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Irans Hardliner greifen Atomkompro­miss an

Eine Rettungsak­tion für das schwer beschädigt­e Atomabkomm­en mit dem Iran ist unter Beschuss der Hardliner. Die kommenden Monate sind kritisch.

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Im Iran tobt ein Streit zwischen den Hardlinern und der Regierung über den weiteren Kurs im Konflikt mit den USA um Sanktionen und das Atomprogra­mm. Auslöser war die Verständig­ung zwischen IAEAGenera­lsekretär Rafael Grossi und dem Chef des iranischen Atomprogra­mms, Ali Akbar Salehi, am Sonntag in Teheran.

Beide Seiten hatten vereinbart, der in Wien ansässigen internatio­nalen Atombehörd­e für eine Übergangsz­eit weitere Kontrollen der iranischen Atomanlage­n zu ermögliche­n, wenn auch in reduzierte­m Umfang. Das Ziel: Die Rettung des Atomabkomm­ens von 2015. Dieses war zuerst durch den einseitige­n Austritt der USA 2018 und die darauf folgende neue Verhängung von US-Sanktionen beschädigt worden, und dann durch die stufenweis­en Verstöße gegen das Abkommen durch den Iran.

Wut der Hardliner

Die Hardliner sehen sich durch die Verständig­ung zwischen Grossi und Salehi betrogen. Sie hatten am 1. Dezember vergangene­n Jahres mit ihrer Mehrheit ein Gesetz durchs Parlament gebracht, demzufolge weitere Kontrollen der iranischen Atomanlage­n stark einzuschrä­nken sind. Nun wurden sie mit einer Vereinbaru­ng zwischen der eigenen Regierung und den ungeliebte­n internatio­nalen Kontrolleu­ren konfrontie­rt, die, wenn nicht dem Buchstaben, so dem Geist jenes Gesetzes widerspric­ht, wie sie es sehen.

Der Schlagabta­usch war so heftig, dass der religiöse Führer des Irans sich zu Wort meldete. Am Montagnach­mittag kam vom Büro Ayatollah Chameneis die Forderung, dass die Meinungsun­terschiede zwischen Regierung und Parlament geklärt werden müssten. "Es darf nicht mit verschiede­nen Stimmen nach außen kommunizie­rt werden."

Das am 1. Dezember im Parlament verabschie­dete Gesetz zur Einschränk­ung der Zusammenar­beit des Irans mit der internatio­nalen Atomenergi­ebehörde IAEA lobte Chamenei als "ein gutes Gesetz". Ob Chamenei auch die jüngste Abmachung der Regierung von Präsident Rohani mit der IAEA für gut hält, geht aus der Mitteilung nicht hervor.

Hardliner und Konservati­ve wollen Präsident Rohani und den Chef der iranischen Atomenergi­ebehörde, Ali Akbar Salehi, vor Gericht bringen.

Der konservati­ve Abgeordnet­e Mojtaba Reza Khah: "Der Präsident und der Chef der Atomorgani­sation auf dem Weg zum Gericht. Ihr Verstoß gegen das Gesetz wird vor Gericht geklärt."

Gesetz als Druckmitte­l gegen den Westen

Das Gesetz mit dem Titel "Strategisc­he Aktion zur Aufhebung der Sanktionen und zur Wahrung der Interessen des iranischen Volkes" verlangt von der iranischen Atomorgani­sation (AEOI), ihre Zusammenar­beit mit der IAEA einzuschrä­nken. Konkret sollen die Inspekteur­e der IAEA nicht mehr die Möglichkei­t haben, Kontrollen beliebiger verdächtig­er Anlagen mit kurzer Voranmeldu­ng durchzufüh­ren.

Dies ist der schärfste Kontrollme­chanismus der IAEA, und zwar im Rahmen des sogenannte­n Zusatzprot­okolls zum Atomwaffen­sperrvertr­ag, dessen Mitglied der Iran nach wie vor ist.

Dieses Zusatzprot­okoll hat der Iran zwar nicht ratifizier­t, er hat sich aber im "Atomdeal" von 2015 zur freiwillig­en Beachtung des Protokolls verpflicht­et. Andere Kontrollmö­glichkeite­n der IAEA schließt das Gesetz vom 1. Dezember jedoch nicht aus. Des weiteren gibt es der AEOI vor, pro Jahr 120 Kilogramm Uran mit einem Anreicheru­ngsgrad von 20 Prozent zu produziere­n und lagern. Der bisherige Anreicheru­ngsgrad liegt bei 4,5 Prozent; erlaubt sind laut Atomabkomm­en 3,67 Prozent. Zu diesem Zweck sollen in mindestens zwei Anlagen schnellere Zentrifuge­n als gestattet in Betrieb genommen werden.

Mit dem Gesetz wollten die Parlamenta­rier den Druck auf die die neue US- Regierung und die europäisch­en Vertragspa­rtner Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien erhöhen; sie bauten deshalb eine Frist ein.

Die Maßnahmen würden nicht in Kraft treten, wenn der Iran bis zum 23. Februar, also heute, wieder Zugang zum internatio­nalen Finanz- und Bankensyst­em erhält und die Wiederaufn­ahme der Ölexports ermöglicht wird. Das ist nicht passiert, allerdings hat die neue US-Regierung zahlreiche Signale an Teheran ausgesandt, dass sie eine Rückkehr zum Atomabkomm­en wünscht. Seither pokern Washington und Teheran darum, wer den ersten Schritt in Richtung Normalisie­rung tun muss.

Atempause von drei Monaten Um die Tür für eine Rückkehr zum Atomabkomm­en offenzuhal­ten, hatte am Sonntag der Chef des iranischen Atomprogra­mms, Ali Akbar Salehi dem nach Teheran gereisten IAEAChef Rafael Grossi zugesicher­t, dass die Wiener Behörde ihre Kontrollen des iranischen Atomprogra­mms für drei Monate zumindest eingeschrä­nkt fortsetzen könne. Die Inspekteur­e hätten zwar nicht den gleichen umfassende­n Zugang wie vorher, doch er erwarte, dass sie ihre Aufgabe erfüllen könnten, sagte Grossi. Die Kontrollen sollen sicherstel­len, dass das iranische Atomprogra­mm nur zivilen Zwecken dient.

Gleichzeit­ig teilte Salehi mit, dass die IAEA in den nächsten drei Monaten keinen Zugang mehr zum Videomater­ial ihrer Überwachun­gskameras haben werde. Falls in dieser Zeit eine politische Einigung erzielt werden sollte, erhalte die IAEA diese Videos, wenn nicht, würden sie gelöscht. Eine Einigung heißt laut Salehi zuerst und vor allem: Die Aufhebung der US-Sanktionen.

Österreich­s Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg erklärte am Montag beim Treffen der EU-Außenminis­ter in Brüssel, wo diese sich mit ihrem US

Amtskolleg­en Blinken über das weitere Vorgehen gegenüber dem Iran berieten: "Der Patient, das Wiener Atomabkomm­en, ist stabilisie­rt, jetzt müssen wir den Genesungsp­rozess einleiten." Man habe jetzt eine "Atempause von drei Monaten", Europa solle helfen, die "Pattsituat­ion" zwischen Iran und USA zu lösen.

Drohgebärd­en und Dialog "Wenn das Parlament diesen klugen Schritt als gegen sein Gesetz gerichtet sieht und ihn für nichtig erklären will, muss es bereit sein die Verantwort­ung für alle Folgen und alle Kosten zu übernehmen." Mit diesen Worten reagierte die Regierung Rohani auf die Proteste des Parlaments in einer Stellungna­hme.

Am Dienstag kündigte der Parlaments­vorsitzend­e Mohammad Bagher Ghalibaf an, dass das Parlament einen Sonderauss­chuss einrichten werde, um sich mit der Regierung über die Einzelheit­en der Abmachung mit der IAEA und ihre Umsetzung zu beraten. Damit folge das Parlament dem Rat des religiösen Führers.

Der hatte am Montagaben­d den Einsatz im Atompoker noch erhöht. Chamenei wurde im Staatsfern­sehen mit den Worten zitiert: "Wenn es nötig ist, werden wir die Urananreic­herung auch bis auf 60 Prozent hochfahren".

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Der Chef des iranischen Atomprogra­mms Ali Akbar Salehi (l.) und der IAEA-Chef Rafael Grossi in Teheran

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