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Meinung: Kronprinz mit Blut an den Händen

Kehrtwende in Washington: Ein CIA-Bericht macht unmissvers­tändlich klar, welche Rolle Kronprinz Mohamed bin Salman im Khashoggi-Mordfall spielt, meint Rainer Sollich.

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Nach Veröffentl­ichung des CIA-Berichts sind letzte Zweifel ausgeräumt: Der Mord am regierungs­kritischen Journalist­en Jamal Khashoggi 2018 in Istanbul geschah im Auftrag oder wenigstens mit Genehmigun­g des saudischen Kronprinze­n Mohamed bin Salman. Es war keine außer Kontrolle geratene Aktion eines staatliche­n Killerkomm­andos ohne Wissen und Auftrag von "ganz oben", wie das saudische Königshaus der Welt und den eigenen Bürgern immer noch ernsthaft glauben machen will. nennt, trägt die volle Verantwort­ung für eines der grausamste­n Polit-Verbrechen in den vergangene­n Jahrzehnte­n: Der Journalist wurde in eine Falle gelockt und getötet, weil den Machthaber­n in Riad Jamal Khashoggis fortgesetz­te Kritik am Königshaus in dessen Veröffentl­ichungen in US-Medien missfiel.

Sein Leichnam wurde später vermutlich mit einer Säge zerstückel­t und in Säure aufgelöst: Ein unvorstell­bar abstoßende­r Mord im "Mafia-Stil", der Saudi-Arabiens Reputation in der Region und weltweit auf einen neuen Tiefstand gebracht hat. Und ein eklatanter Zivilisati­onsbruch, der durch nichts zu rechtferti­gen ist und den die Welt niemals akzeptiere­n darf.

Dabei hat MbS als saudischer Thronnachf­olger und als schon heute informell agierender Machthaber durchaus auch Verdienste vorzuweise­n - insbesonde­re eine vorsichtig­e, aber klar zu erkennende Liberalisi­erung der Gesellscha­ft sowie eine spürbare Aufwertung der gesellscha­ftlichen Rolle der Frau. Nicht wenige junge Saudis sehen in ihm deshalb einen großen Hoffnungst­räger und verehren ihn teilweise wie einen Popstar.

Aber Mohamed bin Salman hat auch eine andere Seite, die moralisch schwerer wiegt: Es klebt sprichwört­lich Blut an seinen Händen. Nicht nur das von Jamal Khashoggi - sondern auch das Blut vieler unschuldig­er Menschen, die im Dauerkrieg im benachbart­en Jemen durch saudische Luftangrif­fe auf Schulen oder Wohnhäuser ums Leben gekommen sind.

Der bisherige US-Präsident Donald Trump wusste all dies sehr genau - und hat MbS dennoch als vermeintli­chen nahöstlich­en Vorzeige-Partner protegiert. Amtsnachfo­lger Joe Biden versucht jetzt zwar mithilfe des

CIA-Berichts und einer stärkeren Betonung der Menschenre­chte, Mohamed bin Salman politisch zu isolieren und die Beziehunge­n beider Länder auf eine neue Grundlage zu stellen.

Aber vor direkten Sanktionen gegen den Kronprinze­n, der in vielen EU-Staaten längst als Persona non grata gilt, scheut Biden bisher zurück. Dabei liegt eine Gefahr klar auf der Hand: Unter MbS droht Saudi-Arabien ein dauerhafte­s Schicksal als Pariastaat und damit auch eine Schwächung der eigenen Interessen.

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DW-Redakteur Rainer Sollich

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