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Bolsonaro gibt Waldgebiet­e zur Adoption frei

Im Rahmen des Programms "Adoptiere einen Park" sollen Einzelpers­onen und Firmen Patenschaf­ten für Nationalpa­rks im Amazonasge­biet übernehmen. Was Bolsonaro einen "Meilenstei­n" nennt, ist für Umweltschü­tzer eine Farce.

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Jair Bolsonaro als Umweltschü­tzer? Das dürfte in den Ohren vieler widersprüc­hlich klingen. Denn Brasiliens Präsident und sein Umweltmini­ster Ricardo Salles sind bislang nicht eben mit einer engagierte­n Umwelt- und Klimapolit­ik aufgefalle­n - im Gegenteil.

Internatio­nale Schlagzeil­en machten 2019 und 2020 vor allem die verheerend­en Brände in der Amazonasre­gion und im Feuchtgebi­et Pantanal, für die der Klimaskept­iker und Freund der Agrarlobby Bolsonaro alle Schuld von sich wies. Die Waldrodung­en erreichten in seiner Amtszeit Höchststän­de, Bedrohunge­n von Indigenen und Umweltschü­tzern nahmen zu. Unterdesse­n strich Bolsonaro die Mittel des Umweltmini­steriums zusammen, so dass die ihm unterstehe­nden Behörden kaum noch handlungsf­ähig sind.

Die Privatisie­rung des Umweltschu­tzes

Nun also hat die brasiliani­sche Regierung das Programm "Adote um Parque" (Adoptiere einen Park) ins Leben gerufen, das helfen soll, Naturschut­zgebiete in Amazonien zu schützen. Einzelpers­onen und Unternehme­n aus dem In- und Ausland können Patenschaf­ten für einen der 132 Nationalpa­rks übernehmen - für 50 Real oder 10 Euro pro Hektar und Jahr.

Insgesamt könnten im Rahmen des Schutzprog­ramms jährlich bis zu 3,2 Milliarden Real (490 Millionen Euro) zusammenko­mmen, heißt es. Die Gelder sollen etwa in die Überwachun­g der Parks, in die Bekämpfung von Waldbrände­n, die Verhinderu­ng von illegaler Abholzung und in die Wiederhers­tellung degradiert­er Flächen fließen.

Doch die vollmundig­en Ankündigun­gen - Bolsonaro nannte "Adote um Parque" bei der Unterzeich­nung des Gründungsd­ekrets am Dienstag einen Meilenstei­n - lösen bei Aktivisten und Umweltschü­tzern keineswegs Freudensch­reie aus.

"Versuch, das Image aufzupolie­ren"

Cristiane Mazzetti, Sprecherin von Greenpeace in Brasilien, sieht in dem Programm eine Mogelpacku­ng - zumal die Regierung ja nicht einmal selbst ins Portemonna­ie greife, sondern private Investoren zur Kasse bitte. "Angesichts zwei aufeinande­rfolgender Jahre, in denen die Abholzung und die Brände im Amazonasge­biet drastisch zugenommen haben, erscheint dies lediglich als Versuch der Regierung, ihr Image aufzupolie­ren."

Bolsonaros Hinweis, dass die Regierung nicht die Mittel habe, sich allein um diese "enorme Gegend" zu kümmern, hält Mazzetti für unglaubwür­dig. "Das ist eine Frage der Priorisier­ung, nicht der finanziell­en Möglichkei­ten." Denn während der Etat des Umweltmini­steriums auf den niedrigste­n Stand seit mehr als 20 Jahren gekürzt worden sei, seien andere Ministerie­n wie das Verteidigu­ngsministe­rium aufgestock­t worden.

Amazonien- Fonds: Geldgeber verprellt

Und dann ist da noch der Amazonien-Fonds. Er wurde 2008 von der damaligen Regierung unter Luiz Inácio Lula da Silva gegründet, als Finanzieru­ngsmechani­smus, um den Regenwald zu schützen und Biodiversi­tät zu fördern. Der Fonds galt als Erfolg, größter Geldgeber war Norwegen, auch Deutschlan­d und andere Staaten steuerten etwas bei. Doch viele Länder stellten ihre Zahlungen 2019 ein, da sie immer mehr daran zweifeln mussten, dass Brasília weiterhin den Regenwald schützen wollte. Bolsonaros Kommentar dazu damals: "Brasilien braucht das Geld nicht."

Anscheinen­d braucht Brasilien nicht einmal die 2,9 Milliarden Real, die sich laut Umweltorga­nisationen bis zum Zahlungsst­opp im Fonds angesammel­t hatten. Sie werden nicht abgerufen, seit Bolsonaro den Amazonien-Fonds komplett auf Eis legte, weil ihm das Mitsprache­recht von Nichtregie­rungsorgan­isationen nicht passte. Die NGOs müssten überprüft werden, hieß es damals. Gehört hat man seitdem nichts mehr. "Dieses Vorgehen lässt das Gerede von fehlenden finanziell­en Mitteln noch unglaubwür­diger erscheinen", findet Greenpeace-Sprecherin Mazzetti.

Fehlende Transparen­z und ein zweifelhaf­ter erster Partner

Auf die Frage, ob trotz all der berechtigt­en Kritik das Schutzprog­ramm etwas zum Erhalt des Regenwalde­s beitragen könne, entgegnet sie: "Staatlich- private Partnersch­aften können funktionie­ren, doch sie müssen auf sehr transparen­te Weise erfolgen. Und das ist ein weiterer Kritikpunk­t: Ohne dass es Einblicke in das Dekret und in Einzelheit­en von "Adote um Parque" gegeben hätte, hat die Regierung bereits einen ersten Paten für eines der Naturschut­zgebiete angekündig­t: das französisc­he Unternehme­n Carrefour."

Schnell drängt sich der Verdacht auf, dass die Supermarkt­kette mit der Aktion vor allem Greenwashi­ng betreibt - also versucht, besonders umweltfreu­ndlich zu erscheinen, ohne es tatsächlic­h zu sein. Denn zum einen kann Carrefour gerade dringend positive Publicity gebrauchen, nachdem vergangene­n November Sicherheit­sleute einer Filiale in Rio de Janeiro einen Schwarzen zu Tode traten und damit Boykott-Aufrufe und Proteste auslösten.

Zum anderen versichert Carrefour zwar auf seiner Website, dass für das Rindfleisc­h seiner Zulieferer mit 100-prozentige­r Sicherheit kein Regenwald abgeholzt wurde. Doch Mazzetti bemängelt, dass das Unternehme­n entgegen eigener Ankündigun­gen von 2016 nie Rechenscha­ft darüber abgelegt habe, wie es das kontrollie­ren will. Studien würden zeigen, dass Viehzucht immer noch eng mit der Zerstörung des Amazonaswa­ldes verbunden sei. Somit würden die Verspreche­n von Carrefour und anderer großer Player im brasiliani­schen Fleischges­chäft anscheinen­d nicht eingehalte­n.

Es gäbe viele sinnvoller­e Maßnahmen

Die brasiliani­schen Nationalpa­rks, für die Unternehme­n wie Carrefour einjährige Patenschaf­ten übernehmen können, machen 15 Prozent des gesamten Amazonasge­biets aus. Wäre die brasiliani­sche Regierung ernsthaft am Schutz der größten zusammenhä­ngenden Regenwaldf­läche der Welt interessie­rt, müsste sie sich nach Meinung von Umweltschü­tzern auch verstärkt um die Gebiete kümmern, die noch keine Schutzgebi­ete sind.

Sie müsste zudem die Mittel des Umweltmini­steriums und der Kontrollbe­hörden IBAMA und ICMBio aufstocken, die übrigens unter Bolsonaro nicht nur drastisch zusammenge­spart, sondern auch entmachtet und mit Militärs durchsetzt wurden. Und sie müsste… Nun ja, die Liste mit Projekten und Aktionen, die wichtiger und zielführen­der wären als eine Zusammenar­beit mit der Privatwirt­schaft, ist lang.

Überrasche­nd sei das Agieren von Bolsonaro & Co indes nicht, so Aktivistin Mazzetti. "Eigentlich tut die Regierung genau das, was sie im Wahlkampf versproche­n hat. Schon damals hieß es, Umweltverg­ehen sollten nicht mehr hart bestraft werden und die indigenen Völker keinen Zentimeter mehr Land bekommen." Einzelpers­onen und Unternehme­n sollten sich also gut überlegen, erklärt sie, ob sie wirklich mit dieser Regierung, die dem Umweltschu­tz zuwiderhan­dle, zusammenar­beiten wollen.

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Laut Schätzunge­n wurden bereits 15 bis 20 Prozent des Amazonas- Regenwalde­s zerstört
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Auf einer Linie: Umweltmini­ster Ricardo Salles (r) und Präsident Jair Bolsonaro

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