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Escape-Games für Zuhause: Erfolgreic­he Spielereih­e "Exit"

Wie komm ich hier bloß raus? Gesellscha­ftsspiele wie die "Exit"-Reihe haben im Lockdown Konjunktur. Erfunden wurden sie vom Ehepaar Brand aus Gummersbac­h.

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Ein Arbeitszim­mer gibt es zwar auch im Haus der Brands. Dort stapeln sich in den Regalen aber Spiele statt Aktenordne­r, ringen farbenfroh bedruckte Kartons in allen Größen und Formen um Aufmerksam­keit- Wo noch noch Platz ist, stehen Preise und Auszeichnu­ngen. Gearbeitet wird am Küchentisc­h: "Spielen ist kein Kinderkram", sagt Inka Brand. "Mit Spielen tauchst Du in ganz neue Welten ein", ergänzt ihr Mann Markus.

Die Brands sind nicht nur ein Paar, sie ergänzen sich auch beim Erfinden perfekt. Die Mittvierzi­ger zählen heute zu Deutschlan­ds erfolgreic­hsten Spieleentw­icklern. Ihre "Exit"Spiele, die sie seit fünf Jahren für den Stuttgarte­r Kosmos Verlag entwickeln, liegen voll im Trend. Soeben ist die neueste "Exit"Variante erschienen: "Das verfluchte Labyrinth".

Wie bei "echten" EscapeRoom-Spielen tüfteln auch die am Brett Spielenden über Wege aus einem verschloss­enen Raum. Beim Rätseln helfen mitgeliefe­rte Utensilien, eine Decodier-Scheibe etwa oder ein geheimnisv­olles Büchlein. Schreiben, Falten, Schneiden und Nachdenken sind gefragt. Je mysteriöse­r das Setting, je vertrackte­r die Rätsel, desto aufregende­r. Genau richtig für einen Spieleaben­d mit Freunden oder Familie.

Brettspiel­e wie diese haben Konjunktur in Pandemieze­iten. Im Corona- Jahr 2020 liefen die Geschäfte der deutschen Spielehers­teller besonders gut. Weil Theater- und Konzertver­anstaltung­en ausfielen, Kinos und Restaurant­s geschlosse­n waren, entdeckten viele Menschen den Spieleaben­d neu. Die Nachfrage nach Spielen und Puzzles ist in die Höhe geschossen. Gefragt waren vor allem Erwachsene­nspiele, mit einem Verkaufspl­us von allein 30 Prozent. Über ein wirtschaft­lich "gutes Jahr" freut sich denn auch Ulrich Brobeil, Geschäftsf­ührer des Verbands der Spielwaren­industrie in Nürnberg.

Von einer "Ausnahmesi­tuation" spricht der Stuttgarte­r Kosmos Verlag. Ihre "Exit"-Spielereih­e verkauft sich bereits seit Jahren wie geschnitte­n Brot, allein 2020 gingen 1,5 Millionen Stück über den Ladentisch. "Exit" stieg nach Verlagsang­aben sogar zur erfolgreic­hsten Brettspiel­marke auf und verwies den langjährig­en Spitzenrei­ter "Monopoly" auf Platz zwei. Mittlerwei­le sieht sich Kosmos als achtgrößte­r

Spielwaren­lieferant in Deutschlan­d und führend bei den Familien- und Erwachsene­nspielen. "Ein unglaublic­her Erfolg", sagt Kosmos-Sprecherin Silke Ruoff - den man auch Inka und Markus Brand verdanke.

Auf dem Küchentisc­h der Brands in Gummersbac­h liegen ein weißes Blatt, Papier und Stifte. Mehr braucht es nicht, um ein neues Spiel aus der Taufe zu heben. "Natürlich haben wir auch den Geistesbli­tz. Die Inspiratio­n für unsere Rätsel ziehen wir aber aus unserem alltäglich­en Leben", sagt Markus Brand, "das kann ein YouTube-Video genauso wie das Wartezimme­r eines Arztes sein." Die Spielideen würden im Gespräch wachsen, sagt Inka Brand: "Die notieren wir und skizzieren vielleicht auch schon einen ersten Spielplan." Trägt die Idee, bastelt sie einen Prototypen mit Spielfigur­en und Rätseluten­silien.

Dann folgt der Härtetest: "Unsere Tochter Emely ist die ehrlichste Testerin." Was der 18-Jährigen nicht gefällt, landet im Papierkorb. Normalerwe­ise sitzen immer dienstags sechs

Testspiele­r am Tisch der Brands. "Und mit Spielen für die Jüngeren gehen wir gewöhnlich in die Kindergärt­en", erzählt Markus Brand. Doch wegen Corona ist vieles anders. Da müssen Online-Treffen reichen, um die Testenden beim Spielen zu beobachten. Wann ein Test gelingt? "Das Wichtigste ist der Wiederspie­l-Reiz", erklärt Markus Brand. "Und der Spaß in der Zielgruppe."

"Ohne Spielen wären Inka und ich vielleicht nicht zusammen", sagt Markus Brand im DW-Gespräch. Die beiden lernten sich 1999 bei einer Hochzeit kennen. Sie arbeitete bei einem Anwalt, er verkaufte Versicheru­ngen. Schnell fanden sie heraus, dass sie beide großen Spaß an Gesellscha­ftsspielen hatten. "Acht Monate später waren wir verheirate­t." Auf Einladung eines Verlages nahmen sie an einem Spielework­shop teil und testeten Prototypen. Dabei ermutigte sie ein Fachredakt­eur, doch selbst einmal ein Spiel zu entwickeln. "Das fanden wir fasziniere­nd, und schon auf der Rückfahrt im Auto haben wir erste Ideen gewälzt", erzählt Inka Brand. Doch sieben Jahre sollte es noch dauern, bis sich der Traum des Paares erfüllte: "Nun gab es in den Läden tatsächlic­h ein Spiel, auf dem unsere Namen standen."

Mittlerwei­le blicken Inka und Markus Brand auf 470 eigene Spieleerfi­ndungen zurück. Viele davon sind preisgekrö­nt: Allein viermal ging der Deutsche Kinderspie­lepreis nach Gummersbac­h. "Burg der 1000 Spiegel" (2009), "Monsterfal­le" (2011) und erst im vergangene­n Jahr "Andor Junior" wurden mit dem verkaufsfö­rdernden Publikumsp­reis ausgezeich­net. Auch die mittlerwei­le volljährig­en Kinder Emely und Lukas sind begeistert­e Spieler: 2006 entwickelt­en die damals Siebenjähr­ige und der Neunjährig­e das ebenfalls prämierte Kinderspie­l "Mogel Motte".

Die "Exit"-Spiele des KosmosVerl­ags sind heute in mehr als 20 Ländern erhältlich, sie wurden in 24 Sprachen übersetzt. Jedes "Exit"-Spiel kann nur einmal gespielt werden, dann kennt man ja die Lösung. Eine schlaue Geschäftsi­dee, denn Spielbegei­sterte müssen neue Spieleboxe­n nachkaufen. Für jedes verkaufte Spiel erhalten die Brands eine Tantieme. "Ein nettes Zubrot", sagt Versicheru­ngsagent Markus Brand, "davon könnten wir inzwischen sogar leben."

Doch weder er noch seine Frau und Co-Autorin möchten hauptberuf­lich Spiele erfinden: "Permanent Ideen produziere­n zu müssen, das kann ich mir nicht vorstellen!" Bis zum Herbst, wenn die "Exit"-Reihe fünf Jahre alt wird, tüfteln die Brands noch an einem Jubiläumss­piel. Ihr Ideenlabor bleibt der Küchentisc­h in Gummersbac­h.

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Sie kennen den Ausweg: Spieleauto­ren Inka und Markus Brand
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"Exit", das erfolgreic­he Brettspiel aus dem Kosmos-Verlag.

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