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Kolonialgeschichte neu erzählt
Eine Ausstellung dokumentiert die Vielfalt des Widerstands gegen die Kolonialherrschaft - und gibt jenen, die Unterdrückung erfahren haben, eine Stimme.
Die Debatte rund um die koloniale Vergangenheit und Restitution von Beutekunst ist nicht neu. Seit Jahrzehnten schon wird in den ethnologischen Museen über unrechtmäßig erworbene Gegenstände diskutiert. Innerhalb dieser Debatte tauchte allerdings die Sicht derer, die seit Beginn der Kolonialisierung durch die Spanier und Portugiesen im 16. Jahrhundert Widerstand geleistet haben, bislang zu wenig auf. Das Rautenstrauch-JoestMuseum (RJM) in Köln will dies nun mit seiner neuen Ausstellung ändern. In "Resist! Die Kunst des Widerstands" erhalten diesmal die Kolonialisierten, jene, die unter Unterdrückung litten oder leiden, eine Stimme. "Es geht um einen Perspektivwechsel", erläutert Museumsdirektorin Nanette Snoep das Konzept, "darum, die Nachfahren und Betroffenen sprechen zu lassen und ungehörte Geschichten zu erzählen. Und schließlich um die Frage: Was bedeutet Widerstand heute?" rinnen aus mehr als dreißig Ländern zu geben. Sie wurden eingeladen, ihre Sicht der Dinge zu präsentieren. Die meisten von ihnen kommen aus dem Globalen Süden oder der Diaspora und haben politische Ansätze. Darunter auffallend viele Frauen, was nicht verwundert, wenn man allein an die namibischen Aktivistinnen rund um Esther Utjiua Muinjangue denkt. Die Aktivistin ist die Vorsitzende der Ovaherero Genocide Foundation, einer Stiftung, die seit Jahren vom deutschen Staat eine Entschädigung für das Unrecht fordert, das die ehemalige Kolonialmacht den Herero und Nama in "Deutsch-Südwestafrika" angetan hat.
Die indigenen Aufstände zwischen 1904 und 1908 wurden brachial niedergeschlagen und kosteten mehr als 90.000 Menschen das Leben. Das Gemetzel gilt als erster Völkermord in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. In der Ausstellung sieht man Grafikpanels, die ein namibischer Grafiker zusammen mit Esther Muinjangue und ihrer Mitstreiterin Ida Hoffmann gestaltet hat. Außerdem weisen Fotografien sowie drei Bildschirme mit Filmausschnitten von Demonstrationen und Reden auf die Ereignisse von damals hin. Über allem steht der Slogan "It Cannot be About Us Without Us", ein Slogan, den sich auch die Ausstellungsmacher zu eigen gemacht haben: Nicht über uns (reden) - ohne uns.
Der Raum der NamibiaAktivistinnen ist einer von vier "It's yours"-Räumen,mit denen das Rautenstrauch-JoestMuseum externen Kuratoren und Kuratorinnen einen Ort bietet, um ihre Geschichte, respektive das, was sie zu sagen haben, erzählen zu können. Alle vier wurden von Frauen konzipiert.
Auch die nigerianische Künstlerin und Professorin für Kunstgeschichte an der Universität Lagos, Peju Layiwola, hat einen Raum gestaltet. Dort sind nun Bronzen aus dem einstigen Königreich Benin neben eigenen Reliefs drapiert. Damit verleiht Layiwola der Debatte um geraubte Kulturgüter, Restitution und "postkoloniale Kontinuitäten" (einem ihrer wissenschaftlichen Schwerpunktthemen) einen neuen Schub. Das RJM besitzt 95 BeninBronzen. Sie wurden vom Sammler Rautenstrauch in London erworben - wenige Jahre nachdem die Briten 1897 einen antikolonialen Aufstand blutig niedergeschlagen und die Bronzen als Trophäen mitgenommen hatten.
Patricia Kaersenhout aus Amsterdam befasst sich ebenfalls mit Kolonialgeschichte, wobei auch sie versucht, die Erkenntnis hieraus auf heutige Verhältnisse umzumünzen. Auf Textilfahnen, die von der Decke hängen, präsentiert sie drei heute vergessene karibische Pionierinnen der panafrikanischen Befreiungsbewegung aus dem 20. Jahrhundert. "Objects of Love and Desire" heißt ihre Arbeit über die mutigen Frauen, die sich "völlig von der damaligen Idee entfernt haben, wie sich eine Frau, besonders eine schwarze Frau zu verhalten hat", wie Kaersenhout in einem TV-Interview erklärt.
Als Künstlerin und Aktivistin, deren Eltern aus der einstigen niederländischen Kolonie Surinam stammen, verleiht sie so den Ausgegrenzten und Vergessenen eine Stimme. Der politische Faden in ihrer Arbeit wirft Fragen über die Bewegungen der afrikanischen Diaspora und ihre Beziehung zu Feminismus, Sexualität, Rassismus und der Geschichte der Sklaverei auf. "Gerade für junge People of Color ist es sehr wichtig, dass sie ihre Geschichte kennen und dass ihre Vergangenheit nicht nur voller Unterdrückung und Leid ist, sondern auch voller Widerstand."
Einer, der die Kolonialgeschichte neu erzählt, ist der senegalesische Modefotograf Omar Victor Diop. In seiner Serie "Diaspora" stellt er