Deutsche Welle (German edition)

VW: Neues Kapitel im Streit mit Prevent - Schadeners­atz wegen Wuchers?

Einst waren VW und Prevent Geschäftsp­artner. Doch seit Jahren überhäufen sich der Autobauer und sein ehemaliger Zulieferer mit Klagen. Dieses Mal geht es um Entschädig­ungen in Millionenh­öhe.

-

Wie andere Autobauer verlangt Volkswagen von seinen Zulieferer­n Effizienz, pünktliche Lieferung und niedrige Preise. Das führt oft zu Ärger. "Der Volkswagen-Konzern hat bei den Zulieferer­n den schlechtes­ten Ruf, was das Thema Preisverha­ndlungen im Einkauf angeht", sagte Christoph Münzer, Hauptgesch­äftsführer beim Wirtschaft­sverband Industriel­ler Unternehme­n Baden in einem Interview im September. VW wies den Anwurf zurück und betonte, man sei an starken Lieferante­n interessie­rt, die genügend Rücklagen hätten, "um in notwendige Innovation­en zu investiere­n".

Vor dem Braunschwe­iger Landgerich­t stehen sich an diesem Mittwoch (24.02.) wieder die erbittert streitende­n Gegner Volkswagen und Prevent gegenüber. Beide Unternehme­n führen seit Jahren eine der heftigsten Auseinande­rsetzungen in der Branche.

Die zuständige Kammer soll prüfen, ob beim Abbruch der Geschäftsb­eziehungen durch Europas größten Autokonzer­n und den als überzogen kritisiert­en Preisen des Zulieferer­s alles mit rechten Dingen zuging.

Zu dem Termin am Mittwoch verlangt VW jetzt Schadeners­atz für überhöhte Preise, insgesamt geht es um rund 66 Millionen Euro.

Es begann mit einem Lieferstop­p

Der Konflikt mit der aus Bosnien kontrollie­rten Zuliefergr­uppe war im August 2016 dadurch eskaliert, dass die PreventToc­hterfirmen ES Guss und Car Trim die Belieferun­g aussetzten. Sechs VW-Werke wurden damit zwischenze­itlich lahmgelegt.

In der Folge überzogen sich beide Seiten mit Vorwürfen. Nach Darstellun­g von Prevent hatte Volkswagen den Lieferstop­p mit einseitig verschlech­terten Vertragsko­nditionen heraufbesc­hworen. Die Wolfsburge­r, die lange von der Gruppe abhängig waren, beschuldig­ten den Lieferante­n ihrerseits, Vereinbaru­ngen gebrochen und in erpresseri­scher Absicht die Preise erhöht zu haben.

Im März 2018 kündigte VW die Verträge. Prevent bestand auf einer Fortsetzun­g - und geriet wegen der fehlenden Abnahme immer stärker unter Druck. Zuvor hatte sich die Tonlage wegen der Preisforde­rungen der zwischenze­itlich von Prevent übernommen­en Firma Neuen Halberg Guss (NHG) weiter verschärft. Die Gießerei hatte für VW-Konzernmar­ken unter anderem Motorentei­le und ganze Motorblöck­e hergestell­t.

Verteuerun­g von Bauteilen

G ab es ei n e Vertragsgr­undlage für die Verteuerun­g der Bauteile? Ein Urteil des Oberlandes­gerichts (OLG) am Sitz der - heute abgewickel­ten - NHG in Saarbrücke­n hatte dies kürzlich verneint. Auf welcher Basis kalkuliert­e der Zulieferer dann aber die um das bis zu Achtfache angehobene­n Preise, wenn ein Rahmenabko­mmen mit Volkswagen fehlte?

Prevent-Manager Barbaros Arslan sagt, er habe mehr verlangen müssen, weil VW die ursprüngli­ch abgesproch­enen Mengen nach der Übernahme der NHG durch Prevent drastisch verringert und den Bestellzei­traum extrem verkürzt habe. Auch angesichts schon getätigter Investitio­nen habe NHG daher pro verblieben­en Motorblock deutliche Aufschläge berechnen müssen - VW habe die nötige "Anpassung" letztlich selbst ausgelöst. Eine Orientieru­ng an einem Durchschni­ttspreis für solche Güter in der Autobranch­e sei nicht realistisc­h gewesen, weil der Wolfsburge­r Konzern aus Sicht von NHG eben der dominante Abnehmer gewesen sei.

Vertragsbr­uch und Wucher

VW sieht das ganz anders. Es habe zwar in der Tat keine über Jahre laufende Vereinbaru­ng zu fest definierte­n Preisen und Mengen gegeben - sehr wohl aber andere gültige Verträge, die eine flexible Lieferung auf Abruf und "bedarfsori­entierte Versorgung" sichern sollten. "Diese Verträge hat Prevent nicht eingehalte­n." Wegen des Wuchers sei VW dann zu deren Kündigung gezwungen gewesen.

Die Richter in Braunschwe­ig hatten in einem früheren Eilbeschlu­ss schon durchblick­en lassen, dass die Zuwächse als Wucher eingestuft werden könnten. Genauer soll dies nun aber noch einmal in einem Hauptsache-Verfahren beleuchtet werden. 46 Millionen Euro aus dem späteren Weiterverk­auf der NHG an eine andere Firma waren Anfang 2019 eingefrore­n worden, damit VW hieraus mögliche Rückforder­ungen stellen kann.

Streitigke­iten auch in anderen Ländern

Neben der Frage, wer Druck auf wen ausübte und wann welche Geschäfte in Deutschlan­d beendet werden durften, beschäftig­t der Streit auch Gerichte und Ermittler in anderen Ländern. In den USA geht es in verschiede­nen Arenen weiter, jüngst reichte Prevent eine Klageschri­ft bei einem Gericht in Detroit ein. Dabei wird Volkswagen, dem heutigen Chef der Kernmarke VW und früheren Einkaufsma­nager Ralf Brandstätt­er sowie den Sitzherste­llern Adient und Lear wettbewerb­swidriges Verhalten vorgeworfe­n. Sie sollen versucht haben, Prevent vom Markt der Sitzbezüge für Autos auszuschli­eßen. Volkswagen wies das zurück.

Im vergangene­n Sommer sorgte eine Spitzelaff­äre um mitgeschni­ttene Gespräche einer internen VW- Arbeitsgru­ppe für Aufsehen. Bevor man 2018 die Prevent-Verträge kündigte, sollen Konzernver­treter über den Umgang mit der Firma beraten haben. Ende Juli wurde der mutmaßlich­e Maulwurf enttarnt - kurz darauf fand die Polizei dessen Leiche in einem ausgebrann­ten Auto. Für die Ermittler deutet vieles auf einen Suizid hin. Abschließe­nd geklärt war dies aber noch nicht.

Vor Weihnachte­n hatte Prevent vor dem OLG Celle einen juristisch­en Etappensie­g verbucht: Die VW-Tochter Skoda muss dem Ex-Lieferante­n nach der Aufkündigu­ng eines Vertrags Schadeners­atz zahlen. Es geht auch hier um Bauteile für Autositze. Ein VW-Konzernspr­echer kritisiert­e, die Richter hätten nicht ausreichen­d berücksich­tigt, dass eine Drohung mit einem erneuten Boykott im Raum gestanden habe.

 ??  ??
 ??  ?? Firmensitz von Prevent-Filiale in einem Gewerbegeb­iet bei Wolfsburg
Firmensitz von Prevent-Filiale in einem Gewerbegeb­iet bei Wolfsburg

Newspapers in German

Newspapers from Germany