Deutsche Welle (German edition)
Hass im Netz gegen muslimische Stipendiatinnen
Ein Tweet, ein Bild, schon bricht sich der Hass Bahn. Das erlebten muslimische Stipendiatinnen des Avicenna-Studienwerks nach einem digitalen Treffen mit dem CDU-Politiker Norbert Röttgen.
Nada Knani und ihre MitStipendiaten hatten sich gut vorbereitet. Vor dem digitalen Treffen mit dem CDU- Politiker Norbert Röttgen bearbeiteten die Studentinnen und Studenten in Kleingruppen Themen: Umweltpolitik, die CDU nach der Ära Merkel, die Bewältigung der Corona-Krise – sie hatten viele Fragen.
Was die Stipendiaten des muslimischen, vom deutschen Staat geförderten AvicennaStudienwerks nicht erwartet hatten: dass sie nach ihrem Gespräch im Internet angefeindet würden, dass Hass und Hetze über ihnen ausgeschüttet würden. Was war passiert? Norbert Röttgen hatte ein Bild des digitalen Treffens in Sozialen Netzwerken gepostet. Darauf zu sehen: 25 junge Menschen, einige mit Kopftuch. reitet. "Es kamen dann immer mehr Kommentare, viele voller Hass. So etwas wird ja in rechten Gruppen geteilt, dort verabredet man sich. Das war ein Inferno."
Knani und ihre Kommilitoninnen bitten Röttgen, die Namen der Stipendiaten im Bild unkenntlich zu machen. Röttgen löscht daraufhin Posts, die auf die Identität der Stipendiaten schließen lassen. "Es ist unglaublich, mit welchem Hass junge Menschen aufgrund ihres Glaubens überzogen werden", schreibt er. "Ich fand unser Gespräch sehr bereichernd und empfehle jedem den Austausch!"
Doch Hass und Häme fließen weiter. Aus Sicht mancher reicht das Tragen eines Kopftuches, um nicht länger als Mensch betrachtet zu werden. Bei Nada Knani und vieler ihrer Kommilitoninnen bleibt das ungute
Gefühl: "Egal was man erreicht, wie viel man investiert in seine Bildung, in seine Karriere: man wird darauf reduziert, Muslimin zu sei. Man ist nur die Frau mit Kopftuch." Man werde gebrandmarkt und nicht mehr als individueller Mensch betrachtet, so Knani.
"Gerade Muslime, die auch äußerlich als solche erkennbar sind, sind solchen Anfeindungen besonders ausgesetzt, etwa, weil sie ein Kopftuch tragen", sagt Yasemin El-Menouar von der Bertelsmann- Stiftung der DW. "Und das ganz unabhängig davon, wie gut sie in der Gesellschaft angekommen sind. Damit sind viele Muslime in Deutschland von klein auf konfrontiert."
El-Menouar leitet das Projekt Religionsmonitor, dass sich mit Religion und gesellschaftlichem Zusammenhalt befasst. In Umfragen stellen sie und ihre Kollegen stark verbreitete Vorbehalte gegen den Islam fest. "Seit zehn Jahren hat sich in Deutschland bei der Hälfte der Bevölkerung eine Islam-Skepsis festgesetzt. Und das führt häufig dazu, dass Vorbehalte gar nicht mehr als Vorbehalte erkannt werden." In diesem Klima werde Muslimfeindlichkeit offener und freier artikuliert. "Da spielt sicher auch das Internet eine Rolle, weil dort die allgemeinen gesellschaftlichen Umgangsregeln im Grunde außer Kraft gesetzt sind", so El-Menouar.
Dass Worten im Internet schnell Taten folgen könnten, wurde etwa beim Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 deutlich. Aus Rassismus tötete ein Mann neun Menschen mit Migrationshintergrund, zuvor hatte er seine Hass-Gedanken in einem Manifest im Internet veröffentlicht. "Deshalb ist wichtig, dass wir deutlich machen: wir nehmen es nicht hin, wenn gehetzt wird im Netz", sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, der DW. "Die S t ra f v e r f o l g u n g s b e h ö rd e n müssen in der Lage sein, solche schweren Fälle von Beleidigung und Verleumdung auch in den Sozialen Medien frühzeitig und von Amts wegen zu verfolgen. Es darf nicht darauf ankommen, dass die Opfer, die Betroffenen, selbst Anzeige erstatten.
Da muss die Staatsanwaltschaft von sich aus ermitteln." Das erhöhe den Druck auf die Verbreiter von Hass und Hetze.
Mit dem neuen Gesetz gegen Hassrede soll dies leichter möglich sein. Die Bundesregierung habe das Thema zudem mit dem Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die höchste politische Ebene gezogen, sagt Widmann-Mauz. Man plane zudem die Einrichtung einer Hilfs-Hotline für Betroffene und die Erhebung weiterer Daten für ein Rassismus-Barometer. Mit Blick auf die Erfahrung der Avicenna-Stipendiatinnen sagt Widmann-Mauz: "Wir müssen diese Form von Muslimfeindlichkeit noch viel stärker bekämpfen, damit Menschen sich nicht einschüchtern lassen, wenn sie ihren Glauben leben." Die Integrationsbeauftragte hofft auf weitere konkrete Vorschläge,