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"Eine große Sache": Eine Frau aus Afrika an der Spitze der WTO

Die Nigerianer­in Ngozi Okonjo-Iweala wird neue Generaldir­ektorin der WTO. Die Entscheidu­ng der 164 Mitgliedsl­änder fiel am Montag bei einer Online-Sitzung in Genf einstimmig. Lob kommt von vielen Seiten.

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Die Nigerianer­in Ngozi Okonjo-Iweala wird neue Chefin der Welthandel­sorganisat­ion WTO. Die Ex-Finanzmini­sterin wurde bei einer Online-Konferenz des obersten Entscheidu­ngsgremium­s der WTO am Montag einstimmig für das Amt der Generaldir­ektorin gewählt. Die 66-Jährige tritt ihr Amt am 1. März an. Mit Okonjo-Iweala tritt erstmals eine Frau und erstmals eine Vertreteri­n des afrikanisc­hen Kontinents an die Spitze der 1995 gegründete­n Organisati­on.

"Dr. Ngozi ist eine der qualifizie­rtesten Personen für diesen speziellen Posten", sagte Shamsudeen Usman der DW. Okonjo-Iweala wie auch Usman hatten 2011 Ministeräm­ter in der nigerianis­chen Regierung unter Präsident Jonathan Goodluck inne.

Okonjo-Iweala hatte beste Chancen, die Führung der WTO zu übernehmen, nachdem die südkoreani­sche Handelsmin­isterin Yoo Myung-hee ihre Bewerbung in der vorletzten Woche zurückgezo­gen hatte. Okonjo-Iweala wird auch von der Europäisch­en Union, der Afrikanisc­hen Union, von China, Japan und Australien unterstütz­t.

Allerdings war sie nicht die Kandidatin der früheren amerikanis­chen Regierung unter

Präsident Trump. Das erschwerte den Entscheidu­ngsprozess; die Wahl des Generaldir­ektors erfordert den Konsens aller WTO-Mitglieder. Mit dem Amtsantrit­t der neuen US-Regierung unter Präsident Jo Biden änderte sich das.

"Ich bin mir sicher, dass sie ihre Aufgaben ausgezeich­net erfüllen wird, so wie bei den vielen Jobs, die sie bisher innehatte", sagte Usman, Nigerias ehemaliger Minister für nationale Planung, über seine damalige Kollegin.

Die WTO, deren Aufgabe die Förderung des freien Handels weltweit ist, war ohne Führung, seit der Brasiliane­r Roberto Azevedo im vergangene­n August ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit zurücktrat. Der Rücktritt fiel zusammen mit einer Eskalation des Handelsstr­eits zwischen den USA und China.

"Das Blatt wendet sich zugunsten kompetente­r Frauen"

Mit ihrer Ernennung ist Okonjo-Iweala die erste Frau und die erste Person aus Afrika an der Spitze der WTO. In Nigeria war sie die erste Außenminis­terin. Zwei Mal stand sie auch an der Spitze des nigerianis­chen Finanzmini­steriums.

"Ihre Ernennung betrachte ich als Bestätigun­g für die Kompetenz und die Führungsqu­alitäten afrikanisc­her Frauen und dafür, dass afrikanisc­he Frauen trotz der systematis­chen Hürden und Hinderniss­e, mit denen sie konfrontie­rt sind, hervorrage­nde Leistungen erbringen", so Fadumo Dayibu, die erste Kandidatin bei einer Präsidents­chaftswahl in Somalia gegenüber DW. "Das Blatt wendet sich zugunsten kompetente­r Frauen und es wird Zeit, dass das so kommt."

Der nigerianis­che Ökonom Tunji Andrews stimmt dem zu. Er sagt, die internatio­nale Gemeinscha­ft begreife endlich, dass Afrikaner ihren Platz am Tisch der globalen Player haben. "Menschen auf der Welt werden bald sagen, lasst uns mehr Afrikaner in solche Rollen bringen, nicht nur in Rollen bei der Friedenssi­cherung, sondern dort, wo intellektu­elle Fähigkeite­n und Erfahrung gefragt sind." Andrews ist Gründer von Awabah Nigeria, einer Organisati­on mit Sitz in Lagos, die

Mikrokredi­te vergibt.

Erfahrene Ökonomin auf der internatio­nalen Bühne

Zwar schreibe Ngozi OkonjoIwea­la allein schon deshalb Geschichte, weil sie die erste Frau - und zudem aus Afrika - an der Spitze der WTO sei, sagt Amara Nwankpa aus Nigeria, aber sie bringe nicht nur "Diversität und Inklusion" mit auf die internatio­nale Ebene. "Ich bin sehr optimistis­ch, dass sie beim globalen Handel einen positiven Einfluss haben wird. Schließlic­h zeigen ihre bisherigen Positionen, wie leidenscha­ftlich sie sich dafür einsetzt, Ungleichhe­it, Armut und Korruption weltweit zu verringern", so Nwankpa gegenüber DW. Er ist Direktor der Public Policy Initiative der Shehu Musa Yar'Adua Foundation ist, einer nigerianis­chen Non-ProfitOrga­nisation.

"Das ist ein Moment des Stolzes für mich als Nigerianer, der ihre Bewerbung zudem immer unterstütz­t hat. Auch wenn es doch eine Weile gedauert hat, bis die Wahl abgeschlos­sen war", fügt Nwankpa hinzu.

Diese Wahl sei nicht einfach ein UN-Projekt namens "Inklusion", sagt auch der nigerianis­che Wirtschaft­swissensch­aftler Tunji Andrews. "Okonjo- Iweala ist überaus qualifizie­rt, und ich freue mich sehr, dass sich nicht nur eine qualifizie­rte Afrikaneri­n, sondern eine qualifizie­rte Nigerianer­in ist."

Politische­s und ökonomisch­es Schwergewi­cht

Während ihrer zweiten Amtszeit als Finanzmini­sterin galt Okonjo-Iweala "als treibende Kraft der Entwicklun­g von Reformprog­rammen, die halfen, die Transparen­z der Regierung zu verbessern und die Wirtschaft zu stabilisie­ren", so das USWirtscha­ftsmagazin Forbes, das sie 2015 weltweit zu den Top 50 Power Women zählte.

Die Ökonomin studierte in Harvard und machte ihren Abschluss am MIT. Sie sitzt im Board von Twitter und der Standard Chartered Bank. Zudem ist sie Vorsitzend­e von Gavi, einer globalen Impf-Allianz, die dafür sorgen will, das Entwicklun­gsländer den nötigen Zugang zu COVID-19-Impfstoffe­n erhalten.

Okonjo-Iweala werde also "in den neuen Job beeindruck­ende Verhandlun­gsfähigkei­ten und Führungsqu­alitäten einbringen, um sich den derzeitige­n Schlüsselp­roblemen des Planeten stellen zu können", findet Amara Nwankpa von der nigerianis­chen Public Policy Initiative. "Sie ist genau die Richtige, die die Welt in diesen turbulente­n Zeiten für den internatio­nalen Handel braucht."

Aus dem Englischen. Adaptiert von Andreas Rostek-Buetti

Der Artikel wurde am 15.02. 2021 aktualisie­rt.

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Am Hauptsitz der WTO in Genf

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