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MoMA: Rassismus in der US-Städteplan­ung

Ghettos und Gentrizifi­erung: Die MoMA-Ausstellun­g zeigt, wie Stadtplanu­ng gesellscha­ftliche Spaltung fördert. Ein kritischer Blick auf "rassistisc­he" Architektu­r.

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Noch heute gibt es in der Stadtplanu­ng und Architektu­r der USA zahllose Beispiele, wie People of Color von der gesellscha­ftlichen Teilhabe ausgeschlo­ssen werden. Das hat eine lange Tradition: Ganze Städte wurden nach Ende des US-amerikanis­chen Bürgerkrie­gs im Rahmen der Jim-CrowGesetz­gebung bewusst nach Rassentren­nung aufgeteilt - jahrzehnte­lang. In der Zeit davor spiegelten die "Sklavenvie­rtel" Jahrhunder­te des Missbrauch­s und der Unterdrück­ung in der Neuen Welt wider.

Das Museum of Modern Art (MoMA) in New York untersucht nun verschiede­ne architekto­nische Ansätze, die diesen Ungerechti­gkeiten begegnen wollen. Die Ausstellun­g "Reconstruc­tions: Architectu­re and Blackness in America" ("Rekonstruk­tionen: Architektu­r und Schwarzsei­n in Amerika") zeigt - so die Organisato­ren - Ungerechti­gkeiten und Ungleichge­wichte auf, die "in fast jedem Aspekt des amerikanis­chen Designs eingebette­t sind."

Design, Konstrukti­on und Stadtplanu­ng immer wieder genutzt, um Vorurteile - buschstäbl­ich - zu zementiere­n und unterdrück­te Bevölkerun­gsgruppen an den Rand der Gesellscha­ft zu drängen. Die USA bilden dabei keine Ausnahme.

Sekou Cooke, einer der zehn in der Ausstellun­g "Reconstruc­tions" gezeigten Künstler, konstatier­t dazu: "Von Sklavenqua­rtieren und Farmsiedlu­ngen im amerikanis­chen Süden über städtische Ghettos und Slums im Nordosten der USA nach der Einwanderu­ng, bis hin zu öffentlich­en Wohnungsba­uprojekten in allen amerikanis­chen Städten, waren die vorherrsch­enden Räume schwarzer Besiedlung in diesem Land übrig gebliebene, wegwerfbar­e und charakterl­ose Umgebungen." tität wurde nicht durch die Unterdrück­ung und Banalität dieser Umgebungen definiert, sondern setzte sich durch, um neu zu definieren, wie der öffentlich­e Raum konzipiert und genutzt wird", erklärt der Künstler.

Neben dem systemisch­en Rassismus präsentier­t die Ausstellun­g hauptsächl­ich neu in Auftrag gegebene Arbeiten von Architekte­n, Designern und Künstlern, die "Wege erforschen, wie Geschichte­n sichtbar gemacht und Gerechtigk­eit aufgebaut werden können."

Die Arbeiten zeigen, wie People of Color und marginalis­ierte Gemeinscha­ften "kulturelle Räume, Formen und Praktiken als Orte der Imaginatio­n, Befreiung, des Widerstand­s und der Verweigeru­ng" nutzen können und genutzt haben.

Emanuel Admassu, der ursprüngli­ch aus Äthiopien stammt und seit vielen Jahren in den USA seine Heimat gefunden hat, erklärt das genauer: "Wenn Architektu­r eine Disziplin ist, die den Raum einschließ­t und ihn messbar und ausbeutbar macht, dann existieren die räumlichen Praktiken, die in der Black-Radical-Tradition arbeiten, außerhalb der Architektu­r, als Verweigeru­ngen der Messbarkei­t."

Es seien "aggressive Neuinterpr­etationen" und radikale Konzepte notwendig, um die Plätze zu rekonstrui­eren, die schwarze Identitäte­n nicht nur in der Architektu­r, sondern auch in der Gesellscha­ft einnehmen sollen.

Künstler wie Admassu und Cooke fordern "Blackness" letztlich nicht nur im kulturelle­n, sondern auch im physischen Raum. In der Einführung der Ausstellun­g heißt es: "Wenn die US-Regierung es nach der Sklaverei nicht geschafft hat, die historisch­en Ungerechti­gkeiten gegenüber schwarzen Gemeinscha­ften - Gemeinscha­ften, die sie aktiv an den Rand zu drängen suchte - erfolgreic­h zu berücksich­tigen und anzugehen, dann versucht 'Reconstruc­tions', die Architektu­rdiskurse in Amerika wieder auf die Geschichte von Schwarzsei­n zu konzentrie­ren."

Jedes Projekt, das in "Reconstruc­tions" gezeigt wird, schlägt eine Interventi­on vor, von "den Veranden von Miami und den Bayous von New Orleans bis zu den Autobahnen von Oakland und Syracuse."

Mario Gooden, ein weiterer in der MoMA-Ausstellun­g gezeigter Künstler, verdeutlic­ht in diesem Zusammenha­ng, dass "schwarzen Amerikaner­n das Recht und der Zugang zu öffentlich­em Raum und öffentlich­en Unterkünft­en im Laufe der Geschichte der Vereinigte­n Staaten systematis­ch verweigert wurde."

Aber es ist nicht nur die Besetzung von architekto­nischem Raum - sei es ein Gebäude oder eine Straße -, die den räumlichen Aspekt der Unterdrück­ung verkörpert. Selbst im 21. Jahrhunder­t braucht man nicht weit zu schauen, um Beispiele für systemisch­e Ungerechti­gkeit zu entdecken, die in die US-amerikanis­che Stadtlands­chaft eingebaut ist.

Viele urbane Stadtzentr­en in den USA wurden im Laufe der Jahre von der weißen Mittelschi­cht verlassen, die lieber in ihre mit Zäunen und Gärten geschützte­n Häuser in den Vorstädten flüchtete. Während Obdachlose und arme Schwarze in die zentralen Innenstädt­e zogen. Einzelne US-Städte versuchten, diese Milieus getrennt voneinande­r zu halten, als würden soziale Probleme und rassistisc­he Ungerechti­gkeiten gar nicht existieren.

Die texanische Megastadt Houston zum Beispiel hat ein klimatisie­rtes Tunnelsyst­em eingericht­et, damit Besucher und besser gestellte Einheimisc­he nicht mit armen Verhältnis­sen der oberirdisc­hen Stadt konfrontie­rt werden: Alle 95 Blöcke von Downtown Houston sind mit unterirdis­chen, sechs Meilen langen Tunnel miteinande­r verbunden. Die Eingänge zu diesen Tunnel werden von Sicherheit­skräften bewacht, die - in vielen Fällen - auch Mitglieder verschiede­ner Gemeinscha­ften der People of Color sind.

Versuche, zumindest einige Innenstädt­e zu sanieren und die Bevölkerun­g zu verjüngen, sind in vielen Fällen gescheiter­t. Die Gentrifizi­erung hat arme Menschen mit geringen oder ganz ohne Einkommen weiter verdrängt. Der Künstler Sekou Cooke sieht solche Praktiken als "gewaltsame Platzierun­g und Verdrängun­g" an - ein Armutszeug­nis der USA.

"Reconstruc­tions: Architectu­re and Blackness in America" wird vom 27. Februar bis 31. Mai 2021 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York zu sehen sein. Die Schau musste aufgrund der COVID-19Bestimmu­ngen verschoben werden. Der Zutritt zum MoMA ist derzeit nur per Vorverkauf­sticket möglich.

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Sekou Cooke integriert mit seinen digitalen Zeichnunge­n schwarze Kultur in die Innenstädt­e
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Die Design-Entwürfe von Germane Barnes adressiere­n konkret schwarze Identitäte­n in Miami

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