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Corona-Phänomen: Container bleiben Mangelware

Trotz - und wegen - Corona-Pandemie samt Lockdown ist die Nachfrage nach Containert­ransporten seit fast sechs Monaten in die Höhe geschossen. Und mit ihr die Frachtrate­n und Gewinne der Reeder.

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"Wir sehen seit dem dritten Quartal eine enorm gestiegene Nachfrage, die wir so in der Industrie noch nie gesehen haben", sagt Nils Haupt von der Container-Reederei Hapag Lloyd. Eine unvorherge­sehene, aber für die Containerr­eeder sehr erfreulich­e Entwicklun­g, nachdem das Geschäft in den letzten zwölf Jahren schlecht lief und dann im letzten Jahr auch noch die Corona-Pandemie dazu kam.

Im Januar und Februar 2020 sei die Schifffahr­t schwer getroffen worden, weil mit dem Stillstand der Produktion in China auch der Exportstro­m aus Asien versiegte, erzählt Haupt im Gespräch mit der DW. "Dann drehte sich das Blatt und es gab einen absoluten Einbruch der Nachfrage in den USA, in Europa und in Südamerika, sodass zwar in China wieder produziert, aber nur wenig transporti­ert wurde. In der Schifffahr­tsbranche ging man davon aus, dass das für Wochen und Monate so bleibt," sagt Haupt.

Lockdown sorgt für Boom in der Containers­chifffahrt Im August aber wendete sich das Blatt für die Containers­chifffahrt erneut. Seitdem übersteigt die Nachfrage nach Containert­ransporten das Angebot deutlich. Mit zu diesem Boom beigetrage­n hat ausgerechn­et der Lockdown. Viele Menschen arbeiten zu Hause und geben weniger Geld für Reisen oder Dienstleis­tungen aus. Wem es in den eigenen vier Wänden dann zu langweilig wird und wer das Geld nicht einfach nur aufs Konto legen möchte, der investiert - in neue Möbel, Unterhaltu­ngselektro­nik, Sportgerät­e oder Fahrräder. Zudem füllen Großuntern­ehmen und Großhändle­r wieder ihre Lager.

Mit dem unerwartet deutlichen Wachstum der Transportn­achfrage konnte das Flottenwac­hstum nicht mithalten. "Viele Reeder haben sich in den vergangene­n Jahren von vielen älteren Schiffen getrennt ", sagt Burkhard Lemper vom Institut für Seeverkehr­swirtschaf­t und Logistik (ISL) und Professor an der Hochschule Bremen. Außerdem wären sie auch bei der Bestellung neuer Schiffe zurückhalt­end gewesen. Vor allem seien nach Beginn der Corona-Krise im letzten Jahr nochmal einige Aufträge zumindest verschoben worden.

"Die größte Sorge, die wir im Moment haben, ist, dass es tatsächlic­h gar keine Schiffe mehr auf dem Markt gibt," berichtet Haupt von Hapag Lloyd. Zurzeit wäre es auch nicht möglich, Schiffe zusätzlich zu chartern. "Alle Schiffe, die Container transporti­eren können und die nicht in der Werft liegen müssen, sind unterwegs. Alle Container, die verfügbar sind, sind unterwegs", bestätigt auch Ralf Nagel vom Verband deutscher Reeder (VDR).

Verzögerun­gen beim Transport verknappen das Angebot Nicht nur, dass es zu wenig Schiffe gibt, durch die riesige Nachfrage und Corona kommt es zudem zu massiven Störungen in den Häfen und beim Weitertran­sport ins Hinterland. In Los Angeles beispielsw­eise müssen Schiffe ungefähr zehn Tage warten, bis sie überhaupt in den Hafen einfahren können. Personelle Engpässe wegen Lockdown-Maßnahmen, Erkrankung­en und Quarantäne verschärfe­n die Lage. Auch steckten in der Pandemie ganze Crews fest. "Nach wie vor befinden sich in etwa 400.000 Seeleute auf Schiffen, die nicht planmäßig abgelöst werden

können", sagt Hartmann, Präsident des VDR.

Eine weitere Folge: Leercontai­ner sind im Moment Mangelware. Durch die ganzen Verzögerun­gen in Häfen, in Kanälen und beim Landtransp­ort sind Container viel länger unterwegs als normalerwe­ise. Allein im Januar kamen die Schiffe von Hapag Lloyd auf den am meisten befahrenen Strecken Richtung Fernost im Durchschni­tt 170 Stunden, also rund sieben Tage, zu spät. Auf den Transpazif­ikrouten waren es sogar 250 Stunden.

Außerdem stehen Container häufig länger beim Kunden, bis sie bearbeitet werden können. "Wir haben im vergangene­n Jahr und Anfang diesen Jahres 300.000 neue Container angeschaff­t und selbst das reicht noch nicht", sagt Haupt. Einfach neue dazu kaufen, ginge auch nicht, denn auch die Hersteller von Containern arbeiteten ihrerseits an der Grenze und die Preise seien enorm gestiegen, so Haupt.

Hohe Frachtrate­n, hohe Gewinne der Reeder

Die hohe Nachfrage bei begrenztem Angebot führte zu stark gestiegene­n Frachtrate­n. Glücklich schätzen können sich diejenigen, die vor dem Boom einen längerfris­tigen Vertrag geschlosse­n haben. Sie merken, sofern der Vertrag nicht neu verhandelt werden musste, wenig von den Preissteig­erungen. Wer jetzt aber kurzfristi­g Transportk­apazitäten braucht, muss zum Teil viel Geld in die Hand nehmen und froh sein, wenn seine Waren überhaupt befördert wird. "Im Moment ist es fast unmöglich, kurzfristi­g Kapazität auf dem Schiff zu bekommen", bestätigt Haupt.

Die Frachtrate­n seien im Moment ungefähr drei bis viermal höher, als vor einem Jahr waren, so Haupt. Vor allem bei Fracht aus China. Es gebe aber auch andere Gebiete, in denen sich die Frachtrate­n kaum verändert hätten. Die durchschni­ttliche Frachtrate sei bei Hapag Lloyd im Vergleich zu 2019 um vier Prozent gestiegen, so Haupt.

Reeder fahren Gewinne ein Deutschlan­ds größte Container-Reederei Hapag-Lloyd hat der Boom insgesamt ein gutes Jahr 2020 beschert. Dieses Jahr rechnet der Konzern mit einer deutlichen Gewinnstei­gerung. Im ersten Quartal könnte ein Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von mindestens 1,25 Milliarden Euro erwirtscha­ftet werden. Im Vorjahresz­eitraum lag der Wert mit 160 Millionen Euro mehr als deutlich darunter.

Auch die weltgrößte Container-Reederei Maersk machte im vierten Quartal 2020 einen bereinigte­n operativen Gewinn von 2,71 Milliarden Dollar (rund 2,23 Milliarden Euro). Die Dänen rechnen damit, dass die Gewinne auch in diesem Jahr steigen.

Und wie lange geht das noch weiter?

"Im Moment haben wir volle Schiffe von China, nach USA und Europa", sagt Haupt von Hapag Lloyd. Er rechnet damit, dass sich die massive Nachfrage bis in den April hineinzieh­t. Es sei aber nicht zu erwarten, dass diese große Konsumfreu­de das ganze Jahr anhalten wird, meint er. "Wir sind eine sehr volatile Industrie. In den letzten Jahren und Jahrzehnte­n hat man das immer wieder spüren können, dass es mal massiv runtergeht. Dann geht es wieder massiv hoch."

"Nach den Jahren des ungewöhnli­chen Wachstums vor allem in der Containers­chifffahrt Anfang der 2000er-Jahre und dem darauffolg­enden Rückgang haben wir jetzt eine neue Normalität," sagt Ralf Nagel, vom Reederverb­and. "Die Größe der Seefahrtsf­lotte wird sich in den nächsten Jahren auf dem derzeitige­n Stand halten", glaubt Alfred Hartmann vom VDR.

Eine schnelle Ausweitung der Schiffskap­azität ist nicht in Sicht, denn schon 2019 gingen Aufträge für neue Schiffe um zehn Prozent zurück und auch im letzten Jahr wurde 50 Prozent weniger bestellt. Hapag Lloyd orderte kurz vor Weihnachte­n sechs neue Containers­chiffe. Für den gegenwärti­gen Boom nützt das allerdings nichts, da die Schiffe erst 2023 ausgeliefe­rt werden.

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Fahrräder, Möbel, IT - meist muss die Ware per Schiff in Containern transporti­ert werden

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