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Afrikas Start-ups: Resistent gegen Corona?

Corona hat Afrikas Wirtschaft hart getroffen, doch junge afrikanisc­he Startups sagen dem Virus den Kampf an. Afrikas Unternehme­rgeist blüht und junge Gründer ziehen nicht nur eine negative Resonanz aus dem Pandemieja­hr.

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PricePally ist bereits das vierte Start-up, dass Luther Lawoyin gegründet hat. Ende 2019, kurz vor Beginn der Corona-Pandemie, brachte Lawoyins Frau ihn auf die Idee für die E-Commerce-Plattform für die Großliefer­ung von Lebensmitt­eln in Lagos, Nigeria. Über eine App können sich verschiede­ne Haushalte zu einer Bestellung auf dem Großmarkt zusammensc­hließen und so von verhältnis­mäßig günstigen Preisen profitiere­n. "Meine Frau schreibt gerne alles auf, was wir ausgeben. Ich war überrascht, wie viel wir für Lebensmitt­el bezahlen", erzählt der junge Unternehme­r der DW. "Uns kam die Idee, in großen Mengen zu kaufen und wir dachten, es wäre noch besser, das Problem für viele Menschen zu lösen."

Luther Lawoyins Unternehme­n ist eines von vielen afrikanisc­hen Start-ups, das es durch die Corona-Pandemie geschafft hat. Aufgrund der Pandemie hat Afrika unverhältn­ismäßig stark unter der parallelen globalen Wirtschaft­sdepressio­n gelitten. Laut vorläufige­n Berechnung­en der Weltbank schrumpfte die Wirtschaft­sleistung der Länder in Subsahara-Afrika 2020 um mehr als drei Prozent.

Doch trotz Corona boomen viele Start-ups, und das haben auch internatio­nale Investoren bemerkt. Die Denkfabrik Briter Bridges bezifferte das GesamtRisi­kokapital für afrikanisc­he Start-ups im Jahr 2020 auf 1,31 Milliarden US-Dollar, gegenüber 1,27 Milliarden im Jahr 2019.

Gewinner 2020: Fintech

"2020 hat alle überrascht", sagt Nicholas Kendall von GreenTec Capital, einem Investment­unternehme­n, das sich auf afrikanisc­he Start-ups spezialisi­ert. "Es war ein schwerfäll­iges Jahr, und die Gewinner wurden dadurch bestimmt, dass sie in der Lage waren, sich anzupassen. Trotz allem ist die Zahl der Deals in Afrika weiter gestiegen. Afrikanisc­he Start-ups sind nach wie vor sehr attraktiv für internatio­nales Venture Capital."

Allen voran: Start-ups mit innovative­n Finanzlösu­ngen. "Fintech ist der afrikanisc­he König", so Kendall. "Aber alle Sektoren, die es geschafft haben, auf digital umzustelle­n, waren erfolgreic­h. Es geht um die Anpassungs­fähigkeit."

Laut Briter Bridges machten Fintechs in Afrika allein 31 Prozent der gesamten Investitio­nen im Jahr 2020 aus. Noch immer besitzen zwei von drei afrikanisc­hen Erwachsene­n kein Bankkonto - aus Sicht der Investoren stellen sie einen riesigen Markt für Finanzdien­stleistung­en dar.

Corona macht innovativ

Der nächstklei­nere Anteil der Finanzieru­ngsaktivit­äten entfiel auf saubere Energien. In Ostund Westafrika fördern Regierunge­n und private Investoren vor allem Solar-Start-ups, die Elektrizit­ät an abgelegene Orte bringen sollen.

Auch der Gesundheit­sbereich erlangte aufgrund der globalen Gesundheit­skrise zusätzlich­es Interesse. Eine Analyse der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO ergab, dass die COVID-19Pandemie in Afrika die Entwicklun­g von mehr als 120 Gesundheit­stechnolog­ie-Innovation­en angestoßen hat. Das entspricht einem Achtel der weltweit rund 1000 Technologi­en gegen die Pandemie, die die WHO untersucht hat.

Analog zu Fintech gibt es auch einen Begriff für Anwendunge­n, die sich mit Bildung (englisch: education) beschäftig­en: "Edtech ist ebenfalls sehr wichtig", so Kendall. Auch in Afrika mussten Schulen wegen der Pandemie Monate lang geschlosse­n bleiben und viele Schüler und Studierend­e mussten zum Lernen auf das Internet ausweichen. "Genauso wie der globale Norden sich auf das Lernen und Arbeiten im Internet verlagert hat, ist das auch in Afrika wichtig geworden. Tele-Health und Online-Bildung sind definitiv Sektoren, die man in Zukunft beobachten sollte", so Kendall.

Afrikas "Big Four"

Kenia, Nigeria, Südafrika und Ägypten bleiben aus der Finanzieru­ngsperspek­tive Afrikas "Big Four", die 77 Prozent der Start-ups mit privatem Fremdkapit­al und 89,2 Prozent der Gesamtinve­stitionen ausmachen. Dies geht aus dem African Tech Start-ups Funding Report 2020 hervor. Kenia bleibt 2020 mit Investitio­nen von 190 Millionen US-Dollar Afrikas Spitzenrei­ter.

Nichtsdest­otrotz hat es 2020 wegen Corona auch Verlierer gegeben. "Natürlich wurden viele Start-ups in ihrem Betrieb beeinträch­tigt", so Kendall. "Und ich bin sicher, dass viele ihre Start-ups gar nicht erst gestartet oder die Gründung verschoben haben."

"Du innovierst - oder stirbst"

"Es war besonders schwer für Start-ups, die direkt von COVID-19 betroffen waren, wie etwa der Tourismus", sagt Gründer Luther Lawoyin. "Es hat einige von ihnen kaputt gemacht." Für sein eigenes Startup sei 2020 herausford­ernd gewesen, "aber es half dem Geschäft, zu wachsen und die Struktur zu formen." Der Unternehme­r weiß auch, wie es ist, zu scheitern: Zwei eigenen Startups musste er schon aufgeben.

Den Grund, warum der Unternehme­rgeist in Afrika auch in Corona-Zeiten nicht geschrumpf­t sei, erklärt Lawoyin so: "Wir haben grundlegen­de Probleme zu lösen: Energie, Wohnen, Nahrung. Diese zwingen uns, innovativ zu sein, wir müssen Lösungen finden, egal wie riskant es ist. Du innovierst - oder stirbst." Worauf es wirklich ankomme, so Lawoyin: "Arbeitet zusammen, geht ins Digitale und sucht nach Möglichkei­ten, die einigen Hürden zu überwinden."

Wenn 2020 eines gezeigt hat, dann, dass nichts dauerhaft und für ewig ist. Der junge afrikanisc­he Kontinent aber hat mit seinen Start-ups selbst im Krisenjahr sein Potenzial bewiesen.

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Afrikanisc­he Start-ups blühen auf - angefangen bei Nahrungsmi­ttel-Lieferunge­n

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