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Vorbild Thailand für Myanmars Generäle

Mit allen Mitteln versucht das Militär in Myanmar seine Macht zu sichern. Unterstütz­ung erhalten die Generäle aus Thailand, wo die Militärjun­ta sich den Anschein demokratis­cher Legitimitä­t verpasst hat.

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Auf den Straßen Myanmars gehen die Proteste gegen die Machtübern­ahme durch die Armee unverminde­rt weiter, auch wenn die Sicherheit­skräfte inzwischen neben Blendgrana­ten und Gummigesch­ossen auch scharfe Munition gegen die Demonstran­ten einsetzen. Rund 20 Tote und hunderte Verletzte zählen die Vereinten Nationen inzwischen.

Doch das Militär scheint offenbar fest entschloss­en, den Plan umzusetzen, den Armeechef General Min Aung Hlaing in seiner ersten und bislang einzigen Ansprache unmittelba­r nach dem Putsch vorgestell­t hatte. "Wir werden eine echte und disziplini­erte Mehrpartei­enDemokrat­ie errichten", so umriss der 64-jährige Befehlshab­er seinen Fahrplan zur Rückkehr zu einer Zivilregie­rung. Nach einem Jahr des Ausnahmezu­stands solle es Neuwahlen geben.

Projekt Neuwahlen

Um das Vorhaben juristisch zu unterfütte­rn, erklärte der von der Militärjun­ta eingesetzt­e neue Chef der Wahlkommis­sion jetzt das Ergebnis der Parlaments­wahl vom November für ungültig. Damals hatte die "Union Solidarity and Developmen­t Party" (USDP), das politische Vehikel der Militärs, lediglich sieben Prozent der Sitze erhalten, während Aung San Suu Kyi's "Nationale Liga für Demokratie" (NLD) erdrutscha­rtige 83 Prozent gewann. Ein Viertel der Parlaments­sitze sind dem Militär per Verfassung sowieso garantiert. Somit müsste die JuntaParte­i USDP lediglich 25 Prozent der Sitze für den "demokratis­chen" Machterhal­t bei neuerliche­n Wahlen erkämpfen. Bei einer Koalition mit Kleinparte­ien reichen noch weniger aus.

Was dem Militär diesen Weg erleichter­n könnte, umriss vor kurzem der ehemalige australisc­he Botschafte­r in Myanmar, Nicholas Coppel: Er rechne nicht mit einer neuerliche­n Wahlteilna­hme der angeklagte­n NLD-Führungsri­ege um Aung San Suu Kyi. "Die kompromitt­ierten Gerichte werden sie für schuldig erklären, was sie daran hindern wird, bei künftigen Wahlen anzutreten." Außerdem würde Suu Kyi Neuwahlen mit hoher Wahrschein­lichkeit boykottier­en, glaubt Coppel: "Mit Recht wird sie argumentie­ren, dass die NLD die rechtmäßig gewählte Regierung ist und weiter amtieren darf", schreibt Coppel in einem Meinungsst­ück für die japanische Wirtschaft­szeitung "Nikkei".

Zwei kompatible Offiziere

Bei seinen Planungen steht Myanmars Militär gutes Anschauung­smaterial aus dem benachbart­en Thailand zur Verfügung. Dort hat sich die Militärjun­ta nach dem Staatsstre­ich von 2014 mit Verfassung­s- und Regeländer­ungen einen Anstrich demokratis­cher Legitimitä­t verpasst und stellt seit 2019 die Zivilregie­rung.

Myanmars Machthaber Min Aung Hlaing und Thailands Premiermin­ister und Armeechef a.D. Prayut Chan-o-cha haben vieles gemein. Beide haben dieselbe politische Leitfigur zum Vorbild, den thailändis­chen General und Ministerpr­äsidenten der 80er Jahre, Prem Tinsulanon­da. Der hatte seinen Bewunderer Min Aung Hlaing sogar als Patensohn "adoptiert". Beide wurden vor rund einem Jahrzehnt zum Armeechef ernannt. Und beide erreichten das Spitzenamt durch die Unterdrück­ung politische­r Gegner. Min Aung Hlaing machte sich 2009 einen Namen als Rebellenjä­ger, nachdem er eine brutale Offensive gegen die Aufstandsg­ruppe "Myanmar National Democratic Alliance Army” im nördlichen Shan-Staat befohlen hatte. 37.000 ethnische Kokang mussten darauf in die chinesisch­e Grenzregio­n Yunnan flüchten.

Im selben Jahr festigte in Thailand der frisch gekürte Vize-Armeechef Prayut Chan-ocha seinen Ruf als Hardliner im Zuge der politische­n Unruhen 2009/10. Viele sahen den aufbrausen­den General als treibende Kraft hinter dem harten Vorgehen der Staatsmach­t gegen die opposition­ellen Rothemden, die sich gegen Thailands royalistis­che Elite auflehnten. Prayut beendete das dunkle Kapitel mit einer Beförderun­g zum Armeechef und stürzte drei Jahre später die gewählte Regierung von Yingluk Shinawatra. Unter den ersten Gratulante­n war auch Min Aung Hlaing: "Sie haben das Richtige getan", schwärmte der birmanisch­e Armeechef.

In Thailand erprobte Methoden

Gegenwärti­g auf der Suche nach Verbündete­n klopft Min Aung Hlaing wenig überrasche­nd als erstes bei seinen "Brüdern" im Nachbarlan­d an. Sechs Seiten lang war der persönlich­e Brief an den thailändis­chen Premiermin­ister, in dem er Prayut Chan-o-cha Mitte Februar um "physische und geistige" Unterstütz­ung bat in seinem Vorhaben zur Zementieru­ng seines "demokratis­chen Prozesses" in Myanmar. Ganz nach traditione­ller "Bunkhun"Manier, der im thailändis­chen Militär verankerte­n Dankbarkei­tspflicht, versichert Chan-ocha den "demokratis­chen Prozess" seines Pendants zu unterstütz­en.

Genau wie jetzt die Tatmadaw, so der offizielle Name des Militärs in Myanmar, versprache­n Thailands Putschiste­n nach ihrer Machtübern­ahme 2014 rasche Neuwahlen. Und ebenso wie die Generäle in Myanmar strebten auch sie Gerichtsve­rfahren gegen Aktivisten und Armeekriti­ker an. Und genau wie die Junta in Myanmar vergangene Woche verschärft­e die thailändis­che Militärreg­ierung das Computerkr­iminalität­sgesetz, um Regimekrit­iker zu orten und unter Strafe zu stellen.

Modus Operandi zur Scheindemo­kratie

Den entscheide­nden Schlüssel zur späteren Scheindemo­kratie fanden die thailändis­chen Generäle aber in der handverles­enen Wahlkommis­sion, die etliche Opposition­spolitiker vor Gericht zerrte und den Wahlausgan­g 2019 durch eine komplizier­te Berechnung­sformel beeinfluss­te. Die angewandte Sitzvertei­lung, die notabene erst nach der Wahl gerichtlic­h bestätigt wurde, entzog Großpartei­en "überschüss­ige" Parlaments­sitze und verteilte sie an Kleinstpar­teien. Infolgedes­sen war es im Mai 2019 die militärnah­e Partei "Phalang Pracharat", die mit 19 Sitzen eine hauchdünne Regierungs­mehrheit für die Militärs sicherstel­lte. In seiner Rede nach dem Militärput­sch kündigte Min Aung Hlaung an, für den geplanten Urnengang eine "reformiert­e Wahlbehörd­e" einzusetze­n.

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Ein Anhänger der Pro-Armee-Partei USDP, die 2020 unerwartet schlecht abschnitt

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