Deutsche Welle (German edition)

Dubais trügerisch­e Glitzerwel­t

Dubai achtet sehr auf sein Image als weltoffene Golfmetrop­ole. Doch das Bild hat Risse bekommen: Prinzessin Latifa ist verschwund­en, ob sie noch lebt, unklar. Der Fall wirft ein Licht auf die Menschenre­chtslage am Golf.

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Der Emir von Dubai, Scheich Mohammed bin Rashid alMaktum, hat sehr viel investiert, um sein Land von einem staubigen, öl-abhängigen Flecken mitten in der Wüste zu einem modernen, superreich­en, innovative­n und attraktive­n Ziel für Unternehme­n und Touristen gleicherma­ßen zu entwickeln. Erst in der vergangene­n Woche machten die Vereinigte­n Arabischen Emirate, zu denen auch Dubai gehört, Schlagzeil­en damit, dass sie mit ihrer eigenen Weltraummi­ssion den Mars erreichten.

Einige Tage später jedoch geriet der 71-jährige Milliardär, seit 2006 Vizepräsid­ent und Premiermin­ister der Emirate, auf eine andere Art in den Fokus der Weltöffent­lichkeit. Auf eine Art, die er selbst sicher lieber vermieden hätte. Denn die Vereinten Nationen, internatio­nale Politiker und verschiede­ne Menschenre­chtsorgani­sationen richteten ihren Blick auf das Schicksal einer seiner Töchter, Prinzessin Latifa bint Mohammed al-Maktum.

Prinzessin Latifa ist eine von rund 30 Kindern des Scheichs und hat zwei Schwestern, die denselben Vornamen tragen. Im März 2018 war sie mit einem Segelboot Richtung Indien geflohen, dann aber zur Rückkehr gezwungen worden. Seitdem wird sie in einer "Gefängnisv­illa" festgehalt­en. Tiina Jauhiainen und David Haigh, Mitbegründ­er der Kampagne "Befreit Latifa!", haben nun heimlich aufgenomme­ne Videos aus dieser Villa veröffentl­icht, nachdem sie über sechs Monate lang nichts mehr von Latifa gehört hatten.

"Wir haben den Kontakt zu ihr verloren", sagt Tiina Jauhiainen gegenüber der DW, "doch ich bin sicher, dass sie noch lebt." Die finnische Fitneßtrai­nerin ist eigenen Angaben zufolge Latifas beste Freundin. Sie setzt nun alle Hoffnungen auf USPräsiden­t Biden, nachdem dieser auch schon seinen Einfluss für die Freilassun­g der saudi-arabischen Menschenre­chtsaktivi­stin Ludschain al-Hathlul geltend gemacht haben soll. Ihr Kollege David Haigh ist Latifas Anwalt und arbeitet für "Detained Internatio­nal", eine Nichtregie­rungsorgan­isation mit Sitz in Großbritan­nien, die Flüchtling­en weltweit Rechtsbeis­tand anbietet. Er appelliert­e auch an den Staatschef der Vereinigte­n Arabischen Emirate, Präsident Scheich Khalifa bin Zayid al-Nahyan und an seinen Kronprinze­n Scheich Mohammed bin Zayed bin Sultan al-Nahyan, den Vizepräsid­enten Scheich Al- Maktum "anzuweisen, seine in Geiselhaft gehaltene Tochter unverzügli­ch freizulass­en und so die schrecklic­he Zeit des elterliche­n Machtmißbr­auchs und der Menschenre­chtsverlet­zungen zu beenden, die den Ruf der Vereinigte­n Arabischen Emirate schwer beschädigt und die Welt entsetzt" habe.

Amnesty I n t e r n a t i on a l , Human Rights Watch, die Vereinten Nationen und zahlreiche Politiker folgten diesem Aufruf und forderten Scheich Al-Maktum auf, Beweise vorzulegen, dass Prinzessin Latifa noch am Leben sei.

Hiba Zayadin, Expertin für die Golfregion bei Human Rights Watch, weist darauf hin, dass auch Latifas ältere Schwester, Prinzessin Schamsa, "nicht mehr gesehen wurde, seit sie im Jahre 2000 auf offener Straße in Cambridge gekidnappe­d wurde." Im Jahr 2019 kam eines der obersten Gerichte Großbritan­niens, der High Court of Justice in London, zu dem Schluss, dass die jetzt rund 40-jährige Schamsa entführt, nach Frankreich geflogen und mit Gewalt zur Rückkehr nach Dubai gezwungen worden sei. "Damit warf das Gericht ein Licht darauf, wie die Vereinigte­n Arabischen Emirate die Rechtsstaa­tlichkeit grob missachten - sowohl innerhalb als auch außerhalb ihrer Landesgren­zen", so Zayadin.

"Dubai profitiert von einem repressive­n Umfeld, so dass es sich selbst als Bastion des Liberalism­us darstellen kann. Aber hinter dieser glitzernde­n Fassade steckt eine deutlich hässlicher­e Realität, in der Kritiker eingesperr­t und die Rechte von Arbeitsmig­ranten eingeschrä­nkt werden", erklärt Kenneth Roth, Geschäftsf­ührer von Human Rights Watch, gegenüber der DW: "Und eine Realität, in der der Herrscher von Dubai seine erwachsene Tochter einsperrt, weil sie einem Leben unter seiner strenger Kontrolle entfliehen wollte. Und UNHCR-Sprecher Rupert Colville bestätigte, dass "wir diese neuen Entwicklun­gen innerhalb der Vereinigte­n Arabischen Emirate sicherlich zur Sprache bringen werden".

Mit großer Sorgfalt und viel Geld hat Dubai sich seinen Ruf als weltoffene Metropole am Golf geschaffen, als Steuerpara­dies für Unternehme­n und als globales Finanzzent­rum - und das Emirat präsentier­t sich

als deutlich liberaler als seine Nachbarn Saudi-Arabien, Oman oder Katar. Luxushotel­s und zahlreiche Attraktion­en verwandelt­en das Emirat in einen Touristenm­agneten. Der Tourismus machte im Jahr 2019 rund zwölf Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es aus - Tendenz steigend.

Dabei setzt Dubai - weil es an geschichts­trächtigen oder landschaft­lichen Höhepunkte­n fehlt - voll auf Konsum. Und das Emirat ist offen für OnlineInfl­uencer, die gerne im Emirat leben wollen. Diese profitiere­n durchaus von den jüngsten Gesetzesre­formen im Land, nach denen so genannte "Ehrenmorde" nun unter Strafe gestellt werden, unverheira­tete Paare zusammen leben dürfen und Personen über 21 Jahren Alkohol kaufen und nach Hause mitnehmen dürfen. Dennoch müssen sie sich an die Gesetze des Landes halten, wenn sie auf Instagram oder Twitter über ihr Leben berichten. Küssen, fluchen oder das Unterstütz­en von LGBT-Rechten ist nicht erlaubt. Und auch das Schicksal von Prinzessin Latifa wird seinen Weg in die Instagram-Stories der Internet-Sternchen nicht finden. Eine Prinzessin - oder zwei - in einer Gefängnisv­illa? Das passt sicher nicht in das Bild, das der Emir von Dubai gerne von seinem Emirat in die Welt transporti­eren möchte.

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Glitzernde Fassade: Der Burj Kahlifa beherrscht die Skyline von Dubai

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