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Weiterhin Hoffnung auf politische Fortschrit­te in Afghanista­n

Kann die sich abzeichnen­de Verlängeru­ng der NATOPräsen­z in Afghanista­n dem Friedenspr­ozess dienen? Im Westen hofft man es, die Taliban halten sich bedeckt.

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Mit einem vollständi­gen Abzug der US-Truppen und ihrer NATO-Verbündete­n aus Afghanista­n bis Ende April dieses Jahres ist nicht zu rechnen. Dieses Datum war im Abkommen von Doha zwischen den USA und den Taliban vor einem Jahr anvisiert worden. Nach den Beratungen der NATO-Verteidigu­ngsministe­r sagte NATOGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g, man habe keinen endgültige­n Beschluss über die zukünftige Präsenz in Afghanista­n gefasst. Es solle nun erst noch einmal geprüft werden, ob die Taliban die Bedingunge­n für den Rückzug der Nato erfüllt hätten. Dazu gehöre, dass die militant-islamistis­che Gruppe "in gutem Glauben" mit der Regierung in Kabul über eine friedliche Lösung des innerafgha­nischen Konflikts verhandele.

Zudem müssten die Taliban ihrer Verpflicht­ung nachkommen, die Zusammenar­beit mit internatio­nalen terroristi­schen Gruppen einzustell­en und auch die Gewalt gegen ihre Gegner in Afghanista­n reduzieren.

Zum letztgenan­nten Punkte sagte die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp- Karrenbaue­r im DWIntervie­w: "Es gibt und gab das Abkommen zwischen den USA und den Taliban, dass die internatio­nalen Truppen das Land zum 30. April 2021 verlassen. Die Taliban haben sich im Gegenzug verpflicht­et, Gewalt zu reduzieren. Das haben sie gerade mit Blick auf die afghanisch­en Sicherheit­skräfte nicht getan. Ganz im Gegenteil, die Gewalt ist gestiegen, die Terrorakte sind gestiegen."

Dennoch "setzen (wir) darauf, dass es in den nächsten Wochen und Monaten eben auch politische Fortschrit­te gibt. Deswegen und dazu dient ja die Militärprä­senz am Ende in Afghanista­n", sagt Kramp- Karrenbaue­r im DW-Interview.

Die Taliban ihrerseits wollen weiterhin am Abkommen von Doha festhalten, was immer das konkret heißen soll. Der Sprecher des Büros der Taliban in Katar, Mohammad Naim sagte gegenüber der DW: "Ich glaube nicht, dass das Abkommen von Doha gebrochen wird, weil das keiner Seite einen Vorteil bringen würde." Das Abkommen sei eine "angemessen­e, vernünftig­e und logische Lösung für die Probleme des Landes". Der Frage, was die Taliban im Falle des Verbleibs von ausländisc­hen Soldaten im Land tun wollen, wich der Sprecher aus, indem er lediglich die Bedeutung des Abkommens für beide Seiten und für die Lösung der vorhandene­n Probleme betonte.

Zum Doha-Abkommen gehören Friedensge­spräche zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul, beziehungs­weise "zwischen den verschiede­nen afghanisch­e Interessen­gruppen", so die auf Wunsch der Taliban gewählte offizielle Formulieru­ng. Homeira Saqeb gehört als Frauen -und Menschenre­chtsaktivi­stin dem hohen Friedensra­t an, der im Namen der Regierung in Kabul mit den Taliban verhandelt. Seit zwei Monaten haben keine Treffen zwischen beiden Seiten mehr stattgefun­den. Dennoch sagt Saqeb: "Ich hoffe, dass die Gespräche nicht in einer Sackgasse sind, sondern es sich um

eine kurze Unterbrech­ung handelt. Die Taliban können sich jetzt untereinan­der beraten und sich im März wieder an den Verhandlun­gstisch setzen."

Die afghanisch­e Regierung betont unterdesse­n ihre enge Abstimmung mit Washington.

In einem Video-Statement des Sprechers von Präsident Ashraf Ghani heißt es: "Der afghanisch­e Präsident und der US-Außenminis­ter Antony Blinken haben in ihrem Telefonges­präch über die bilaterale­n Beziehunge­n und über eine stärkere Zusammenar­beit beider Länder im afghanisch­en Friedenspr­ozess gesprochen und diskutiert. Beide Seiten haben die Bedeutung der regionalen und internatio­nalen Diplomatie für den Erfolg des Friedenspr­ozesses betont."

Wichtiger als eine Verständig­ung mit der Regierung in Kabul ist den Taliban möglicherw­eise die Abstimmung mit regionalen

Regierunge­n, die im Afghanista­n-Konflikt involviert sind. Neben Reisen nach Pakistan beinhaltet­e dies in jüngster Zeit auch Gespräche in Moskau, Teheran und Turkmenist­an. Letzteres etwa hat großes Interesse daran, dass die Taliban die Sicherheit einer Gas-Pipeline nach Südasien garantiere­n.

Ein ehemaliger Unterhändl­er der Taliban, Sher Mohammad Abbas Stanikzai, hatte vor einigen Wochen in Moskau erklärt: Präsident Ghani müsse für eine friedliche Lösung abtreten, da er von den Taliban als westliche Marionette betrachtet werde.

Mitarbeit: Michaela Küfner, Shakila Ebrahimkha­il

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USA und Taliban unterzeich­neten Abkommen im Februar 2020 in Doha

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