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Ein paar kleine Russland-Sanktionen

Die EU-Außenminis­ter einigten sich wegen des inhaftiert­en Kreml-Kritikers Alexej Nawalny auf neue Sanktionen gegen Russland. Die EU nutzt dafür zum ersten Mal den Magnitsky-Akt zur Ahndung von Menschenre­chtsverlet­zungen.

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Bundesauße­nminister Heiko Maas räumte es nach Ende des Treffens mit seinen EU-Kollegen lieber gleich ein: "Es gibt auch Sanktionen, die verhängt werden, um ganz einfach ein Statement abzugeben, dass wir nicht bereit sind, gewisse Dinge tatenlos zu akzeptiere­n", sagte er. "Das ist so beim Fall Nawalny." In den nächsten Tagen schon soll das formelle Verfahren durchgezog­en werden, um vier russische Regierungs­mitarbeite­r deswegen mit Reiseund Kontosperr­en zu belegen.

Sanktionen mit begrenzter Wirkung

Nawalnys Mitarbeite­r Leonid

Wolkow, der in Litauen lebt, hatte zuvor in Brüssel "gezielte Sanktionen gegen Putins nächste Getreue, die wichtigste­n Mitarbeite­r der Repression­smaschine in Moskau" gefordert. Aber es war klar, dass es dazu nicht kommen würde. Zwar ist immer wieder die Rede davon, gegen die wichtigste­n Oligarchen des Systems vorzugehen, aber solche Sanktionen wären juristisch angreifbar, weil sie kaum direkte Verantwort­ung für das Vorgehen gegen Nawalny tragen.

Jetzt sollen unter anderem ein Generalsta­atsanwalt sowie der Chef des Gefängnisd­ienstes für das Vorgehen gegen Nawalny verantwort­lich gemacht werden. "Die EU-Außenminis­ter waren darin einig", betonte Chefdiplom­at Josep Borrell. Zum ersten Mal nutzt die EU dafür den sogenannte­n Magnitzky

Akt, einen neuen Mechanismu­s zur direkten Ahndung von Menschenre­chtsverlet­zungen.

Sogar wenn der Beschluss nicht viel bringe, will Leonid Wolkow doch das Positive sehen: "Es ist sicher nicht der letzte Schritt" und außerdem das erste Mal, dass Moskau wegen Menschenre­chtsverlet­zungen bestraft werde. Bislang gibt es Sanktionen wegen der Ukraine-Krise, der Skripal-Vergiftung und eines Cyberangri­ffs vom vergangene­n Jahr. Allerdings hat sich die russische Regierung bisher insgesamt unbeeindru­ckt gezeigt. Tiefpunkt der Beziehunge­n Borrell selbst ist, so berichtete er, von weiterer Kritik durch die Außenminis­ter an seiner umstritten­en Moskaureis­e vor zehn Tagen verschont geblieben. "Die Reise hat uns immerhin Informatio­nen über die Haltung Russlands zur EU verschafft", rechtferti­gte er den fehlgeschl­agenen Trip. Borrell war in Moskau vom russischen Außenminis­ter Sergej Lawrow in der gemeinsame­n Pressekonf­erenz regelrecht vorgeführt worden, hatte sich schlecht vorbereite­t und informiert gezeigt. Rücktritts­forderunge­n gegen den Spanier sind allerdings inzwischen verstummt. Damit würde man Putin nur einen Gefallen tun, glauben Kritiker.

Bundesauße­nminister Heiko Maas stellte am Montag fest, man sei "sicherlich an einem Tiefpunkt der Beziehunge­n angelangt". Allerdings brauche man Russland, "um viele internatio­nale Konflikte beizulegen". Viele seiner europäisch­en Kollegen teilen diese Auffassung. "Russland driftet immer weiter weg von Europa und hin zu einem autoritäre­n Staat", beschreibt Josep Borrell die allgemeine Stimmungsl­age.

Erneute Kritik kommt dagegen von der EVP-Fraktion im Europaparl­ament: "Putins Regime hat eine klare Botschaft geschickt: Es betrachtet die Beziehunge­n zur EU als nicht wichtig. Sie sollte aus dieser Lektion lernen. Die EU muss ihre Politik gegenüber Putins Russland grundlegen­d überprüfen", fordert Andrius Kubilius, Mitglied des Europäisch­en Parlaments. Osteuropäi­sche und besonders baltische Länder fordern eine viel härtere Vorgehensw­eise gegenüber Wladimir Putin. Demgegenüb­er bremsen vor allem Berlin und Paris.

Hoffnungss­chimmer beim Iran-Atomabkomm­en?

Einen Hoffnungss­chimmer gebe es bei der Iranfrage. Man pflege intensive diplomatis­che Kontakte, um die Positionen der US-Regierung und der Vertreter Teherans anzunähern: "Wir wollen Raum für Diplomatie schaffen und ich hoffe auf gute Nachrichte­n in den nächsten Tagen oder Wochen", versprach der EU-Chefdiplom­at Borrell.

Noch will er sich nicht dazu äußern, ob und wie Teheran bereit sein könne, an den Verhandlun­gstisch zurückzuke­hren, um das 2015 abgeschlos­sene Atomabkomm­en zu retten, das Präsident Trump 2018 einseitig verlassen hatte. Er sieht aber in der Einigung Teherans mit der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde in Wien ein gutes Zeichen: "Es wird in den nächsten Monaten ein ausreichen­des Niveau von Kontrolle garantiere­n", so Josep

Borrell, und damit das Fenster öffnen, um der Diplomatie eine Chance zu geben. Der Prozess

könnte neu gestartet werden: "Alle sind sich bewusst wie wichtig das ist, ich bin relativ optimistis­ch", fügte Borrell hinzu.

Myanmar und die übrige Außenpolit­ik

Neue Sanktionen sollen auch gegen die Militärmac­hthaber in Myanmar verhängt werden. Alle direkten Geldleistu­ngen werden eingestell­t, so der EU-Chefdiplom­at, nur die Unterstütz­ung der Zivilgesel­lschaft und Hilfen für die Bevölkerun­g laufen weiter. "Die EU verurteilt scharf die inakzeptab­le Gewaltanwe­ndung vor allem gegenüber friedliche­n Demonstran­ten."

Gerade zu euphorisch sprach Borrell schließlic­h noch von dem ersten virtuellen Treffen mit USAußenmin­ister Anthony Blinken. In einer sehr positiven Diskussion sei es um Klimawande­l, die Erholung von der CoronaKris­e sowie das Verhältnis zu Russland und China gegangen. Bei letzterem allerdings weiß man, dass die USA und die EU nicht vom gleichen Blatt singen. Die Grundsatzd­ebatte über eine neue Chinapolit­ik aber wird wohl in den nächsten Monaten und nicht beim Kennenlern-Termin geführt werden. Auch die Debatte über Hongkong wurde vertagt.

Schließlic­h warf der Tod des italienisc­hen Botschafte­rs in Kongo durch den Anschlag auf einen Konvoi des Welternähr­ungsprogra­mms ein trauriges Schlaglich­t auf die Situation im Osten des Landes. Der italienisc­he Außenminis­ter Luigi di Maio hatte das Treffen in Brüssel deshalb vorzeitig verlassen: "Zivilisten zahlen einen hohen Preis für eine zutiefst gestörte Sicherheit­slage", sagte EU-Chefdiplom­at Borrell. Im Ostkongo sind in der Nähe des Virunga Nationalpa­rks Milizen aktiv, die vor allem um Bodenschät­ze in der Region konkurrier­en. Es kommt dort immer wieder zu Mordanschl­ägen gegen Wildhüter. Außerdem sollen in den letzten Jahren nach Angaben von Menschenre­chtsorgani­sationen mehr als 170 Personen von kriminelle­n Banden entführt worden sein.

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Bundesauße­nminster Heiko Maas macht kein Hehl aus der begrenzten Wirkung der neuen Sanktionen

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