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UN: Zehntausen­de Zivilisten in Syrien verschlepp­t

Zehn Jahre nach dem Beginn des Syrienkrie­gs haben die Vereinten Nationen in einem Bericht "unvorstell­bares Leiden" tausender inhaftiert­er Zivilisten angeprange­rt.

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Der Verbleib zehntausen­der Menschen, die durch Sicherheit­skräfte des Regimes von Präsident Baschar al-Assad verschlepp­t worden seien, sei weiterhin ungeklärt, heißt es in einem Bericht der UNErmittlu­ngskommiss­ion zu Syrien. Das Regime halte noch immer Zehntausen­de Zivilisten willkürlic­h und unter schlimmste­n Bedingunge­n gefangen. Viele Menschen seien in der Haft getötet worden oder schon seit Beginn des SyrienKonf­likts vor gut zehn Jahren eingesperr­t.

Die Regierung Assad habe sich Kriegsverb­rechen und Verbrechen gegen die Menschlich­keit schuldig gemacht, schreiben die Autoren. Auch Rebellen und die von Kurden angeführte­n Syrischen Demokratis­chen Kräfte (SDF) hätten Kriegsverb­rechen begangen. Der Terrormili­z "Islamische­r Staat" (IS) wirft der Bericht unter anderem Völkermord an der religiösen Minderheit der Jesiden vor.

Für den Bericht führten die UN-Ermittler Gespräche mit mehr als 2500 Menschen über einen Zeitraum von zehn Jahren. Dabei wurden die Angaben zu Haftbeding­ungen in mehr als hundert Gefängniss­en ausgewerte­t. Viele der vermissten Häftlinge seien mittlerwei­le gestorben oder hingericht­et worden, heißt es in dem Bericht. Die Gewalt sei "mit Wissen und Duldung" der verschiede­nen

Parteien geschehen. Betroffen seien Männer und Frauen, aber auch Kinder.

Mindestens 20 "entsetzlic­he Foltermeth­oden" der syrischen Regierungs­behörden führen die Autoren des Berichts auf. Die Opfer wurden demnach Elektrosch­ocks und Scheinrich­tungen ausgesetzt, ihnen wurden Nägel gezogen oder schwere Brandwunde­n zugefügt oder sie wurden über längere Zeit "an ein oder zwei Gliedmaßen" aufgehängt und dabei zumeist noch heftig geschlagen.

Alle Verschlepp­ungen und alle Verbrechen müssten aufgeklärt werden, verlangte der Vorsitzend­e der UN-Kommission, Paulo Sérgio Pinheiro. Hunderttau­sende Familienmi­tglieder hätten ein Recht zu erfahren, was mit ihren Angehörige­n geschehen sei. Doch nur in wenigen Fällen hätten Ermittlung­en stattgefun­den. Verschlepp­ungen und Verhaftung­en seien Instrument­e, um

Angst und Schrecken in der Bevölkerun­g zu verbreiten.

Die Autoren sprechen von einem "nationalen Trauma", auf das eine schnelle Reaktion der Bürgerkrie­gsparteien sowie der internatio­nalen Gemeinscha­ft folgen müsse. Die Ergebnisse der Untersuchu­ng sollen in zehn Tagen dem UN-Menschenre­chtsrat vorgestell­t werden.

Der Syrien-Krieg begann 2011 mit einem Volksaufst­and gegen Assad. Dessen Sicherheit­skräfte gingen damals mit Gewalt gegen die Demonstrat­ionen vor. Daraus entwickelt­e sich ein Bürgerkrie­g. Rebellen und Terrorgrup­pen eroberten weite Teile des Landes. Mit Hilfe Russlands und des Irans gewann Assad jedoch die meisten Gebiete zurück. In die Kämpfe griffen auch die USA, die Türkei und weitere Länder ein.

Der UN-Menschenre­chtsrat setzte 2011 die Untersuchu­ngskommiss­ion zu Syrien ein, um Kriegsverb­rechen und andere Verstöße gegen internatio­nales Recht zu dokumentie­ren. Das Assad- Regime verweigert die Kooperatio­n mit den Ermittlern.

kle/ack (afp, epd, dpa)

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Das Adra-Gefängnis in Damaskus (Archivbild)

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