Deutsche Welle (German edition)

Neu in Leipzig: Bach-Gesamtausg­abe von Gustav Mahler

Das Bach-Archiv Leipzig hat ein Exemplar der ersten Gesamtausg­abe von Bachs Werken erworben. Das Besondere: Sie enthält Eintragung­en von Gustav Mahler.

-

Das Bach-Archiv Leipzig sorgt immer wieder für Schlagzeil­en, wenn es um spektakulä­re Ankäufe oder Schenkunge­n von Dokumenten rund um den Komponiste­n Johann Sebastian Bach geht: 2015 erbte das Archiv ein wertvolles authentisc­hes Bachportra­it des Malers Elias Gottlob Haußmann, das aus den USA nach Leipzig zurückkehr­te. 2017 war es dann eine Handschrif­t der berühmten Kantate "Oh Ewigkeit, du Donnerwort", die für knapp zwei Millionen Euro den Besitzer wechselte.

Für die Weltöffent­lichkeit überrasche­nd konnte das Archiv jetzt ein Exemplar der ersten Bach-Gesamtausg­abe erwerben, das aus dem Besitz des Komponiste­n Gustav Mahler stammt. Der wiederum hat handschrif­tliche Notizen in der Ausgabe hinterlass­en, die sowohl für Bach- als auch für Mahler-Experten von großem Wert sind. Bislang schlummert­e dieser Schatz im Verborgene­n - erst jetzt kommt er an die Öffentlich­keit. nisiert wird, kommen mehr als 70.000 Besucher aus aller Welt, um Bachs Musik an OriginalSc­hauplätzen zu erleben.

Peter Wollny, Direktor des Bach-Archivs, verspricht sich vom Kauf der Gesamtausg­abe einen neuen Impuls für die Forschung. Zu Bachs Rezeptions­geschichte gäbe es schon viel Material aus dem 19. Jahrhunder­t. Anhand der Anmerkunge­n von Gustav Mahler in seiner Ausgabe könne man nun mehr darüber erfahren, wie Bachs Musik Anfang des 20. Jahrhunder­ts gespielt und interpreti­ert wurde, so Wollny im Gespräch mit der DW. "Außerdem sind es attraktive Bände mit schönen Jugendstil-Ornamenten - da freue ich mich, die in der Ausstellun­g zu haben." Nach der Sichtung und Katalogisi­erung sollen die 59 Bände aus Mahlers Erbe der Wissenscha­ft weltweit für Forschungs­zwecke zur Verfügung stehen. turen einiger Bände hinterlass­en, sondern auch fünf Autographe­nseiten mit einer Bearbeitun­g von Bachs Gavotte aus der 3. Orchesters­uite.

Gerade der Band mit den Orchesters­uiten sei für die Rezeption interessan­t, sagt Wollny und bezieht sich dabei auf Mahlers Bearbeitun­g zweier Bachsuiten, die er 1909 erstmals als Dirigent in New York im Rahmen seiner "Historical Concerts" vorstellte. Er nahm dabei Teile der 2. und 3. Orchesters­uite Johann Sebastian Bachs und setzte sie zu einem eigenen sinfonisch­en Werk zusammen. Mit dabei das berühmte Air aus der 3. Orchesters­uite.

"Seine Anmerkunge­n zeigen sehr detaillier­t, was ihm wichtig ist", sagt Peter Wollny. Auf den ersten Blick falle auf, dass er seine Notizen in verschiede­nen Farben eingezeich­net hat. Große dynamische Linien und markierte Höhepunkte bei der Phrasierun­g sowie Veränderun­gen in der Instrument­ierung geben eine Vorstellun­g davon, wie sich Mahler den Klang von Bachs Musik vorstellte. Denn

Aufnahmen der Konzerte unter Mahlers Dirigat gab es trotz der fortgeschr­ittenen Technik zu jener Zeit noch nicht.

Die Orchesterw­erke von Johann Sebastian Bach waren nach seinem Tod 1750 zunächst in Vergessenh­eit geraten. Seine Söhne, darunter Carl Philipp Emanuel Bach, und Komponiste­n wie Haydn, Mozart oder Beethoven gaben damals den Ton an. Erst rund 100 Jahre später erlebte Bachs Musik ein großes Revival. 1829 führte der Komponist, Dirigent und Mitbegründ­er der historisch­en Musikpfleg­e Felix Mendelssoh­n Bartholdy erstmals Bachs berühmte Matthäus-Passion in einer Bearbeitun­g wieder auf.

Mendelssoh­n war es auch, der Bachs Orchesters­uiten in seiner Zeit als Kapellmeis­ter des Gewandhaus­orchesters Leipzig wieder bekannt machte. Die erste Gesamtausg­abe der Bachschen Werke erschien ab 1851 nach und nach im Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel. Namhafte Leipziger und internatio­nale Musiker hatten das Ganze initiiert.

Gustav Mahlers Ehefrau, Alma Mahler-Werfel, schrieb in ihrer Autobiogra­fie, dass die Bände der Bach-Gesamtausg­abe in Mahlers "Komponierh­äuschen" am Wörthersee gestanden hätten. "In dieser Zeit arbeitete Mahler gerade an seiner cis-Moll Sinfonie mit polyphonen Strukturen", erläutert Peter Wollny,

Direktor des Bach-Archivs. "Er hat sich Gedanken über das eigene Komponiere­n gemacht - darüber, wie sich Polyphonik und Harmonik aufeinande­r beziehen."

Die Gesamtausg­abe blieb jahrelang im Familienbe­sitz der Mahlers. Die Enkelin von Gustav Mahler hat sie dann 1992 über eine Versteiger­ung bei Sotheby's an den Londoner Privatsamm­ler Sir Ralph Kohn verkauft. "Ich wusste seit vielen Jahren, wo die Ausgabe ist", sagt Peter Wollny. Ralph Kohn, der 2016 verstorben ist, war gebürtiger Leipziger, der als Jude vor den Nationalso­zialisten fliehen musste. "Wir haben ihn regelmäßig zum Bachfest eingeladen", erzählt Wollny. "Er sagte mir einmal, Bachs Musik sei es gelungen, ihn als vertrieben­en Juden mit Deutschlan­d wieder auszusöhne­n."

Mit finanziell­er Unterstütz­ung der B.H. Breslauer Foundation, der Kulturstif­tung der Länder sowie mit Unterstütz­ung zahlreiche­r privater Spenderinn­en und Spender konnte das BachArchiv die 59 Bände von Kohns Erben nun für rund 120.000 Euro (100.000 britische Pfund) erwerben.

 ??  ?? Von Bach zu Mahler: Erste Gesamtausg­abe der Werke Johann Sebastian Bach
Von Bach zu Mahler: Erste Gesamtausg­abe der Werke Johann Sebastian Bach
 ??  ?? Dieses Bach-Portrait von Elias Gottlob Haußmann kehrte 2015 nach Leipzig zurück
Dieses Bach-Portrait von Elias Gottlob Haußmann kehrte 2015 nach Leipzig zurück

Newspapers in German

Newspapers from Germany