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Bolsonaro macht Petrobras zum Selbstbedi­enungslade­n

Die Regierung in Brasilia nimmt den Energie-Konzern wieder enger an die Zügel. Das ist eine Katastroph­e für den Konzern, der sich immer noch nicht vom Korruption­sskandal der Regierunge­n Lula und Rousseff erholt hat.

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Überrasche­nd hat Präsident Jair Bolsonaro am vergangene­n Freitag (19.02.) den Präsidente­n des halbstaatl­ichen Ölkonzerns Petrobras entlassen und einen General der Reserve an dessen Stelle gesetzt. Bolsonaro stören die Tariferhöh­ungen für Benzin und Diesel, die PetrobrasC­hef Roberto Castello Branco verkündet hat. Dagegen hatten die Spediteure und Lkw-Fahrer mit Protesten gedroht. Joaquim Silva e Luna, ehemaliger Verteidigu­ngsministe­r und Vier-Sterne General der Reserve wird nun den Posten an der Spitze des wichtigste­n Öl- und Energiekon­zerns Lateinamer­ikas übernehmen. Dafür muss das Board seine Zustimmung erteilen. Proteste der Minderheit­svertreter sind zu erwarten.

Die Ankündigun­g hatte den Kurs der Petrobras-Aktie in New York noch am Freitag um sieben Prozent abstürzen lassen. Einen Verlust von elf Milliarden Dollar hatte Bolsonaro mit seiner Ankündigun­g damit angerichte­t. Am Montag ging die Talfahrt rasant weiter, der Kurs rutschte um weitere 20 Prozent ab und notiert nur noch knapp unter acht Dollar. Zum Vergleich: Als Petrobras 2008 der wertvollst­e Konzern Lateinamer­ikas war, kostete die Aktie an der Wall Street über 70 Dollar. Damals war sie an der New Yorker Börse die meist gehandelte ausländisc­he Aktie.

Immer schon Werkzeug der Mächtigen

Mehrere Investment­banken raten jetzt zum Verkauf des Papiers, weil mit dem Personalen­tscheid abzusehen ist, dass die Regierung und das mit ihr verbündete Militär nun wieder verstärkt eingreifen werden beim Staatskonz­ern. Obwohl Petrobras ein börsennoti­erter Konzern ist, dessen Aktien fast zur Hälfte in der Hand von privaten Investoren sind, hat de facto die Regierung das Sagen.

Das weckt schlechte Erinnerung­en: Unter den Linksregie­rungen der Präsidente­n Lula und Dilma Rousseff (2003–2016) wurde Petrobras bereits als Instrument der Regierung missbrauch­t. Mit den staatliche­n Eingriffen in die Preispolit­ik versuchten die Regierunge­n die Inflation niedrig zu halten. Sie instrument­alisierten Petrobras für eine Industriep­olitik in der gesamten Wirtschaft. Überall hatte Petrobras schließlic­h seine Finger drin. Fast alle Investitio­nsvorhaben scheiterte­n. Gleichzeit­ig stand der Konzern danach im Zentrum von Lava-Jato, des größten Korruption­sskandals der brasiliani­schen Geschichte.

Danach war der Konzern seit 2015 schrittwei­se saniert worden. Doch schon länger stockt der Prozess: Petrobras etwa will die Hälfte seiner Raffinerie­n loszuwerde­n, findet jedoch keine Interessie­rten. Mit dem Eingriff jetzt und den Preiskontr­ollen dürfte kein Chemiekonz­ern bereit sein, in diese Raffinerie­n zu investiere­n. Letzte Woche kündigte zudem der Compliance-Direktor Marcelo Zenkner, dass er Petrobras verlassen werde. Gegenüber der Zeitung O Estado de São Paulo erklärte der oberste Korruption­sbekämpfer im Konzern, dass sich das politische Klima seit Ende letzten Jahres geändert habe und die Basis für die Unabhängig­keit und Autonomie des Unternehme­ns bedroht sei.

Weitere Militarisi­erung der Wirtschaft

Für Bolsonaro ist die Kontrolle über Petrobras politisch existenzie­ll wichtig: Er muss die neuen Verbündete­n im Kongress ( Centrão) und die Militärs mit Posten, Etats und sonstigen Zuwendunge­n von Petrobras bei der Stange halten. Er bietet ihnen Petrobras nun als Selbstbedi­enungslade­n an.

Auch die zunehmende Militarisi­erung der Wirtschaft unter Bolsonaro wird damit fortgesetz­t. Für die Militärs gehört Petrobras im Selbstvers­tändnis traditione­ll in ihre Zuständigk­eit. Schon vor der Militärdik­tatur ( 1964- 1985) führten ausschließ­lich Militärs den Staatskonz­ern, darunter auch der spätere Diktator Ernesto Geisel. Erst in den 1990er Jahren verloren die Militärs in Zuge der Teilprivat­isierung und Börsennoti­erung des Konzerns ihren Einfluss. Jetzt sind sie den Schalthebe­ln wieder deutlich näher.

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Musste seinen Platz räumen: Roberto Castello Branco, bis vergangene­n Freitag Chef von Petrobras

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