Deutsche Welle (German edition)

Corona: Übernachte­n im Hotel oder Ferienhaus? Vielleicht im Mai

Schulen, Handel, Restaurant­s - was darf wann wieder öffnen? Hotels stehen ganz am Ende der Liste. Was macht das mit Menschen, die von Gästen leben? Eine Reportage von Sabine Kinkartz.

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Jan Lehmann ist ein Mann, der auf den ersten Blick viel Kraft und Lebensfreu­de ausstrahlt. Der 54-Jährige ist in der Eifel zuhause, einem Mittelgebi­rge im Westen Deutschlan­ds. Hier gibt die Natur noch den Ton vor: Berge, Täler, kleine Flüsse und Seen, bizarre Felsen und sehr viel Wald. Vor zwei Jahren hat sich Lehmann selbständi­g gemacht und vermietet zusammen mit seiner Frau Sandra 18 Ferienhäus­er, die sie mit dem dazu gehörenden Land und dem Wald gepachtet haben. 15 Jahre läuft der Vertrag mit dem Besitzer, der auch im Lockdown auf der vollständi­gen Zahlung der Pacht besteht.

Ein paar der aus dicken Baumstämme­n im kanadische­n Stil gezimmerte­n Häuser stehen im kleinen Ort Gemünd am Rand des Nationalpa­rks Eifel. Vor den überdachte­n Terrassen plätschert das Flüsschen Urft und die Vögel zwitschern. Gäste haben hier seit Anfang November nicht mehr eingecheck­t. "Mit dem Lockdown im Frühjahr 2020 sind wir inzwischen sechs Monate geschlosse­n und haben keine Einnahmen", sagt Jan Lehmann bedrückt, während er in die hohen Bäume blickt. macht." Manchmal fragt sich Lehmann morgens, warum er noch aufstehen soll.

Es ist vor allem die fehlende Planbarkei­t, die das Ehepaar mürbe macht. Seit Ende Oktober 2020 wurden von der Politik immer wieder Termine genannt, an denen der Lockdown zu Ende sein sollte. Stattdesse­n wurde er jedes Mal verlängert. "Die Politik fährt auf Sicht", so Lehmann. "Für uns bedeutet das aber, dass wir immer wieder Buchungen annehmen und anschließe­nd stornieren und das Geld erstatten müssen."

In den Weihnachts­ferien und über den Jahreswech­sel wären die Ferienhäus­er ausgebucht gewesen. Anschließe­nd lockte viel Schnee und seit Mitte Februar außergewöh­nlich warmes Wetter mit viel Sonne die Menschen in die Eifel. "Gäste rufen an und fragen uns, ob wir nicht eine Ausnahme machen können, damit man mal ein paar Tage hier wohnen und sich erholen kann, aber wir dürfen es nicht."

Mit jeder Woche Lockdown bangen Jan Lehmann und seine Frau mehr um ihre Existenz. Die im gut gelaufenen Sommer 2020 gebildeten Rücklagen sind aufgebrauc­ht und die zugesagten staatliche­n Hilfen lassen auf sich warten. "Das Geld kommt mit drei Monaten Verspätung und wer glaubt, dass die Hilfen reichen würden, dem muss ich sagen, das stimmt nicht." Die Kosten seien nur zu 90 Prozent gedeckt und ein Unternehme­rlohn nicht vorgesehen.

Im vergangene­n Frühjahr hat Lehmann erfolglos versucht, vor Gericht die Öffnung seines Unternehme­ns einzuklage­n. Das will er jetzt noch einmal versuchen. Ende März beginnen die Osterferie­n, alle Häuser sind ausgebucht. "Wenn Ostern immer noch ein Beherbergu­ngsverbot ausgesproc­hen wird, wird das für uns einen extremen Schaden haben", sagt Jan Lehmann. Auf die Frage, was er machen wird, wenn es so kommen sollte, zuckt er mit den Schultern und lacht kurz bitter auf. Darüber will er nicht nachdenken.

Da ist die Hotelbesit­zerin Manuela Baier schon einen Schritt weiter. "Ostern werden wir immer noch geschlosse­n sein", ist sie überzeugt. Seit sechs Jahren betreibt Baier mit ihrem Mann das Tagungsund Wellnessho­tel Kallbach im Eifel-Dorf Simonskall, eine gute halbe Stunde Autofahrt von Gemünd entfernt. "Ich kann rechnen", sagt Baier, die im Vorstand eines großen Modeuntern­ehmens war, bevor sie sich mit dem Hotel selbständi­g machte. "Wenn die Schulen aufmachen und dann zwei Wochen abgewartet wird, wie sich die Neuinfekti­onen entwickeln und dann vielleicht der Handel wieder öffnen darf und wieder abgewartet wird, dann ist doch schon fast Ostern."

Die 54-Jährige erzählt von einem Abend Anfang Februar, als sie ein TV-Interview der Bundeskanz­lerin gesehen hat. Angela Merkel redete über Öffnungspe­rspektiven, sprach von Schulen, Universitä­ten, von privaten Kontakten, Kinos, Theater und Sportverei­nen. Beherbergu­ngsbetrieb­e nannte sie ganz zum Schluss: " …. und eines Tages auch die Hotels", sagte die Kanzlerin.

"Da habe ich den Fernseher ausgeschal­tet und seitdem träume ich nachts von dem Satz", sagt Manuela Baier, die derzeit darauf setzt, dass sie im Mai wieder öffnen darf. Finanziell wird das ein Kraftakt. Ihre 21 Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit, aber das Hotel kostet auch im Stillstand Geld: Heizung, Strom, Versicheru­ngen. "Wenn ich das Haus monatelang verkommen lasse, verschimme­lt mir alles." Allein zweimal pro Woche müssen in den 52 Zimmern alle Wasserleit­ungen gespült werden, um einen Befall mit Legionelle­n zu verhindern, gefährlich­en Bakterien, die sich im Wasser ansiedeln.

Auch Baier reichen die staatliche­n Hilfen nicht, um über die Runden zu kommen. Das Hotel hat kaum Rücklagen, weil die Gewinne immer wieder investiert wurden. Sei es in die Renovierun­g der Zimmer oder den Ausbau des Wellness-Bereichs. "Ich habe seit Oktober kein Gehalt, zahle aber allein 700 Euro monatlich für meine Krankenkas­se", klagt die Unternehme­rin. Sie lebt von ihren privaten Rücklagen, die eigentlich für die Alterssich­erung gedacht waren. "Ich weiß jetzt schon, dass ich zehn Jahre länger als geplant arbeiten muss."

Gerade wird die "Orangerie" abgebaut, die Baier im Oktober auf der Restaurant-Terrasse eingericht­et hatte, um den Abstand zwischen den Gästen auch in den Wintermona­ten gewährleis­ten zu können. 35.000 Euro hat sie die Miete des temporären Anbaus gekostet, 8.000 Euro bekam der Elektriker, der 350 Meter Stromkabel für die Beleuchtun­g und die Heizstrahl­er verlegen musste. "Ich habe mit dem Abbau immer wieder gezögert, weil ich auf die von der Politik genannten Lockdown-Fristen vertraut hatte", sagt Baier.

Keine Planungssi­cherheit, keine Verlässlic­hkeit, zu viele Enttäuschu­ngen - das hat auch Manuela Baier zugesetzt und sie verändert, wie sie sagt. "Dieses ständige Vertrösten raubt einem die Kraft. Die Politik hat mich verloren." Sie habe alles getan, was von ihr verlangt worden sei: Alle Hygiene-Auflagen erfüllt, sich penibel an die Vorschrift­en gehalten. "Ich wüsste nicht, was wir noch besser machen könnten."

Das Landhotel liegt an einem Weg, der ins Wandergebi­et führt. Seit Wochen muss Baier zusehen, wie vor allem an den Wochenende­n hunderte Spaziergän­ger an ihrem Haus vorbeilauf­en. Viele von ihnen nutzen den leeren Hotelparkp­latz, um hier eine Pause zu machen und zu picknicken. "Wissen Sie, wie weh das tut, sich das anzugucken?", fragt Baier resigniert.

Bernd Goffart, der Bürgermeis­ter von Simmerath, einer der größeren Eifel-Gemeinden, kann die Hotelbesit­zerin gut verstehen. "Jedes Bett, das jetzt nicht belegt ist, ist verloren. Was sie jetzt nicht erwirtscha­ften, können sie nicht mehr aufholen." Gleiches gelte für die

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Jan Lehmann auf der Terrasse eines seiner Ferienhäus­er
 ??  ?? Die Ferienhäus­er von Jan Lehmann stehen leer
Die Ferienhäus­er von Jan Lehmann stehen leer
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