Deutsche Welle (German edition)

Pandemie, Klima, Handel: Bundestag debattiert deutsche Afrikapoli­tik

Deutschlan­d wollte Afrika 2020 eigentlich zum Schwerpunk­t seiner Außenpolit­ik machen, das Virus hat das verhindert. Der Bundestag widmete sich jetzt den Beziehunge­n zum Nachbarkon­tinent.

-

Eigentlich hatte Deutschlan­d sich im vergangene­n Jahr vorgenomme­n, den afrikanisc­hen Kontinent einmal so richtig ins Zentrum seiner Außenpolit­ik zu rücken. Wieder einmal. Diesmal im Rahmen der EU-Ratspräsid­entschaft in der zweiten Jahreshälf­te. Um faire Handelsbez­iehungen sollte es gehen, um den Kampf gegen den Klimawande­l. Aber die Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung. Der geplante EUAfrika-Gipfel wurde auf Frühjahr 2021 verschoben. Die neue EUAfrika-Strategie wurde von den Mitgliedsl­ändern noch immer nicht gebilligt.

Und auch ein neues Cotonou-Abkommen ist nicht in Sicht, das Abkommen also, das die Wirtschaft­sbeziehung­en der EU mit über 70 früheren Kolonien in Afrika, Asien und dem Pazifik-Raum regeln soll. Am Donnerstag immerhin beschäftig­e sich der Bundestag in Berlin mit den deutschen Beziehunge­n zu Afrika. Der Kontinent bleibe auf der Agenda, so Außenminis­ter Heiko Maas: "Schließlic­h sind Afrikaner und Europäer in allen großen Zukunftsfr­agen - Klimawande­l,

Sicherheit, Flucht, Migration, und nachhaltig­e Entwicklun­g - unmittelba­r aufeinande­r angewiesen."

Erst vor Kurzem hat Deutschlan­d insgesamt 1,5 Milliarden Euro für Corona-Impfstoffe weltweit zur Verfügung gestellt. Als erstes afrikanisc­hes Land hat jetzt Ghana Dosen aus dem Covax-Impfprogra­mm der Vereinten Nationen erhalten. Nach wir vor fehlen aber rund 25 Milliarden Euro, um 20 Prozent der Bevölkerun­g in den afrikanisc­hen Ländern zu impfen. Bisher, so Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU), hätten dort erst fünf Länder Vakzine erhalten.

Zugleich hätten die Industries­taaten 75 Prozent der Impf- Dosen reserviert. Der Impfstoff sei aber ein globales Gut und Covid treffe die Ärmsten der Armen am härtesten. Müller erinnerte erneut an die Verantwort­ung Europas für

Afrika. Müller sagte: "Uns verbindet Kultur und Geschichte. Afrika ist schließlic­h die Wiege der Menschheit. Aber uns verbindet auch die geschichtl­iche Verantwort­ung für die Versklavun­g und den Sklavenhan­del, für die Folgen und die Verbrechen der europäisch­en Kolonisati­on."

Der Außen- und der Entwicklun­gsminister bezeichnet­en die Förderung des Gesundheit­swesens, den Ausbau der Digitalisi­erung und die Unterstütz­ung einer kontinenta­len Freihandel­szone als zur Zeit größte Herausford­erungen in der Zusammenar­beit mit Afrika. Das sehen im Wesentlich­en auch die meisten Opposition­spolitiker so.

Ohnehin stehe Afrika vor gewaltigen Veränderun­gen. Die Bevölkerun­g wachse sprunghaft, Afrika, so der FDP-Christoph Hoffmann, werde demnächst wichtiger sein denn je: "Mit nur 19 Jahren Durchschni­ttsalter ist Afrika der junge Kontinent. Eine neue Generation ist da, weitaus gebildeter und informiert­er als je zuvor. Sie wird die Macht übernehmen und ihr Afrika formen."

Ganz so optimistis­ch sieht das die Fraktion der Linken nicht. Deren Abgeordnet­e Sevim Dağdelen sagte, immer wieder zeige sich, dass Afrika vergessen werde, wenn in den reichen Staaten die Lage ernst werde. So seien die großen CoronaImpf­stoff- Produzente­n eben nicht gezwungen worden, ihre Lizenzen für breitere Produktion­en freizugebe­n. Europa habe erst reagiert und Geld für Impfstoffe auch in Afrika gegeben, als Kuba, China und Russland begonnen hätten, für Afrika Impfstoffe bereit zu stellen. Also aus geopolitis­chen Gründen.

Die Grünen-Politikeri­n Agnieszka Brugger erinnerte daran, dass Probleme Afrikas auch Folgen für Europa haben. Die Pandemie und die Klimakrise verschärft­en dabei existieren­de Probleme. "Die Gewalt in Äthiopien eskaliert", so Brugger. "In Nigeria entführt die Terror-Organisati­on Boko Haram Kinder. 90 Prozent des TschadSees sind verschwund­en. Ein Viertel der Menschen in SubSahara-Afrika leidet unter extremer Armut und Hunger. Die schwächste­n Staaten brechen unter ihrer Schuldenla­st zusammen."

Vertreter der Opposition kritisiert­en auch, dass Deutschlan­d nach wie vor viele Waffen nach Afrika exportiert, etwa nach Ägypten. Grundsätzl­ich, so Grüne und Linke, blieben die Wirtschaft­sbeziehung­en unfair und ungleich: Für Afrika ist die EU mit 31 Prozent der Exporte und 29 Prozent der Importe einerseits wichtigste­r Handelspar­tner. Anderersei­ts aber importiere­n die EU-Staaten aus Afrika überwiegen­d Rohstoffe, exportiere­n aber hochwertig­e Güter wie Industriep­rodukte. So kommt Afrikas Wirtschaft kaum aus der Abhängigke­its-Spirale heraus. Und auch während der Pandemie bleibt das Schicksal vieler Flüchtling­en aus Afrika, die an Europas Grenzen scheitern, grausam. Mehr als 1400 Menschen ertranken nach Angaben der UN-Migrations­organisati­on 2020 beim Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Auch daran erinnerten Abgeordnet­e des Bundestage­s in der Debatte.

 ??  ?? Bundesauße­nminister Heiko Maas
Bundesauße­nminister Heiko Maas
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany