Deutsche Welle (German edition)
Wann kommt ein Impfstoff gegen die mutierten Viren?
Neue Impfstoffe gegen Mutationen kommen. Aber vorerst geht es darum, möglichst viele Menschen mit dem zu impfen, was wir schon haben.
Die ständig wachsende Zahl von Coronavirus- Mutationen stellt Forscher, Impfstoffhersteller und Zulassungsbehörden vor große Herausforderungen. Darüber waren sich drei führende deutsche Virologen einig, die das Science Media Center am Dienstag (23. Februar 2021) zu einer virtuellen Pressekonferenz geladen hatte.
Trotzdem sollten wir unsere Zuversicht bewahren, so der gemeinsame Tenor: "Wir haben binnen eines Jahres drei zugelassene Impfstoffe", betonte Marylyn Addo, Virologie-Professorin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. "Das ist großartig, aber bei den jetzt negativ geführten Debatten geht verloren, dass wir jeden Tag Erfolge zu feiern haben."
Denn auch wenn die Viren immer weiter mutieren, steht die Medizin nicht wehrlos da: "Wir haben mit den ImpfstoffPlattformen gute Tools, um auf die Veränderungen reagieren zu können," erläuterte die Medizinerin. aber erst einmal mit dem bereits zugelassenen Impfstoff: "Wir als Forscher synthetisieren ständig die neuen Varianten und führen Virus-Neutralisationstests durch. Wir versuchen zu erkennen, ob die Antikörper die Viren erkennen und neutralisieren können."
Und das durchaus mit Erfolg: "Bei der britischen Virus-Variante ist das Problem nicht, dass die Variante durch die bestehenden Impfstoffe schlechter neutralisiert wird", betont Sahin, "sondern dass sie infektiöser ist." Dagegen helfe keine neue Vakzine, sondern "eine Fortsetzung von spezifischen Lockdown-Maßnahmen, bis mehr Menschen geimpft werden können."
Ähnlich sei es bei der brasilianischen Variante, gegen die der bestehende Impfschutz ebenfalls helfe. Grundsätzlich beobachten die Forscher bei der Immunabwehr gegen verschiedenen Viren eine starke Kreuzimmunität.
Lediglich bei der südafrikanischen Variante bieten einige Impfstoffe keinen so guten Schutz, betont Sahin. "Dazu haben wir noch keine RealWorld-Daten und können dazu nicht Stellung beziehen." Aber pessimistisch ist der ImpfstoffEntwickler keineswegs. Zwar sei die Immunantwort im Labor um den Faktor 3 schwächer ausgefallen, dennoch helfe etwa die mRNA-Impfung seiner Firma: "Wir glauben, dass durch die T-Zellen-Antwort der Impfschutz auch hier ausreichend sein würde."
Derzeit gehe es vor allem darum, so viele Menschen mit den jetzt zugelassenen Impfstoffen zu versorgen wie möglich. Auf jeden Fall gebe es "noch keinen Prozess, um einen neuen Impfstoff in den Verkehr zu bringen." Dafür brauche es klinische Studien.
Das heißt aber nicht, dass es nicht schon bald soweit sein könnte. Neue, auf Mutationen angepasste Impfstoffe kommen früher oder später. Die Entwicklung eines neuen Impfstoffes auf einer bewährten Plattform dauert etwa sechs Wochen, und die Zulassung könnte nach zwei weiteren Monaten erfolgen, schätzt Marylyn Addo.
Das würde voraussetzen, dass die Firmen sich mit den Zulassungsbehörden, ähnlich wie jetzt schon bei Grippeimpfstoffen, auf ein beschleunigtes Verfahren einigen.
Die deutsche Zulassungsbehörde ist das Paul-Ehrlich Institut (PEI), welches eng mit der Europäischen Arzneimittelagentur EMA zusammenarbeitet, die in der EU die Zulassung verantwortet. PEI-Präsident Klaus Cichutek teilt Sahins Ansicht, dass es derzeit vor allem darum gehe, die bereits bewährten Impfstoffe zu nutzen: "Impfen mit den bisherigen Impfstoffen ist immer noch besser, als gar nicht zu impfen", sagt Cichutek.
Nichtsdestotrotz gebe es bereits "Gespräche und Vorschläge der Europäischen Kommission zu Angleichung der Zulassung". Im Kern geht es darum, bei geringfügigen Anpassungen von Impfstoffen auf bestimmte Mutationen das Zulassungsverfahren zu vereinfachen.
Die Voraussetzung dafür: "Die Herstellung muss im Wesentlichen genauso ablaufen, wie bei dem parentalen (dem bereits zugelassenen) Impfstoff. Und es muss in einer klinischen Studie gezeigt werden, dass der Impfstoff sicher und wirksam ist." Allerdings müsse die Studie nicht unbedingt so umfangreich sein, wie sie es bei dem parentalen Impfstoff war. Sie könne sich etwa zunächst auf die Wirksamkeit des Neutralisationstiters konzentrieren.
Die Vorbereitungen für die Gesetzgebung seien schon im Gange, sagt Cichutek: "Es werden die regulatorischen Weichen gestellt, zeitnah eine Beschleunigung zu ermöglichen".
Auch BionTech-Chef Sahin hält das Vorgehen der Zulassungsbehörden für angemessen: "Es gibt das auch bei Influenza-Impfstoffen, wo man als Hersteller zeigt, dass man den Prozess im Griff hat." Dann könne man einen anderen Impfstoff auf der gleichen Plattform herstellen. Allerdings müsse noch genau definiert werden: "Was heißt vergleichbar? Wie viel Abweichung ist erlaubt?" Wissenschaftlich könne man da ein breites Spektrum definieren.
Sahin erinnert daran, dass die Hersteller derzeit bereits all ihre Kapazitäten nutzen, um so viel Impfstoff wie möglich auf den Markt zu bringen. Und so lange dieser auch funktioniere, sei das allemal besser, als die Produktion verfrüht umzustellen. "Wir wollen ja nicht einen Impfstoff machen, der zwar gegen die neuen Varianten wirkt, aber nicht mehr gegen den ursprünglichen Wildtyp", gibt Sahin zu bedenken.
Auch Ärztin Addo sieht keine Eile: "Wir müssen ja nicht morgen den neuen Impfstoff haben, sondern wichtig ist: Wir haben gute Tools, um mit der Entwicklung Schritt zu halten" Viel wichtiger sei es jetzt, für Impfstoff-Gerechtigkeit zu sorgen: "Wir müssen dafür sorgen, dass Impfstoffe auch außerhalb der Industrienationen verteilt werden, weil sonst die Infektion wieder eingetragen wird."
Eine weitere Möglichkeit, die Immunantwort gegen neue Virus-Varianten zu stärken, könnte sein, einen anderen Impfstoff für die zweite Dosis, also den Boost, zu nutzen. Zwar gebe es dazu noch keine formale Empfehlung der Ständigen Impfkommission in Deutschland, aber das PEI habe unter Kollegen bereits Beratungen dazu durchgeführt, sagt Präsident Cichutek
Marylyn Addo pflichtet ihm bei. Man könne auch darüber nachdenken, mRNA mit Vektorimpfstoffen zu kombinieren. "Da werden wir noch sehr spannende Ergebnisse sehen und uns auf eine wissenschaftliche Reise begeben", betont die Medizinerin. Derzeit liefen dazu zwar noch Studien, aber "man würde aufgrund der Immunantwort erstmal keine ungewöhnlichen Nebenwirkungen erwarten."
Auch spreche bei Vektorimpfstoffen nichts dagegen, verschiedene Transportviren für die erste und zweite Impfung zu verwenden. Das könne gegen eine mögliche Vektorimmunität helfen - also gegen die Gefahr, dass der Körper die Impfung abstößt.
So nutze etwa der russische Impfstoff Sputnik V schon jetzt zwei unterschiedliche Vektoren. Auch bei einem Ebola-Impfstoff habe man damit gute Erfahrungen gemacht, betont Addo.
Einig sind sich Addo und Cichutek, indes in einem Punkt: Die empfohlenen Zeitabstände zwischen der ersten und der zweiten Impfung sollten eingehalten werden. Und auch die Idee, lieber viele Menschen nur einmal zu impfen, statt weniger zweimal, halten beide für keine gute Idee.
Nach nur einer Impfung haben die Geimpften nämlich einen nicht einmal fünfzigprozentigen Schutz, nach der zweiten hingegen einen fast vollständigen. "Wir haben jetzt gute Evidenz und davon jetzt abzuweichen, finde ich schwierig", sagt Addo.
Dem PEI-Präsident Cichutek ist in der ganzen ImpfstoffDebatte noch wichtig, auf die jüngsten israelischen Studien zu verweisen: "Es bewahrheitet sich, was wir in den früheren klinischen Studien bezüglich Sicherheit und Wirksamkeit gesehen haben: Die Impfstoffe machen einen sehr guten Eindruck. Die jetzigen zugelassenen Impfstoffe sind sicher und die Risiken sind sehr sehr gering."
hatten sich zwei Drittel der Länder, die Treibhausgase ausstoßen verpflichtet, ihre Emissionen langfristig zu senken. 2020 trat das bahnbrechende Pariser Abkommen in Kraft, es wurde 2015 von 195 Ländern unterzeichnet. Darin verpflichten sie sich, den weltweiten Temperaturanstieg auf maximal 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Als Teil des Abkommens ist jedes Land dazu aufgerufen, alle fünf Jahre national festgelegte Beiträge, die Nationally Determined Contributions (NDCs) vorzulegen - kurzfristige Klimamaßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen.
Weil die Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2020 (COP26) wegen der CoronaPandemie auf November 2021 verschoben wurde, haben die Länder etwas mehr Zeit, um ihre aktualisierten NDCs einzureichen - darunter auch die USA, die jetzt wieder an Bord sind.
"Für die NDCs braucht jedes Land jetzt kurzfristige Ambitionen, die im Einklang mit langfristigen Zielen stehen", so der Klimawissenschaftler und Mitgründer des deutschen NewClimate Institute, Niklas Höhne, gegenüber der DW.
Auch für Rachel Cleetus, politische Direktorin des Klimaund Energieprogramms der USamerikanischen Union ofConcernedScientists, sind kurzfristige Verpflichtungen der Schlüssel.
"Bis zur COP26 müssen die großen Emittenten wie die USA und die EU neue ehrgeizige Ziele vorlegen", so Cleetus. "Die Biden-Administration sollte sich mit der EU zusammentun, um eine ehrgeizige Koalition der Willigen zu bilden."
Alle Augen richten sich auf Bidens nächste Schritte
Die Welt ist gespannt, welche Vorgaben Biden für das nächste
Jahrzehnt setzen wird, um seine langfristigen Klimaziele zu erreichen. Seine Regierung hatte bereits signalisiert, den US-Energiesektor bis 2035 klimaneutral machen zu wollen. Die EU will ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken . Die Staatengemeinschaft hatte bereits im Dezember 2020 aktualisierte Klimabeiträge vorgelegt.
Cleetus und Gore sind sich einig, dass die Verkehrspolitik sowohl in der EU wie auch in den USA ein zentraler Bereich zum Erreichen der Klimaziele ist.
"Der Verkehr ist die am stärksten wachsende Emissionsquelle in den USA und der EU", betont Gore. "Wir können in diesem Jahr einige große Ankündigungen erwarten, wie sowohl Biden als auch die EU die CO2-Emissionen von Fahrzeugen gesetzlich regeln wollen."
Cleetus ergänzt: "Wir brauchen Regierungen, die den privaten Sektor ermutigen und Anreize schaffen, sich zu engagieren. Der Autohersteller General Motors hat bereits eine ehrgeizige Ankündigung gemacht, [die meisten] seiner Fahrzeuge bis 2035 elektrisch zu betreiben."
Ein weiteres wichtiges Versprechen Bidens ist der Fokus auf den Strukturwandel in Gemeinden, die bisher von fossilen Brennstoffen leben. Biden hat dazu eine landesweite Arbeitsgruppe für die wirtschaftliche Wiederbelebung von Gemeinden ins Leben gerufen, die besonders vom Kohle- und Energiesektor abhängen, erklärt Cleetus. Der Schritt fand auch internationale Aufmerksamkeit.
"Wir müssen sicherstellen, dass wir in einen fairen Wandel dieser Gemeinschaften investieren, und das ist genauso in Ländern wie Deutschland oder China ein Thema", so Cleetus weiter.
Beiträge müssen "fair" sein Während die USA und die EUfür einen großen Teil der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, werden grüne Maßnahmen alleinim eigenen Land für eine globale Lösung der Krise nicht ausreichen.
Deshalb wird im Pariser Abkommen eine Politik des fairen Anteils skizziert. Große Emittenten wie die USA und die EU müssen sich auch international stärker beteiligen zugunsten vonLändern des globalen Südens, so Harjeet Singh, Leiter des Bereichs Klimawandel bei der NGO Action Aid zur Bekämpfung von Armut zur DW.
"Wenn ein Land historisch gesehen einen größeren ökologischen Fußabdruck hat, dann muss es mehr tun, um den Entwicklungsländern zu helfen," so Singh. "Das derzeitige [Emissions-] Ziel der USA liegt bei etwa einem Fünftel ihres fairen Anteils".
Singh nenntIndien als Beispiel. Die Wirtschaft des Landes wurde durch die Corona-Pandemie und den Zyklon Amphan im vergangenen Jahr schwer getroffen. Wenn die Ziele für eine grüne Infrastruktur erreicht werden sollen, brauche Indien Unterstützung bei der Klimafinanzierung.
"Es gibt zwei Dinge, die in den NDC's stehen müssen: ein nationaler und ein internationaler Beitrag", erklärt Klimaforscher Höhne. "Ich glaube, dass einige Industrieländer noch nicht ganz verstanden haben, dass NDCs nur dann fair sein können, wenn sie internationale Beiträge beinhaltet."
Cleetus glaubt, dass sich Bidens Regierung dieser Verantwortung und der Bedeutung von Klimagerechtigkeit in diesem Kontext bewusst ist.
"Bidens Sondergesandter für den Klimawandel, John Kerry, hat bereits über den moralischen Imperativ der Klimakrise gesprochen. Das zeigt, dass die BidenRegierung bereit ist, ihren fairen Anteil zu leisten", sagt sie.
Was macht China?
Abgesehen von der komplexen Frage der Klimafinanzierung können die großen Emittenten auch im globalen Maßstab mit gutem Beispiel vorangehen.
"Viele Länder halten sich im Moment bedeckt und warten ab, was die USA mit ihrem NDCs machen, vor allem China", so Gore.
China überraschte die Welt Ende 2020 mit der Ankündigung, bis zum Jahr 2060 klimaneutral wirtschaften zu wollen. Japan und Südkorea folgten schnell mit Ankündigungen ihre Emissionen ebenfalls langfristig zu senken.
"Die große Frage im Zusammenhang mit China ist, wann sie den Zenit ihrer Emissionen erreichen werden", fügt Gore hinzu. "Es macht einen großen Unterschied, ob das eher2025oder 2030 sein wird. "
Auch Singh sieht Biden in einer Schlüsselposition. "Bidens
Administration wird andere Länder dazu bringen, Maßnahmen zu ergreifen. Sie können sich nicht mehr hinter den USA verstecken", sagt er.
Höhne nennt Brasilien als Beispiel. Das Land habe unter Präsident Jair Bolsonaro einen "Rückschritt" gemacht, indem es Klimaziele vorgelegt habe, die weniger ambitioniert waren als die bisherigen. Wie der ehemalige US-Präsident Trump hat auch Bolsonarodie Existenz des Klimawandels abgestritten. Weil Trump nun nicht mehr im Weißen Haus sitze, könnten nun sogar Klimaleugner wie Bolsonaro gezwungen sein zu handeln, so Höhne.
"Wenn die USA und China ihre NDCs vorlegen, werden auch alle anderen Länder etwas Ehrgeiziges vorlegen müssen."
Die Macht der Menschen Regierungschefs wie Bolsonaro könnten auch im eigenen Land unter Druck geraten. "Es ist für eine demokratische Regierung nicht mehr möglich, ihren Wählern zu sagen, dass sie nichts gegen den Klimawandel unternehmen werden", sagte Höhne.
Eine Umfrage des Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen ( UNDP) vom Januar 2021 zeigt, dass 64 Prozent der Menschen weltweit den Klimawandel als globalen Notstand sehen. Bei Jugendlichen unter 18 Jahren sind es noch mehr.
"Die Zeit des Klima-Leugnens ist längst vorbei", so Harjeet Singh. "Die Länder können sich nicht länger herausreden."