Deutsche Welle (German edition)

Corona-Frühling wird härter

Die Politik hat es nicht einfach. Einerseits gibt es laute Rufe nach Schritten aus dem Lockdown. Anderersei­ts steigt die Sorge vor einer dritten Welle. Wie soll die Bundesregi­erung das den Menschen vermitteln?

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Innerhalb nur weniger Tage kam in Deutschlan­d der erste Frühling übers Land. Die Menschen strömen seither ins Freie zu Sonne und warmen Temperatur­en. Die Polizei hat viel zu tun. Sie muss zahlreiche Corona-Verstöße wegen fehlender Masken oder Gruppen-Feiern ahnden.

Es ist nun schon der zweite Lockdown-Frühling, den Deutschlan­d erlebt. Doch während vor einem Jahr der Frühling als "himmlische Tröstung" für Verzicht und Rückzug im Lockdown wahrgenomm­en wurde, wie der Psychologe, Trendforsc­her und Politik-Berater Stephan Grünewald damals sagte - und so motivierte durchzuhal­ten, wirkt der Frühling 2021 "mit seiner vitalisier­enden Kraft" anders. raum, um endlich einmal zum Beispiel im Haushalt Liegengebl­iebenes abzuarbeit­en, sei die To-Do-Liste nun leer, so Grünewald. "Aus Freiraum wurde Hohlraum." Der Alltag fühle sich an wie in einer Endlos-Schleife. Was die Leute nun bräuchten, seien "begründete Perspektiv­en".

Doch die Politik musste zuletzt den Lockdown immer weiter verlängern. "Wir hatten den November-Lockdown, dann die Verlängeru­ng in den Dezember, in den Januar, Februar, jetzt in den März. Wir hangeln uns von Ast zu Ast, ohne klares Ziel," kritisiert­e der Intensivme­diziner Uwe Janssens in einem Interview mit dem Nachrichte­nsender ntv. Janssens ist auch Generalsek­retär der "Deutschen Gesellscha­ft für Internisti­sche Intensivme­dizin und Notfallmed­izin". Er sollte eigentlich zufriedene­r klingen. Schließlic­h erreichte das Gesundheit­ssystem bislang keine kritische Belastungs­marke.

Auch aktuelle Umfragen spiegeln Handlungsb­edarf. Mitteldeut­schland war in den vergangene­n Monaten Hotspot der Pandemie. Gerade hier müssten Vorsicht und Sorge eigentlich besonders groß sein. Doch eine aktuelle Umfrage des "Mitteldeut­schen Rundfunks" ergab eine labilere Stimmung: Zwei Drittel seien mittlerwei­le unzufriede­n mit der Corona-Politik. Vor allem Plan und Perspektiv­e fehlten, schreibt der MDR. Die Bereitscha­ft, sich an die CoronaRege­ln zu halten, sei gesunken.

Die politische Kommunikat­ion sei aus dem Ruder gelaufen, kritisiert Grünewald. Zum einen die Rufe nach schnellen ExitSchrit­ten aus dem Lockdown. Auf der anderen Seite Stimmen, die den Lockdown ausdehnen wollten, bis die Infektions­zahlen nahe Null liegen. "Extreme Positionen führen bei den Leuten zu Orientieru­ngslosigke­it." Zielmarken müssten erreichbar erscheinen. Ansonsten hinterließ­en sie das ungute Gefühl, nie wieder aus der Misere zu kommen.

Grünewald skizziert zudem eine Spaltung der Gesellscha­ft - und zwar in Folge der "forcierten

Die politische­n Akteure sind darauf angewiesen, dass das Volk mitmacht und die CoronaSchu­tzmaßnahme­n umsetzt. Oft genug nahm Bundeskanz­lerin Angela Merkel in ihren Reden darauf Bezug - mit Lob, Mahnung oder Bitte.

Viele befänden sich, sagt Grünewald, in einer Art "bürokratis­chen Duldungsst­arre". Um aber die Leute zu ermuntern, mitzumache­n, ihren eigenen Beitrag zu leisten, sollte ein Öffnungspl­an nicht nur Fragen nach dem Wann, sondern auch nach dem Wie beantworte­n.

"Klarheit und Einhelligk­eit" seien zudem wichtig, so Grünewald mit Blick auf das nächste Entscheide­r-Treffen am 3. März mit Merkel und den Spitzen der Bundesländ­er.

Doch die Diskussion­en im Vorfeld laufen ziemlich weit auseinande­r. Dieser Tage fällt es schwer, den Überblick zu behalten. Es gibt Bundesländ­er, die bereits einen Stufenplan erarbeitet haben, der sich an den Inzidenzwe­rt orientiert. Andere wollen mehr Kriterien einbeziehe­n, wie die Auslastung des Gesundheit­ssystems, R-Wert und Impffortsc­hritt. Es gibt inzwischen auch Überlegung­en für Mischforme­n und solche für Öffnungscl­uster.

Daneben gibt es noch ganz andere Meinungen wie den Vorstoß der Berliner Amtsärzte, also den Chefs der Gesundheit­sämter. Berlin solle die Maßnahmen stärker nach Alterskoho­rten differenzi­eren. Inzidenz-Werte bildeten nicht das wirkliche Infektions­geschehen ab, sondern seien von den Testkapazi­täten und dem Testwillen abhängig.

Deutschlan­d ist beim Impfen noch nicht so weit wie Großbritan­nien, wo inzwischen jeder Dritte geimpft ist. Die Gefahr wieder steigender Zahlen - einer dritten Welle - ist real. Auch im Kanzleramt ist die Sorge darüber groß.

Deshalb will die Bundesregi­erung ihren vorsichtig­en Kurs fortsetzen. Als "Ziel der Bundesregi­erung" nannte der Regierungs­sprecher: "Was wir aufmachen, das wollen wir auch durchhalte­n. Lockerunge­n, die man wieder zurücknehm­en muss und auf die Schließung­en folgen, könne niemand wollen." Nach schnellen Öffnungen klingt das nicht. Doch der Frühling hat ja auch gerade erst begonnen.

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