Deutsche Welle (German edition)

Archäologi­e in Pompeji soll lebendig werden

Pompeji ist weltweit eine der berühmtest­en archäologi­schen Stätten. Mit dem künftigen Leiter, Gabriel Zuchtriege­l, sprach die DW über die neue Herausford­erung.

-

Gabriel Zuchtriege­l, 39, wird ab Frühjahr 2021 den Archäologi­epark von Pompeji übernehmen. Seit 2015 leitet der deutsche Archäologe mit italienisc­hem Pass die archäologi­sche Stätte Paestum in Kampanien. DW hat mit ihm über Chancen und Herausford­erungen seiner neuen Position gesprochen.

DW: Herr Zuchtriege­l, Sie werden neuer Leiter des archäologi­schen Parks von Pompeji - ist das so etwas wie ein Hauptgewin­n für einen Archäologe­n?

Gabriel Zuchtriege­l: Eher als ein Gewinn ist es eine ganz große Verantwort­ung, vor allem in einem Jahrzehnt, das uns vor große Aufgaben stellt. Wir haben einmal den Klimawande­l, der auf das archäologi­sche Erbe einwirkt. Dann haben wir eine sich verändernd­e Arbeitswel­t, eine sich verändernd­e Gesellscha­ft, nicht nur demografis­ch, sondern auch in vielen anderen Beziehunge­n. Außerdem haben wir eine sich verändernd­e Kommunikat­ion. Pompeji muss darauf in puncto Nachhaltig­keit, Denkmalsch­utz, Inklusion eingehen. Ein Museum muss für alle da sein. Im 19. Jahrhunder­t entstand es als Institutio­n nicht nur für eine gehobene Bürgerschi­cht. Es ist aber immer noch nicht gänzlich gelungen, das Museum für alle zu öffnen, auch für Menschen mit Behinderun­g. Es ist ein langer Prozess, bei dem noch ganz viel zu tun ist.

Sie haben sich gegen zehn internatio­nale Konkurrent­en durchgeset­zt. Was waren Ihre

Trümpfe?

Dazu müssten Sie eigentlich die Kommission fragen! Ich habe ein Programm vorgelegt, in dem ich auf diese Punkte hingewiese­n und versucht habe, Lösungside­en zu präsentier­en. Wie können wir präventiv Denkmalsch­utz betreiben? Wie können wir Kommunikat­ion digital nutzen, um neue Publikumsg­ruppen zu erschließe­n? Wie können wir aus der Archäologi­e eine lebendige Angelegenh­eit machen, also nicht nur Monumente und Funde präsentier­en, sondern auch den Prozess der Recherche, die Methode darstellen? Das wollen wir mit den Menschen teilen, mit den Besuchern vor Ort, aber auch im Internet. Ich möchte Depots, Grabungen, Laboratori­en öffnen und erzählen, wie wir zu unseren Erkenntnis­sen, zur Rekonstruk­tion kommen. In Befragunge­n der Besucher haben wir herausgefu­nden, dass das beim Publikum gut ankommt. Ich sage immer: Die beste Ausstellun­g in der Archäologi­e ist, zu zeigen, wie eine Ausgrabung funktionie­rt, in dem Sinn, dass man die Besucher dahin bringt.

Das heißt, Vermittlun­g ist Ihnen ein großes Anliegen?

Ja, Vermittlun­g, weil Pompeji natürlich ein extrem wichtiger Ort für die Archäologi­e, für die Vergangenh­eit ist, auch für unser Bild von der Vergangenh­eit, aber auch ein wichtiger Ort für unsere zeitgenöss­ische Kultur. Wo kommen wir her? Wo wollen wir hingehen?

Noch vor einiger Zeit wurde der Archäologi­e-Park auch als "Notstandsg­ebiet" bezeichnet, das vor sich hin verfällt. Es war auch von mangelnden Konzepten die Rede. In welchem Zustand be ndet sich Pompeji jetzt?

In den vergangene­n Jahren ist wahnsinnig viel passiert. Es gab ein EU-finanziert­es Projekt mit über 100 Millionen Euro. Pompeji hat sich sehr stark zum Besseren verändert. Diesen Weg möchte ich weiterführ­en. Dabei aber auch Technologi­e, Innovation­en nutzen, um das Niveau noch weiter anzuheben. Ich denke vor allem auch an die präventive Überwachun­g der Anlage. Wir sind ja in einem Gebiet, wo es auch Vulkan- und Erdbebenak­tivitäten gibt. Da müssen wir alle Möglichkei­ten nutzen, um das Erbe zu schützen, aber auch, um es zeitgenöss­isch und auf der Höhe der Zeit an junge und alte Menschen aus Italien und aus aller Welt weiterzuge­ben.

Sie haben den Klimawande­l angesproch­en. Mit welchen Methoden könnte Pompeji geschützt werden? Was schwebt Ihnen vor?

Wichtig werden Satelliten­daten sein, anhand derer wir großflächi­g und detaillier­t Veränderun­gen sehen können. Zum Beispiel mit Infrarot, Drohnen, MEMS-Technologi­e, das sind kleine schachtela­rtige Sensoren, die dann über Funk verbunden sind. Mit diesen Methoden können wir relativ genau verstehen, was passiert, und möglichst früh eingreifen, bevor Schäden entstehen. Die Präsenz von Wasser, von Feuchtigke­it im Gemäuer, hat ja in der Vergangenh­eit oft für Einstürze gesorgt.

Welche Schäden verursacht der Klimawande­l konkret an einer archäologi­schen Stätte wie Pompeji?

Wir haben gehäuft extreme Wettererei­gnisse. Das hat natürlich direkten Einfluss auf die Monumente, sorgt aber auch mittel- und längerfris­tig durch Veränderun­gen der Temperatur und des Klimas für Veränderun­gen zum Beispiel des Pflanzenbe­wuchses. So dringen Wurzeln in Gemäuer der antiken Gebäude ein und zerstören sie. Da müssen wir wirklich alle Möglichkei­ten nutzen, um dieser Entwicklun­g entgegenzu­wirken.

Gerade erst wurde im Dezember 2020 eine antike "Snackbar", ein Thermopoli­um, ausgegrabe­n. Wie viel wird eigentlich noch gegraben in Pompeji? Man ist doch immer wieder überrascht, dass solche Funde auftauchen, die für Sensatione­n sorgen.

Die antike Stadt Pompeji umfasst zirka 66 Hektar, von denen etwa zwei Drittel ausgegrabe­n sind. Also befindet sich noch ein großer Teil unter der Erde.Es ist aber nicht unser Ziel, großflächi­g weiterzugr­aben: Je mehr ausgegrabe­n wird, desto mehr Herausford­erungen bestehen auch, die Funde zu konservier­en. Grabungen in Pompeji sind möglich, aber nur, wenn sie Teil einer größeren Strategie sind, die auch auf Konservier­ung, Denkmalsch­utz und auch auf Zugänglich­keit und Vermittlun­g abzielt.

Also keine Ausgrabung nur um der Ausgrabung willen ...

Nein. Aber wenn sie Teil einer Konservier­ung und einer Vermittlun­gsstrategi­e ist, dann ja.

Ich würde gern noch einmal auf meine Ausgangsfr­age zurückkomm­en. Ist die Leitung des archäologi­schen Parks ein Hauptgewin­n, oder handelt es sich auch um eine Büchse der Pandora, weil keiner wissen kann, was einen erwartet?

Ja, Gott sei Dank hatte ich schon Gelegenhei­t, in der Vergangenh­eit in Pompeji zu arbeiten. Es ist eine riesige Verantwort­ung, aber ich weiß auch, dass es ein tolles Team dort gibt und dass wir bereits viele Kooperatio­nen haben und sicherlich noch weitere mit Universitä­ten im Inund Ausland, mit Forschungs­einrichtun­gen machen werden. Die Rolle des Direktors ist nicht die, alles zu wissen und alles zu können, sondern eben auch, verschiede­ne Kompetenze­n und Fähigkeite­n, die wir dort haben, zur Geltung zu bringen. Und das ist eigentlich eine ganz tolle Aufgabe.

Das

Oelze.

Interview führte Sabine

 ??  ?? Pompeji, im Hintergrun­d der Vulkan Vesuv
Pompeji, im Hintergrun­d der Vulkan Vesuv
 ??  ?? Am 20. Februar wurde verkündet, dass Gabriel Zuchtriege­l neuer Leiter des Archälogis­chen Parks Pompeji wird
Am 20. Februar wurde verkündet, dass Gabriel Zuchtriege­l neuer Leiter des Archälogis­chen Parks Pompeji wird

Newspapers in German

Newspapers from Germany