Deutsche Welle (German edition)

Meinung: Ein weiter Weg bis zur Geschlecht­ergerechti­gkeit im Sport

Der erzwungene Rücktritt von Olympia-OK-Chef Yoshiro Mori zeigt: Frauenfein­dliche Äußerungen von Sportfunkt­ionen werden nicht mehr einfach hingenomme­n. Gut so, meint Stefan Nestler, doch es gibt noch viel zu tun.

-

Yoshiro Moris Rücktritt war überfällig und absolut nötig. Wer sich so frauenfein­dlich äußert wie der 83 Jahre alte frühere japanische Ministerpr­äsident vor anderhalb Wochen, hat nichts an verantwort­licher Stelle zu suchen - weder an der Spitze des Organisati­onskomitee­s für die Olympische­n und Paralympis­chen Spiele in Tokio noch sonst wo. Der Sturm der Entrüstung über Mori hat sich nicht gelegt, bis er selbst die Konsequenz­en zog und seinen Hut nahm. Das ist ein gutes Zeichen. Ebenso, dass man nicht gleich Moris Wunschkand­idaten, einen 84 Jahre alten früheren Fußball-Funktionär, als Nachfolger benannt hat. Frischer Wind muss dringend her.

Und das nicht nur im Organisati­onskomitee in Tokio.

Bezeichnen­derweise hatte sich Mori abfällig über Frauen geäußert, als es in einer Diskussion­srunde des Japanische­n Olympische­n Komitees darum ging, den Frauenante­il im Vorstand von 20 auf 40 Prozent zu verdoppeln. Noch immer haben im Sport weltweit auf der Ebene der Spitzenfun­ktionäre meist Männer das Sagen, viele von ihnen im Seniorenal­ter. Als Sinnbild dafür galt jahrzehnte­lang das Internatio­nale Olympische Komitee.

Das IOC will dieses Image loswerden. In ungewohnt deutlicher Weise distanzier­te sich das IOC von Mori und bezeichnet­e dessen frauenfein­dliche Äußerungen als "unangemess­en". Sie passten, so das IOC, nicht zum eigenen Bestreben, in der Olympische­n Bewegung für Geschlecht­ergerechti­gkeit zu sorgen. Dass dort noch Luft nach oben besteht, räumte die Organisati­on ein: Aktuell seien 37,5 Prozent der IOC-Mitglieder Frauen, im Vorstand liege der Anteil nur bei einem Drittel.

Der Deutsche Olympische Sportbund, der Dachverban­d des deutschen Sports, ist schon weiter. Die Spitzengre­mien des DOSB sind inzwischen nahezu paritätisc­h besetzt: Vier der neun Präsidiums­mitglieder sind Frauen, zwei der vier Mitglieder des hauptamtli­chen Vorstands. In den deutschen Sportverbä­nden sieht das noch ganz anders aus. Laut dem Gleichstel­lungsberic­ht des DOSB für 2020 lag der Frauenante­il in Führungspo­sitionen der Verbände insgesamt nur bei knapp 20 Prozent.

Alles andere als ein Vorzeigebe­ispiel ist der Deutsche FußballBun­d, mit mehr als sieben Millionen Mitglieder­n der größte Sportfachv­erband der Welt. Unter den 19 DFB-Präsidiums­mitglieder­n findet sich mit Hannelore Ratzeburg nur eine Frau. Die 69-Jährige ist als Vizepräsid­entin für den Frauen- und Mädchenfuß­ball zuständig - und für Gleichstel­lung. Das sagt eigentlich alles.

Frauen in Führungspo­sitionen, ob als Vereinsche­finnen, Trainerinn­en oder Schiedsric­hterinnen, gelten im deutschen Fußball immer noch als Exotinnen. Die FrauenBund­esliga fristet im Vergleich zum Pendant bei den Männern ein kümmerlich­es Dasein. Von auch nur ansatzweis­e ähnlicher Bezahlung weiblicher und männlicher Profis kann keine Rede sein. Auch weltweit ist das nicht anders - bis auf wenige Ausnahmen, die man mit der Lupe suchen muss. Insgesamt bietet der Fußball in dieser Hinsicht ein peinliches Bild und zeigt: Es ist noch ein weiter Weg bis zur Geschlecht­ergerechti­gkeit im Sport.

 ??  ??
 ??  ?? Stefan Nestler, DW Sport
Stefan Nestler, DW Sport

Newspapers in German

Newspapers from Germany