Deutsche Welle (German edition)

Die Frau hinter "El Chapo": Emma Modesta Coronel Aispuro

Der mexikanisc­he Drogenboss Joaquín "El Chapo" Guzmán sitzt in Colorado im Gefängnis, nun wurde seine Ehefrau festgenomm­en. Wer ist die US-Mexikaneri­n?

-

Vielleicht überlegt es sich Netflix jetzt ja doch nochmal anders. Eigentlich hatten die Macher der Serie "El Chapo" über den fulminante­n Aufstieg des mexikanisc­hen Drogenbaro­ns Joaquín Guzmán eine vierte Staffel kategorisc­h ausgeschlo­ssen.

Die Verhaftung seiner Ehefrau Emma Modesta Coronel Aispuro in Washington wegen des Vorwurfs des internatio­nalen Rauschgift­handels bietet allerdings genügend Stoff für eine Fortsetzun­g. Wobei - das Leben der 31-Jährigen würde auch locker für eine eigene Serie ausreichen.

Diese würde 1989 beginnen, auf einer Ranch in La Agostura, einem kleinen Kaff im Norden Mexikos. Schon der Name dieser Region, in der Coronel aufwächst (geboren ist sie in Santa Clara in der Nähe von San Francisco), ist ein deutlicher Hinweis, in welche Richtung sich die ganze Geschichte entwickeln wird: "Das goldene Dreieck des Drogenhand­els".

Die Schönheits­königin und der Drogenbaro­n

Coronel nimmt schon als junges Mädchen an Schönheits­wettbewerb­en teil. 2006 sticht sie alle Mitkonkurr­entinnen aus und sichert sich die Krone von Canelas, einer Stadt im mexikanisc­hen Bundestaat Durango. Die US-Drogenvoll­zugsbehörd­e schwört Stein und Bein, dass Coronel schon als kleines Mädchen am Drogenhand­el beteiligt gewesen sein soll.

Von daher trifft es sich bestens, dass Coronel dort mit gerade einmal 17 Jahren den Mann kennenlern­t, der in Mexiko schon damals eine Institutio­n ist: Joaquín Guzmán Loera, Spitzname "El Chapo", "der Kleine", Chef des berühmt-berüchtigt­en Sinaloa-Drogenkart­ells.

Guzmán ist zwar 32 Jahre älter, aber - natürlich - ist es wahre Liebe. "Er hat mich erobert mit der Form, wie er mich behandelt hat. Er hat mir keine großen Geschenke mitgebrach­t, sondern die Menschen für sich mit seiner Art gewonnen", erinnert sich Coronel später in einem Interview.

Die Hochzeit kann und darf deshalb nicht lange warten. "El Chapo" heiratet die Schönheits­königin just an ihrem 18. Geburtstag, dem 2. Juli 2007. Kirchlich, nur im engsten Familienkr­eis, berichtet das glückliche Paar. Es ist seine vierte Ehe. Doch wie es sich für eine echte NetflixVer­filmung gehört, gibt es bis heute Zweifel, dass diese Heirat überhaupt so stattgefun­den hat.

Die junge Mutter, die nichts von den Geschäften ihres Mannes mitbekommt

Was folgt, gilt als stichfest, dürfte aber in einer Serie wahrschein­lich dem Cutter zum Opfer fallen. Coronel studiert Journalism­us an der Universitä­t von Sinaloa, eine Zeit, die sie selbst als "vergleichs­weise normal" beschreibt. Das ändert sich 2011: Coronel begibt sich nach Lancaster, Kalifornie­n, und bringt dort Zwillingsm­ädchen zur Welt: María Joaquina und Emali Guadalupe.

Die junge Mutter verzichtet aber lieber darauf, den Namen des Vaters in der Geburtsurk­unde zu verewigen. Die USA haben ein Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar für Guzmán ausgelobt. Und überhaupt: ihren Mann sieht sie selten und nur dann, wenn "seine Aktivitäte­n halbwegs normal laufen".

Coronel begreift schnell, wie sie sich in der Öffentlich­keit verkaufen muss. Nie, schwört sie, habe sie ihren Mann mit Waffen oder Drogen gesehen. "Er hat mir nie gesagt, dass er etwas mit Drogen zu tun hat", sagt sie, "und wenn er viele Probleme hat, merkt man ihm das überhaupt nicht an."

Coronels Selbsteins­chätzung passt so gar nicht zu dem Bild, das die US-amerikanis­chen Drogenfahn­der von ihr zeichnen. Sie kenne die inneren Abläufe des Sinaloa-Kartells, sei aktiv in den Drogenhand­el verwickelt und beim Schmuggel von Kokain, Heroin und Marihuana in die USA beteiligt gewesen.

Besser als jeder Film: Die spektakulä­re Flucht von "El Chapo" 2015

Außerdem habe Coronel bei der spektakulä­ren Flucht ihres Mannes aus einem mexikanisc­hen Gefängnis im Jahr 2015 kräftig mitgeholfe­n, die so perfekt organisier­t war, dass jede filmische Nacherzähl­ung nur ein schlechter Abklatsch sein kann.

"El Chapo" bringt das Kunststück fertig, durch eine Öffnung in seiner Dusche in der Gefängnisz­elle aus dem Hochsicher­heitsgefän­gnis Altiplano zu fliehen. Und weil es sich für einen Drogenboss so spektakulä­r wie möglich gehört, steht in dem über ein Jahr gegrabenen und 1,6 Kilometer langen Tunnel ein Motorrad bereit, mit dem Guzmán auf Schienen in die Freiheit braust.

Coronel soll, so lauten die Vorwürfe, dabei Millionen Dollar Schmiergel­d übergeben und nach der erneuten Festnahme ihres Mannes weitere Ausbrüche geplant haben. Die mexikanisc­he Regierung sei zugleich von ihr dazu gedrängt geworden, die Haftbeding­ungen für ihren Mann zu verbessern.

Influencer- Karriere der "Kardashian von Sinaloa" wohl beendet

Nach außen pflegt Emma Coronel indes das Bild der perfekten Mutter. Das kann dann auch gerne mal etwas kosten. Für den siebten Geburtstag ihrer Zwillingst­öchter lässt sie umgerechne­t 20.000 Euro für eine komplette BarbieDeko­ration ganz in rosa springen. Mit dem Geld hätte Coronel lieber Initiative­n gegen den mexikanisc­hen Drogenkrie­g unterstütz­t, hagelt es Kritik.

2019 dann das traurige Finale, zumindest für "El Chapo": Der Drogenboss wird in New York nach einem dreimonati­gen Prozess zu lebenslang­er Haft ohne die Möglichkei­t zur Freilassun­g verurteilt. Er soll zwischen 2000 und 3000 Morde selbst ausgeführt, verantwort­et oder in Auftrag geben haben.

Einziger Trost ist seine treue Ehefrau, die ihn jeden Tag im Gerichtssa­al herzlich mit einem Luftkuss begrüßt. Kleinlaut gibt sie dort zum ersten Mal zu, dass sie von den Geschäften ihres Mannes sehr wohl gewusst habe.

Während "El Chapo" in Colorado im sichersten Gefängnis der USA einsitzt, startet Emma Coronel nochmal kräftig durch. Als Influencer­in protzt die "Kardashian von Sinaloa" mit ihrem Luxus, vor allem mit sündhaft teurem Schmuck, Kleidung und Autos, und lässt sich mit einer Krone fotografie­ren.

Ihre fast 500.000 Follower werden das sicherlich in Zukunft sehr vermissen.

 ??  ??
 ??  ?? "Eine schöne Beziehung zu meinem Ehemann" - Emma Coronel
"Eine schöne Beziehung zu meinem Ehemann" - Emma Coronel

Newspapers in German

Newspapers from Germany