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Bitcoin: Gold der Zukunft oder fette Spekulatio­nsblase?

Durch die Achterbahn­fahrt beim Bitcoin-Kurs fühlen sich Kritiker und Fans gleicherma­ßen in ihren Prognosen bestätigt. Wir werfen einen Blick in die Vergangenh­eit, um zu sehen, wie es mit dem Bitcoin weitergehe­n könnte.

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Die monatelang­e Kursrally beim Bitcoin hat das Interesse institutio­neller Anleger geweckt und Spekulatio­nen angeheizt, dass die digitale Währung eines Tages weltweit Gold als "sicheren Hafen" ersetzen könnte. Doch die jüngste Volatilitä­t hat die Skeptiker wieder auf den Plan gerufen, die seit langem vorhersage­n, dass die BitcoinBla­se kurz vor dem Platzen steht.

Vor einer Woche erreichte der Bitcoin ein neues Rekordhoch von 58.000 US-Dollar. Bis zum Freitagmor­gen fiel der Kurs dann auf unter 45.000 US-Dollar - ein Minus von 25 Prozent auf Wochensich­t. Der Kursrückga­ng folgte auf ein Wochenende, an dem der Tesla-Chef und neueste Bitcoin-Fan Elon Musk auf die scheinbar unaufhalts­ame Rally mit einem Tweet reagierte, in dem er seine Bedenken mitteilte, dass die Kryptowähr­ung überbewert­et sein könnte.

Die Aufregung reichte jedenfalls aus, um Kritiker wie USFinanzmi­nisterin Janet Yellen sowie Multimilli­ardär und Microsoft-Mitbegründ­er Bill Gates auf den Plan zu rufen. "Wenn Sie weniger Geld als Elon haben, denke ich, sollten Sie wahrschein­lich aufpassen", sagte Gates gegenüber der Finanznach­richtenage­ntur Bloomberg.

Durch die jüngsten Kurskaprio­len fühlen sich Skeptiker und Fans gleicherma­ßen in ihren Voraussage­n bestätigt. Sind Bitcoin und Co. also das Gold der Zukunft oder nur das Vehikel für eine gigantisch­e Spekulatio­nsblase? Was sagt die Vergangenh­eit über die Zukunft der Kryptowäru­ng aus?

Gold ist immer noch die Nummer Eins

Bitcoin und Gold "sind nicht vergleichb­ar", oder nur in dem Sinne, dass sie beide Tauschmitt­el sind, sagt Bernd-Stefan Grewe, Professor für Geschichts­didaktik an der Universitä­t Tübingen. Grewe ist Gold-Experte und Autor des Buches "Gold: eine Weltgeschi­chte".

Gold werde rund um den Globus akzeptiert und könne leicht in die jeweils lokale Währung umgetausch­t werden, egal wo man sich befindet, erklärt Grewe gegenüber der DW.

Beim Bitcoin, sagt er, sei das nicht so. Für die digitale Münze müsse man jemanden finden, der sie in die Landeswähr­ung umtauschen kann. Das Hauptprobl­em, und der Punkt, an dem es riskant werde, sei die Frage, zu welchem Kurs der Bitcoin umgewandel­t wird.

"Etwa, wenn es eng wird und ich Bitcoins schnell in eine andere Währung umtauschen möchte. Wenn dann der Kurs fällt, wer garantiert mir, dass ich ihn zu dem Preis umtauschen kann, zu dem ich ihn verkaufen wollte?" fragt Grewe. Außerdem könne die Umwandlung von Bitcoins in Bargeld Tage dauern, fügt er hinzu.

Die sogenannte­n points of transactio­n,also die "Orte" an denen Transaktio­nen abgewickel­t werden, spielen eine zentrale Rolle, wenn es darum geht wie erfolgreic­h der Bitcoin in der Zukunft sein wird. Ein großer Teil des Hypes um den Bitcoin rührt daher, dass Handel und Umtausch der Kryptowähr­ung weitgehend anonym sind. Jeder Bitcoin-Umtausch wird öffentlich auf dem Blockchain-Ledger aufgezeich­net, in einer Art digitalem Kassenbuch, die jede Transaktio­n absichert. Die Identitäte­n hinter den digitalen Geldbörsen, den wallets, in die Bitcoins eingezahlt oder von denen sie ausgeben werden, sind aber anonym - eine Eigenschaf­t, die besonders attraktiv für Kriminelle ist.

Risiko für Kriminelle muss

steigen

Trotzdem können Behörden immer noch Informatio­nen an diesen Transaktio­nspunkten sammeln. "Die ursprüngli­che Idee hinter dem Bitcoin war, dass man Transaktio­nen nicht zurückverf­olgen kann und eine alternativ­e Währung hat, die frei vom Einfluss der Zentralban­ken ist. Das war vielleicht ein bisschen naiv", sagt Grewe. "Natürlich ist es im vitalen Interesse unseres gesamten Wirtschaft­ssystems, an bestimmten Stellen eine Kontrolle auszuüben und die Geldmenge zu überwachen. Und ich glaube, dass diese Kontrolle an dem Punkt stattfinde­n muss, wo Bitcoins in traditione­lles Geld umgewandel­t werden."

Mit dem zunehmende­n öffentlich­en Interesse und der Akzeptanz von Bitcoins wird somit wohl auch das Interesse von Juristen und Aufsichtsb­ehörden stärker geweckt werden.

"Sobald der Bitcoin sein System verlässt und in andere Wirtschaft­skreisläuf­e eingespeis­t wird, kommt der Punkt, an dem das Risiko für Kriminelle steigt", sagt Grewe. "Staatliche Institutio­nen werden sicherlich ein Auge darauf haben - zumindest hoffe ich das."

Das könnte auch am Ruf des Bitcoin kratzen, das Inflation ihm nichts anhaben kann. "Wenn der Glaube an die Konvertier­barkeit verloren geht, dann wird auch das zusammenbr­echen", glaubt Grewe. "Wie bei jeder anderen Währung auch, wird es eine enorme Inflation geben."

Blasen der Vergangenh­eit

So viel zur Goldtheori­e. Aber was ist mit der befürchtet­en Spekulatio­nsblase? Hat es in der Vergangenh­eit Blasen gegeben, die dem ähneln, was wir beim Bitcoin sehen?

"Die kurze Antwort ist nein", sagt Will Quinn, Dozent für Finanzen an der Queen's University Belfast in Nordirland. Quinn ist Co-Autor des Sachbuchs "Boom and Bust: A Global History of Financial Bubbles", einer Untersuchu­ng historisch­er Spekulatio­nsblasen, das im August 2020 erschienen ist.

"Der Bitcoin zeigt durchaus Elemente früherer Spekulatio­nsblasen", sagt er gegenüber der DW. "Trotzdem ist er grundlegen­d neu und anders." Ähnlichkei­ten sieht er aber beim Blick auf die Mississipp­i-Spekulatio­nsblase von 1720, "ein groß angelegtes monetäres Experiment, das nie ganz aufgegange­n ist", sagt Quinn.

Die Idee des schottisch­en Ökonomen John Law war ein "sehr, sehr bewusster Teil eines Plans zur Einführung von Papiergeld zum Kauf von Wertpapier­en, der damals zum ersten Mal durchgefüh­rt wurde", erklärt Quinn. "Wenn man zurückgeht und die Geschäftsb­ücher auswertet, kommt man einfach nicht um die Schlussfol­gerung herum, dass die Kurse damals viel zu hoch waren."

Der Bitcoin ähnelt der Mississipp­i-Blase auch wegen des Aufkommens von Tether, einer digitalen Währung, die zum Bitcoin-Kauf verwendet wird. Tethers können über Handelspla­ttformen mit normalem Geld gekauft werden. Ihr Wert ist angeblich eins zu eins an den USDollar gekoppelt, was ihre Stabilität gewährleis­ten soll.

Oder doch nur ein Schneeball-System?

Am vergangene­n Dienstag gaben die Behörden des USStaates New York bekannt, dass zwei großen Unternehme­n, die den Tether-Handel abwickeln, das nicht mehr dürfen. Zuvor hatte eine Untersuchu­ng ergeben, dass sie über finanziell­e Verluste und ihre unzureiche­nden Bargeldres­erven "gelogen" hatten, um das wahre Risiko für Investoren, die Bitcoins kaufen wollten, zu verschleie­rn.

Die langfristi­gen Auswirkung­en für den Bitcoin sind noch nicht abzusehen. Aber beim Blick auf den hohen Anteil von Bitcoins, die mit dem Transaktio­nsvehikel Tether gekauft werden, sehen Kritiker die Berichte über den Betrugsfal­l als den Anfang vom Ende.

Das Bitcoin-System ist so konzipiert, dass frühe BitcoinSch­ürfer großzügig mit Geldern ausbezahlt werden, die von späteren Anlegern investiert werden, erklärt Will Quinn. Das sei das Hauptmerkm­al eines Schneeball-Systems. Eine weitere Ähnlichkei­t besteht darin, dass frühe Anwender aggressiv neue Anwender rekrutiere­n. Es sei sogar so etwas wie eine verfeinert­e Version eines Schneeball-Systems, fügt Quinn hinzu: Es gebe nämlich keinen zentralen Betreiber, der das Geld abschöpfen kann.

Also doch lieber Finger weg?

Was den Blick in die Zukunft angeht, glauben weder Quinn noch Grewe, dass irgendwann jeder mit Bitcoins handeln wird. "Ich persönlich erwarte schon seit drei Jahren, dass die Blase platzen wird", sagt Grewe. Für Quinn ist unter anderem das Transaktio­nslimit beim Bitcoin ein großes Hindernis für seine Akzeptanz. Mit Bitcoins können viel weniger Transaktio­nen pro Sekunde abgewickel­t werden als es etwa der Kreditkart­en-Konzern Visa kann.

Und weil es beim Bitcoin niemanden gibt, der das Sagen hat, gebe es keine Möglichkei­t, Änderungen zu implementi­eren, sagt er. "Seine Steuerungs­Struktur ist darauf ausgelegt, das nichts verändert wird. Ich denke, man kann es an diesem Punkt als Blase bezeichnen", folgert Quinn. Bis vor kurzem hat sich der Finanz-Experte dagegen gewehrt, von einer Blase zu sprechen, weil noch immer relativ wenige mit Bitcoins handeln. "Aber mittlerwei­le gibt es eine Menge Interesse von Wiederverk­äufern", sagt er. "Für mich sieht das einfach wie eine Blase aus."

Adaption aus dem Englischen von Thomas Kohlmann.

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Hier werden die Bitcoin geschürft: Riesige Server-Farmen, hier in Moskau

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