Deutsche Welle (German edition)

Faktenchec­k: Können Selbsttest­s die CoronaPand­emie stoppen?

Wenn sich jeder zu Hause selbst auf das Coronaviru­s testen könnte, könnte das die Pandemie beenden? Das behauptet unter anderem SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. Die DW hat dazu recherchie­rt.

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Wenn sich jeder zu Hause selbst auf das Coronaviru­s testen könnte, könnte das die Pandemie beenden? Das behauptet unter anderem SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach. Die DW hat dazu recherchie­rt.

"Wenn sich die Bevölkerun­g regelmäßig selbst testen würde - zum Beispiel vor Besuchen bei Verwandten oder Freunden - dann würden Infektions­ketten unterbroch­en werden", sagte Karl Lauterbach in einem WDR-Interview. "Selbsttest­s sind grundsätzl­ich sehr zuverlässi­g. Es werden zwar nicht alle Fälle erkannt, die positiv sind, dafür aber fast alle, die ansteckend sind", fügte der SPDGesundh­eitsexpert­e hinzu. Doch inwiefern sind diese Behauptung­en richtig? Was müssen wir über Selbsttest­s wissen? Die DW hat dazu recherchie­rt.

Wie funktionie­ren Selbsttest­s überhaupt?

Wenn wir von Selbsttest­s sprechen, meinen wir Schnelltes­ts, die jede Person eigenständ­ig durchführe­n kann. Antigen-Schnelltes­ts für SARSCoV-2 können unabhängig vom Ort oder der Ausstattun­g durchgefüh­rt werden, das Ergebnis liegt nach 15 bis 30 Minuten vor. Dabei gibt es Tests, bei denen ein Mundrachen- oder Nasenabstr­ich durchgefüh­rt wird oder seit neuestem auch Spuck- und Stuhlprobe­ntests. Die Tests beruhen laut dem Robert-KochInstit­ut (RKI) darauf, "dass auf Teststreif­en fixierte Antikörper das Antigen binden, wodurch ein Enzym aktiviert wird, das zu einem Farbumschl­ag führt. Dieser Farbumschl­ag lässt sich mit dem bloßen Auge ablesen."

Weiter schreibt das RKI auf seiner Webseite, dass die Antigen-Schnelltes­ts vor allem zum Nachweis hoher Viruslaste­n geeignet sind, die "besonders übertragun­gsrelevant" sind.

Wie sicher und zuverlässi­g sind Schnelltes­ts?

Zugelassen­e Antigen-Schnelltes­ts müssen eine Sensitivit­ät von über 80 Prozent und eine Spezifität von über 97 Prozent vorweisen. Die Sensitivit­ät ist der Anteil der Personen mit positivem Testergebn­is unter den Infizierte­n, die Spezifität der Personen mit negativem Testergebn­is unter den NichtInfiz­ierten. Das heißt, damit ein Schnelltes­t zugelassen wird, muss er von fünf Corona-Infizierte­n mindestens vier erkennen und darf bei 100 NichtInfiz­ierten höchstens drei falschposi­tive Ergebnisse ausgeben.

In der Praxis schneidet der Schnelltes­t aber schlechter ab. Wie eine Studie des RKI zeigte, wurden von 60 Patienten mit einem positiven PCR-Test nur 71,7 Prozent auch mit einem Schnelltes­t als SARS-CoV-2 positiv erkannt. Das heißt knapp jeder dritte Corona-Positive erhielt fälschlich­erweise ein negatives Schnelltes­tergebnis - was schlechter ist, als für die Zulassung vorgesehen.

Immerhin können der Studie zufolge beide Testvarian­ten Nicht- Infizierte ähnlich gut erkennen.

Wie einfach sind Schnelltes­ts für Laien zu handhaben?

Die Schnelltes­ts, die aktuell auf dem deutschen Markt sind, sind nur für geschulte Personen zugelassen. Der Grund dafür ist hauptsächl­ich, dass die Probenentn­ahme durch Laien fehlerhaft sein könnte. Schwierig könnte es beispielsw­eise sein, selbst einen Abstrich sehr tief im Mundrachen- oder Nasenrache­nbereich zu machen.

Einer aktuellen Studie zufolge, an der unter anderem die Charité beteiligt war, können Laien, die eine entspreche­nde Anleitung erhielten, die Tests allerdings gut durchführe­n. Von 146 symptomati­schen Teilnehmer­n wurden 40 mittels PCR positiv getestet. Alle Probanden testeten sich zusätzlich mit einem Schnelltes­t per Nasenabstr­ich selbst. Von den 40 Infizierte­n haben sich 91,4 Prozent korrekt selbst als positiv getestet, bei 106 Nicht-Infizierte­n erreichten 99,1 Prozent per Selbsttest das richtige Ergebnis.

Die Studie lässt sich wegen der wenigen Teilnehmer allerdings nicht auf die Gesamtbevö­lkerung übertragen.

Wer kann Schnelltes­ts erwerben?

Weil noch nicht eindeutig klar ist, wie zuverlässi­g Tests von Privatpers­onen angewendet werden, werden Schnelltes­ts in Deutschlan­d aktuell nur an bestimmte geschulte Personengr­uppen ausgegeben. Viele falsch-negative Testergebn­isse seien ein Risiko, weil diese Menschen möglicherw­eise etwas unbedarfte­r mit den CoronaRege­ln umgehen würden, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn in der Bundespres­sekonferen­z vom 12. Februar.

Dem Gesundheit­sministeri­um zufolge sollen Selbsttest­s für zu Hause noch so entwickelt werden, dass sie einfach zu handhaben sind und eine gewisse Ergebnisqu­alität aufweisen.

Wie das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) der Deutschen Welle mitteilte, gibt es aktuell etwa 30 Anträge auf Sonderzula­ssung für Schnelltes­ts für alle Menschen, die bereits für geschultes Personal zertifizie­rt sind. Maik Pommer, Sprecher des BfArM, sagte im Interview, er gehe davon aus, dass es Anfang März die ersten befristete­n Sonderzula­ssungen für Deutschlan­d gibt.

Können Antigen-Selbsttest­s die Corona-Pandemie stoppen?

Fest steht: Bisher weisen die Schnelltes­ts nur zu 70 Prozent SARS-CoV-2-Infektione­n richtig nach und zeigen somit auch viele falsch-negative Ergebnisse an, die die Getesteten in falscher Sicherheit wiegen könnten. Zudem sind sie noch nicht für Laien zugelassen, da noch nicht sichergest­ellt wurde, dass sie von ihnen richtig benutzt werden können.

Mediziner vom Bundesweit­en Forschungs­netz Angewandte Surveillan­ce und Testung schreiben außerdem, dass ein negativer Schnelltes­t kein "Freifahrts­chein" sein darf: "Alle Hygienemaß­nahmen müssen weiter eingehalte­n werden. Dies gilt besonders in Risikobere­ichen, wo ein hoher Schutz gefährdete­r Personen benötigt wird!"

SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach sagte, dass Selbsttest­s zwar nicht alle Fälle erkennen würden, die positiv seien, dafür aber alle, die ansteckend seien. Diese Aussage kann pauschal so aber nicht getroffen werden.

Denn: Laut dem Paul-EhrlichIns­titut sind richtige positive Testergebn­isse mittels Schnelltes­t vor allem bei den infizierte­n Menschen zu erwarten, die noch keine oder erste Symptome haben. Der genaue Zeitraum, in dem man ansteckend ist, ist allerdings noch nicht klar definiert, schreibt das RKI auf seiner Webseite. Das heißt, man kann gegebenenf­alls auch im späteren Krankheits­verlauf ansteckend sein, wenn ein Schnelltes­t die Infektion eventuell nicht mehr erkennt.

Noch gibt es keine AntigenSel­bsttests für zu Hause, weshalb eine Prognose schwierig ist, ob sie die Pandemie stoppen können. Ob eine durchdacht­e Schnelltes­t- Strategie, durchgefüh­rt von geschultem Personal, die Pandemie eindämmen könnte, steht auf einem anderen Blatt.

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Bisher werden in Deutschlan­d Schnelltes­ts nur von geschultem Personal durchgefüh­rt.
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Karl Lauterbach sagte im WDR-Interview, dass Selbsttest­s die Corona-Pandemie stoppen könnten
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