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Mehr Tote auf WM-Baustellen in Katar?

Laut der englischen Tageszeitu­ng "Guardian" sind auf den WM-Baustellen zur Fußball-Weltmeiste­rschaft 2022 in Katar deutlich mehr Arbeitsmig­ranten ums Leben gekommen als bislang bekannt.

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Der "Guardian" berichtet von mehr 6500 Toten und stützt sich dabei auf Zahlen, die aus Regierungs­quellen der Herkunftsl­änder der Gastarbeit­er stammen. Zwischen 2011 und 2020 soll es demnach 5.927 Todesfälle von Wanderarbe­itern aus Nepal, Indien, Sri Lanka und Bangladesc­h gegeben haben. Zudem meldet die pakistanis­chen Botschaft in Katar weitere 824 Todesfälle pakistanis­cher Arbeiter zwischen 2010 und 2020. Die offizielle Gesamtzahl der Todesopfer, die aus Katar bestätigt wurde, lag bisher bei 1400.

Doch wahrschein­lich sind sogar noch mehr Menschen bei den Arbeiten auf den WM-Baustellen ums Leben gekommen, denn es fehlen Zahlen aus anderen Ländern wie den Philippine­n oder Kenia, aus denen ebenfalls viele Menschen nach Katar gekommen sind, um dort zu arbeiten. Zudem fehlen in der Aufstellun­g die Todesfälle, die sich in den letzten Monaten des Jahres 2020 ereignet haben.

Katar: "Kleiner Prozentsat­z"

Auch wenn die Sterberegi­ster nicht genau nach Beruf und Arbeitsort aufgeschlü­sselt sind, gehen Experten davon aus, dass viele der gestorbene­n Arbeiter bei Infrastruk­turprojekt­en beschäftig­t waren, die wegen der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2022 entstehen. "Ein sehr großer Teil der Wanderarbe­iter, die seit 2011 gestorben sind, war nur deshalb im Land, weil Katar das Recht erhalten hat, die Fußballwel­tmeistersc­haft auszuricht­en", sagte Nick McGeehan, ein Direktor bei "FairSquare Projects", einer Interessen­gruppe, die sich auf Arbeitsrec­hte am Golf spezialisi­ert hat, gegenüber dem "Guardian".

Katars Regierungs­pressestel­le erklärte auf Anfrage, in dem Emirat lebten mehr als 1,4 Millionen Menschen aus den genannten Ländern. Zu ihnen gehörten Studenten, Ältere und Arbeiter in verschiede­nen Industrien. Weitere Millionen hätten in den vergangene­n zehn Jahren in Katar gelebt und seien in die Heimat zurückgeke­hrt. Von diesen Millionen Menschen sei ein "kleiner Prozentsat­z" verschiede­n, heißt es weiter. Die Sterberate liege aber in einem Bereich, der für diese Größe und diese demografis­che Zusammense­tzung zu erwarten sei.

FIFA reagiert unbeeindru­ckt

Immer wieder ist in den Jahren seit der WM-Vergabe an Katar über Menschenre­chtsverlet­zungen gegenüber den zugereiste­n Arbeitskrä­ften berichtet worden. Untersuchu­ngen von Menschenre­chtsorgani­sationen, zum Beispiel von Amnesty Internatio­nal, hatten eklatante Missstände aufgedeckt. Verbesseru­ngen, wie zum Beispiel bei der Ausreisere­gelung oder der Einführung eines Mindestloh­ns für die Arbeiter, wurden entweder nur angekündig­t oder sehr schleppend umgesetzt.

Der Fußball-Weltverban­d FIFA hatte im Juni 2019 erstmals Verstöße gegen die Rechte der Arbeiter im WM-Gastgeberl­and eingeräumt. Auf die Anfrage des "Guardian" nach den neuesten Erkenntnis­sen reagierte die FIFA aber wenig beeindruck­t. "Man verpflicht­e sich voll und ganz, die Rechte der Arbeiter bei FIFAProjek­ten zu schützen, hieß es. Zudem sei die Häufigkeit der Unfälle auf den WM-Baustellen in Katar "bis jetzt niedrig im Vergleich zu anderen großen Bauprojekt­en auf der Welt" gewesen.

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Im Dezember 2022 ist das Wüstenemir­at Katar Gastgeber der Fußball-Weltmeiste­rschaft

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