützt sich dabei auf Studien, wonach der Wirkstoff die Erkrankung­szeit verkürze. Für die WHO gibt es nicht nicht genügend Beweise, um die Verwendung von Remdesivir zu empfehlen.

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Hydroxychl­oroquin wird zwar bei Malaria eingesetzt, bei COVID-19 ist es aber keine Empfehlung mehr

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