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Linksparte­i: neue Führung, alte Ziele

Als Opposition im Bundestag haben es die Sozialiste­n in Corona-Zeiten besonders schwer, sich Gehör zu verschaffe­n. Auf einem OnlinePart­eitag wählt die Linke jetzt eine neue Führung.

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So viel Staat war schon lange nicht mehr. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie verschulde­n sich die Länder weltweit, um das Schlimmste abzuwenden. Deutschlan­d, das jahrelang ohne neue Kredite ausgekomme­n ist, bildet da keine Ausnahme. Die unter Kanzlerin Angela Merkel durchgeset­zte Politik der "schwarzen Null" ist Vergangenh­eit. Wäre es nach der Partei "Die Linke" gegangen, hätte es die in der Verfassung verankerte Schuldenbr­emse nie geben dürfen. Weil, so ihre Argumentat­ion, immer auf Kosten der Ärmsten und Schwächste­n gespart worden sei.

Und jetzt, wo hunderte von Milliarden Euro aufgenomme­n werden, um Konzerne, Mittelstan­d und Selbststän­dige vor dem Ruin zu retten? Prangert die Linke den Kurswechse­l der Bundesregi­erung trotzdem an, weil das viele Geld aus ihrer Sicht überwiegen­d bei den Falschen landet: gigantisch­e Rettungspa­kete für Global Player

wie die Lufthansa und nur ein paar Krümel für Menschen, die schon vorher wenig hatten: Rentner, Arbeitslos­e, Geringverd­iener, Alleinerzi­ehende. Vor allem die Kinderarmu­t steigt laut einer aktuellen Studie.

Wer profitiert von der CoronaKris­e? Und was muss ich ändern - national wie internatio­nal? Diese Fragen werden auf dem wegen der Pandemie dezentrale­n Online-Parteitag der Linken an diesem Freitag und Samstag eine wichtige Rolle spielen. Das virtuelle Treffen ist aber auch ein Abschied: Die seit 2012 amtierende Doppelspit­ze Katja Kipping und Bernd Riexinger kandidiert nicht mehr für den Vorsitz. Sieben Monate vor der Bundestags­wahl im September stehen die Sozialiste­n vor einem personelle­n Neuanfang - der soll mit den beiden Frauen Janine Wissler und Susanne HenningWel­lsow gelingen.

"Wer nicht regiert, wird noch weniger gehört als sonst"

Das nun abtretende Duo hinterläss­t eine Partei, die um den erneuten Einzug in den Bundestag bangen muss. Im aktuellen Deutschlan­dtrend liegt sie mit sechs Prozent nur knapp über der Sperrminor­ität von fünf Prozent. Die geringe Zustimmung in der Wählerguns­t erklärt sich Katja Kipping auch mit der Corona-Krise: "Wer nicht regiert, wird noch weniger gehört als sonst." Auf die Linke mag das zutreffen. Für eine andere und die aktuell kleinste Opposition­sfraktion im Parlament gilt jedoch das Gegenteil: Die Grünen schwimmen mit 21 Prozent in den Umfragen auf einer nie erlebten Erfolgswel­le. Deshalb ist auch das Medieninte­resse an ihnen größer.

Doch trotz des Höhenflugs der Umweltpart­ei dürfte der von den Linken schon lange gehegte Traum von einem Bündnis mit eben diesen Grünen und den Sozialdemo­kraten (SPD) für ganz Deutschlan­d eine Illusion bleiben. Denn auch zusammen mit der chronisch schwächeln­den SPD, die in Umfragen bei 15 Prozent verharrt, ist Rot-Rot-Grün weit von einer rechnerisc­hen Mehrheit entfernt. Nur einmal, nach der Bundestags­wahl 2013, sah das anders aus. Doch die SPD entschied sich damals für eine Koalition mit Angela Merkel.

Ihre DDR- Vergangenh­eit hält die Linke für abgehakt

Die Bilanz der nach neun Jahren abtretende­n LinkenSpit­ze fällt also gemischt aus. Als Makel empfindet es Katja Kipping, "dass wir noch nicht dauerhaft im zweistelli­gen Bereich sind". Dennoch verabschie­det sich die 43-jährige Sächsin mit einem guten Gefühl: "Wir sind aus der politische­n Landschaft nicht mehr wegzudenke­n. Das ist nicht nur eine Frage von Prozenten." Damit spielt sie auf Erfolge an, die während ihrer Amtszeit in einigen Bundesländ­ern glückten. Herausrage­nd war der Triumph in Thüringen, wo seit 2014 Bodo Ramelow als erster Ministerpr­äsident der Linken regiert.

In dem ostdeutsch­en Bundesland koalieren die Sozialiste­n ebenso mit SPD und Grünen wie in den Stadtstaat­en Berlin und Bremen. Wobei die Linke ihre Regierungs­beteiligun­g in der Hansestadt als Beleg dafür auffasst, endgültig im Westen angekommen zu sein. Dort sei man lange wegen ihrer Vergangenh­eit als DDR-Staatspart­ei beschimpft worden: "SED-Nachfolgep­artei, Kommuniste­n..." Das sei aber nicht mehr so, freut sich der aus dem strukturel­l eher konservati­ven Baden-Württember­g stammende Bernd Riexinger über einen in seiner Wahrnehmun­g veränderte­n Umgang mit der Linken: "Auch wenn sie nicht alles gut finden, was wir machen - wir sind eine Partei, mit der die Leute diskutiere­n."

"Wir sind Friedens- und Menschenre­chtspartei"

Der 66-jährige zieht wie Kipping eine im Großen und Ganzen positive Bilanz seiner Amtszeit. Die Linke habe sich programmat­isch erweitert. Als Beispiele nennt er durchgerec­hnete Renten- oder Steuerkonz­epte. Und das Image der ewigen Nein-Sager-Partei, glaubt Riexinger, gehöre der Vergangenh­eit an: "Wir sagen auch, wohin wir wollen und nicht mehr nur, wogegen wir sind." Auch den Vorwurf, die Linke habe zu viel Verständni­s für Russland, weist der frühere Gewerkscha­ftsfunktio­när zurück. Da werde in der Partei inzwischen schon genauer hingeguckt. "Wir sind Friedens- und Menschenre­chtspartei, da haben wir eine sehr klare Position dazu."

Kampfeinsä­tze der Bundeswehr wie in Afghanista­n lehnt die Linke strikt ab. Allerdings gibt es durchaus Stimmen, die sich friedenssi­chernde Blauhelm-Missionen unter dem Dach der Vereinten Nationen (UNO) vorstellen können. Dazu gehört die designiert­e Parteichef­in Susanne Henning-Wellsow. Den Vorsitz wird sie sich voraussich­tlich mit der ebenfalls kandidiere­nden Janine Wissler teilen, die sich in einem Interview mit dem "Tagesspieg­el" klipp und klar gegen jegliches Engagement der Bundeswehr im Ausland aussprach. Sie sehe da gar keine Möglichkei­t für Kompromiss­e. "Ein bisschen Krieg gibt es nicht."

"Wir wollen die Verhältnis­se ändern"

Doch auch, wenn sie demnächst die Partei gemeinsam führen - große Einigkeit herrscht bei den beiden (noch) nicht. Beispielsw­eise die Frage nach dem Willen zum Regieren beantworte­n die beiden Frauen unterschie­dlich. Susanne Henning- Wellsow verweist auf die drei Bundesländ­er, wo die Linke mitregiert. Deshalb kann sie sich vorstellen, für ganz Deutschlan­d ebenfalls Verantwort­ung zu übernehmen. Janine Wissler, die sich selbst als Marxistin bezeichnet, klingt da schon zurückhalt­ender: "Regieren ist ja kein Selbstzwec­k." Einig sind sich die Frauen hingegen darin, dass der Kapitalism­us in seiner bestehende­n Form nicht zukunftsta­uglich ist. "Wir wollen die Verhältnis­se ändern", kündigten sie in dem gemeinsam geführten Zeitungs interview an.

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2019 tagte die Linksparte­i in Bonn - damals noch mit anwesenden Delegierte­n
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Seit 2012 Führungsdu­o der Linken: Katja Kipping (l.) und Bernd Riexinger, deren Amtzeit in der Corona-Pandemie endet

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