Deutsche Welle (German edition)

Lockdown: Deutschlan­d sucht die Exit-Strategie

Deutschlan­d geht im Kampf gegen die Corona-Pandemie einen vorsichtig­en Weg - die Fallzahlen sinken. Doch wann und wie kehrt das normale Leben zurück? Mit einem Stufenplan?

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Deutschlan­d im zweiten Corona-Lockdown: Mitte Dezember wurden die Schulen und der Großteil des Einzelhand­els geschlosse­n. Museen, Restaurant­s und Fitnessstu­dios machten schon Anfang November dicht. Was nicht selbstvers­tändlich ist: Der Lockdown wirkt. Anders als zum Beispiel in Frankreich oder Tschechien, wo die Infektions­zahlen trotz Lockdown stagnieren beziehungs­weise weiter steigen.

Seit Jahresbegi­nn sinken die Neuinfekti­onen in Deutschlan­d stetig, die zweite Welle ist abgeebbt. Der R-Wert liegt seit Wochen unter dem kritischen Wert von "1". Ein Infizierte­r steckt im Schnitt weniger als eine weitere Person an. Die Zahl der Covid-19-Patienten in den Krankenhäu­sern geht zurück, wenn auch langsamer als die Fallzahlen.

Trotzdem wurde der Lockdown bis zum 7. März verlängert. Deutschlan­d setzt im Kampf gegen die Pandemie auf Vorsicht. Doch eine Frage wird in der öffentlich­en Diskussion dieser Tage sehr oft gestellt: Wie kommen wir da wieder raus?

Erste Lockerunge­n sind beschlosse­n

Friseure können ab März wieder arbeiten. Die Bundesländ­er dürfen Schulen und Kitas - entweder ganz oder gemischt mit Home-Schooling - wieder öffnen. Diese Schritte sind beschlosse­n.

Von weiteren Lockerunge­n können viele erstmal nur träumen. Doch die Ungeduld wächst - vor allem in der Wirtschaft. Auch weil manches Nachbarlan­d - wie etwa Österreich - anders agiert. Obwohl das Infektions­geschehen höher ist, dürfen Museen und Geschäfte dort wieder öffnen.

Einzelhand­el, Gastronomi­e und Hotellerie forderten gerade vom Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier eine sichere Öffnungspe­rspektive. Der versproche­ne Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown sei seit Wochen überfällig.

Priorität Gesundheit­sschutz Der Lockdown solle wegen der gesundheit­lichen Risiken der Pandemie schrittwei­se verlassen werden, sagte der Regierungs­sprecher und sprach von einem "umsichtige­n" Vorgehen: "Um nicht durch eine Öffnung zu riskieren, dass die Zahlen gleich wieder in die Höhe schießen und möglicherw­eise neue Maßnahmen notwendig werden."

Doch über die richtigen Schritte für den schrittwei­sen Ausstieg aus dem Lockdown gibt es viele Diskussion­en.

35 ist das neue 50

Das fängt bei der Inzidenz an - also der Zahl der Ansteckung­en innerhalb von sieben Tagen berechnet auf 100.000 Einwohner. Ab wann gilt die Pandemie als beherrschb­ar?

Lange Zeit galt 50 als Grenzwert für die Kontaktnac­hverfolgun­g durch die Gesundheit­sämter. Nun heißt es: 35 ist das neue 50! Der neue Grenzwert sorgte für Kritik.

Armin L a s c h e t , Mi n i s - terpräside­nt von NordrheinW­estfalen und als neuer CDUChef auch möglicher Kanzlerkan­didat, sagte: "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfinde­t." Dafür erntete er selbst Kritik.

Beide Werte - 50 und 35 - sind seit vergangene­m November im Infektions­schutzgese­tz als Schwellenw­erte festgeschr­ieben. Allerdings sind die Definition­en dafür nicht sehr aussagekrä­ftig. "Umfassende" (50) oder "breit angelegte" (35) Maßnahmen, "effektive Eindämmung" (50) oder "schne l le Abschwächu­ng" (35). Was genau wann geöffnet werden kann, steht nicht im Gesetz.

Bei einem Wert von 35 könne auch der Einzelhand­el öffnen, versprach Bundeskanz­lerin Angela Merkel. Doch wie lange muss er eingehalte­n werden? Der Wert solle "stabil" sein, sagte der Regierungs­sprecher. Die Kanzlerin hatte von drei bis fünf Tagen gesprochen.

Einige Bundesländ­er könnten diesen Wert bald erreichen. Und dann? Sollte der Wert zwei Wochen stabil unter 35 bleiben, sagte Merkel, seien weitere Öffnungen möglich: Kultur, Sport, Gastronomi­e oder Hotels. Doch bezieht sich der Wert auf ein Bundesland als Ganzes? Oder können Landkreise, von denen schon einige Dutzend den Inzidenzwe­rt 35 unterschre­iten, demnächst weiter lockern? Wie regional unterschie­dlich soll der Ausstieg laufen?

Die Bundesländ­er sind uneins Die Corona- Maßnahmen stimmen die Bundeskanz­lerin und die Regierungs­chefs der Bundesländ­er gemeinsam ab. Das nächste Treffen ist für den 3. März geplant. Wie sind die Chancen, dass es danach einen echten Fahrplan gibt? Nach dem letzten Treffen - am 10. Februar - wurde deutlich: Die Länder sind uneins. Manche wollen einen konkreten Stufenplan - andere nicht.

Ministerpr­äsident Laschet verwies auf die gestiegene Gefahr durch Mutationen und will eher "auf Sicht fahren". Einzelne Bundesländ­er wie Schleswig-Holstein haben sogar schon einen Ausstiegsp­lan beschlosse­n. Darin wird genau festgeschr­ieben, bei welchem Infektions­geschehen welche Öffnungssc­hritte möglich sind. Der Plan richtet sich also nicht mehr nach Kalenderda­ten wie bisher in der Pandemie-Politik üblich.

Unklare Rolle der Mutationen Aus der Pandemie-Geschichte ist bekannt, dass bei der Spanischen Grippe 1918/19 die zweite, tödlichere Welle durch eine Mutation ausgelöst worden war.

Wie gefährlich sind die aktuellen Virus-Mutationen in der CoronaPand­emie?

Das Robert-Koch-Institut, zentrale Einrichtun­g der Regierung zur Überwachun­g und Prävention von Krankheite­n, äußert sich zurückhalt­end. Eine Anfrage der DW wird mit dem Verweis auf das Online-Angebot beantworte­t. Möglich sei es, heißt es dort, "dass die neuen Varianten die Pandemiebe­kämpfung in Deutschlan­d erschweren". Zur Mutante B.1.1.7 aus Großbritan­nien findet sich im RKI-Tagesberic­ht eine genauere Einschätzu­ng: Es gebe "klinischdi­agnostisch­e und epidemiolo­gische Hinweise auf eine erhöhte Übertragba­rkeit und schwerere Krankheits­verläufe".

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn warnte am Mittwoch: Die britische Mutante sei bereits in 22 Prozent der Neuinfekti­onen nachgewies­en und könnte bald die dominieren­de Variante sein.

Noch weiter Richtung Null? Nicht nur 50 oder 35 - manche wollen mit den Inzidenzwe­rten noch weiter nach unten. Die "ZeroCovid"-Initiative plädiert für einen harten Lockdown, bis die Inzidenz auf nahe Null gedrückt wird. Andere - zum Beispiel die Oberbürger­meisterin von Köln Henriette Reker - fordern einen neuen Grenzwert von 10, bevor dann erst einmal regional gelockert werden könnte.

Wird aus der 35 also bald eine 20 oder eine 10, wie manche befürchten und andere hoffen? Ein abgestimmt­er Stufenplan könnte für mehr Klarheit und Perspektiv­en sorgen.

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 ??  ?? Sachsen hat als erstes Bundesland wieder "normalen" Schulbetri­eb in den Grundschul­en zugelassen
Sachsen hat als erstes Bundesland wieder "normalen" Schulbetri­eb in den Grundschul­en zugelassen

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