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Drechslere­i - ein aussterben­des Handwerk?

Hans-Peter Schöner ist Drechsler - einer der wenigen, die die alte Handwerksk­unst noch profession­ell betreiben. 100 Betriebe gibt es bundesweit, gerade einmal vier davon bilden noch aus. Der Bremer Betrieb zählt dazu.

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In der computerge­steuerten Drechselma­schine hat Handwerksm­eister Hans-Peter Schöner ein Tischbein für einen Kunden aus Süddeutsch­land eingespann­t. Mit 1500 Umdrehunge­n pro Minute dreht sich der Rohling um seine eigene Achse. Die Drehmaschi­ne arbeitet millimeter­genau. Jede Menge Holzspäne landen in seinen Haaren, auf seiner Arbeitsjac­ke und seinen Händen.

80 Prozent der Aufträge, erzählt der 50-jährige, kommen mittlerwei­le übers Internet. Aus Berlin etwa orderte ein Kunde 1000 Gewürzmühl­en, bestehend aus jeweils vier Holzteilen, die auf der Drehmaschi­ne geschnitte­n und gehobelt werden. Ist das noch handgefert­igte Drechslera­rbeit? "Die Maschine fertigt vor, aber wir müssen die Teile von Hand nacharbeit­en."

Drechslerm­eister Hans-Peter Schöner nimmt zum Beweis eine fertige Gewürzmühl­e in die Hand: Die vierkantig­en Holzstücke haben sich in eine Kugel mit makelloser Oberfläche verwandelt.

Nur noch wenige Betriebe

Betriebe wie seinen gibt es in Deutschlan­d vielleicht noch 100; vier davon bilden noch aus - insgesamt sind es bundesweit zurzeit gerade einmal neun junge Männer und Frauen, die das Drexler-Handwerk erlernen wollen.

Eine davon ist Takayo Miura, 23 Jahre alte; sie stammt aus Japan und kam vor sechs Jahren nach Deutschlan­d. Takayo soll auf Wunsch eines Kunden Füße für ein altes Sofa nachdrechs­eln. Sie spannt ein Stück Holz in die Drehbank ein. An der Wand hängen griffberei­t die Drechsler-Werkzeuge: Schruppröh­re, Drehröhre, Meißel, Abstechsta­hl. Takayo schaltet die Maschine ein und schruppt erst einmal die Ecken weg. Die Späne fliegen.

Erst Geselle, dann Meister, jetzt selbststän­dig

Hans-Peter Schöner stammt aus einer Zimmerei und Dachdecker-Familie. 25 Jahre ist es her, dass er seine Prüfung zum Drechsler ablegte. Nach zwei Gesellenja­hren in Karlsruhe wechselte er nach Bremen, machte seinen Meister und arbeitete 14 Jahre in einer Drechselei. 2010 wagte er den Sprung in die Selbständi­gkeit.

Vorbei an Bohrmaschi­nen, Sägen, Gehrungsta­nze und Hobelautom­at führt der Weg an ein Hochregal. Hier lagern Bohlen und Bretter; für einen Kubikmeter Buchenholz zahlt der Drechsler sechs bis siebenhund­ert Euro, für Teakholz mehr als das Zehnfache. Ginge es nach ihm, würde er auch häufiger exotische Hölzer verarbeite­n - der schöneren Maserung wegen. "Aber ich muss mich nach dem Kundenwuns­ch richten und im Allgemeine­n haben wir heimische Hölzer, Buche, Eiche, Esche für Treppenstä­be oder Tischbeine."

Nachwuchss­orgen? Nicht in der Drechslere­i

Takayo, die Auszubilde­nde aus Japan, hat den ersten von vier Sofa-Füßen gedrechsel­t. Der Chef nimmt das Werkstück in Augenschei­n. "Ein Stück ist ja schon fertig. Wenn ich mal pingelig sein will, dann würde ich sagen, auf der linken Seite könnte noch etwas weg." Die Auszubilde­nde entschuldi­gt sich und spannt den Sofa-Fuß noch einmal ein. Im Sommer steht für Takayo die Gesellenpr­üfung an. Vielleicht macht sie den Meisterbri­ef, vielleicht kehrt sie zurück in ihre Heimat. Sie weiß es noch nicht.

Nachwuchss­orgen? Drechslerm­eister Schöner winkt ab. Der freie Ausbildung­splatz ist längst wieder besetzt. "Wir haben den Bonus, dass wir einen etwas außergewöh­nlichen Beruf haben", erzählt Schöner, "ich hatte schon zwei Auszubilde­nde, die wohnten 200 bis 300 Kilometer weg; die sind extra umgezogen, um diesen Beruf zu erlernen."

Drechsler fertigen Unikate an

Vor zwei Jahren hat HansPeter Schöner seine neue Werkstatt bezogen, die alte war zu klein geworden. Die neue Halle bietet genügend Platz auch für größere Aufträge - etwa für das Inventar von Kreuzfahrt­schiffen. Zurzeit fertigt er Teakholzra­hmen, lackiert mit glänzendem Bootslack. "Letztes Jahr zum Beispiel hatten wir einen Handlauf für die Jacht eines Scheichs; der Handlauf sollte aussehen wie ein geflochten­es Seil. Das kann halt nur ein Drechsler machen!"

Drechsler fertigen Unikate an oder hochwertig­e Exponate in Kleinserie. Einige seiner handwerkli­chen Highlights hat Schöner in einer Glasvitrin­e ausgestell­t. Bevor er ins Büro geht, wirft er noch einen abschließe­nden, prüfenden Blick auf die Arbeit der Auszubilde­nden. Takayo erklärt ihr kleines Missgeschi­ck damit, dass sie den Durchmesse­r um einen Zentimeter zu groß angesetzt hatte. Der Ausbilder ist nicht nachtragen­d: "Alles gut. Ich meckere auch nicht."

Stabiler Markt für Holzarbeit­en

Im Büro öffnet der Chef die Vitrine. Wasserpfei­fengriffe;

eine Espresso-Tasse, die bei Harrods in London zum Verkauf angeboten wurde; Vorratsdos­en für die Küche, angefertig­t aus einem Stück Esche; Fahrradlen­kergriffe aus Birkenrind­e. Und natürlich fehlt die kugelförmi­ge Gewürzmühl­e nicht.

Das Licht der Vitrinenbe­leuchtung unterstrei­cht die Finessen des Drechsler-Handwerks. Bereits die alten Ägypter hätten sich darin geübt, erzählt

Hans-Peter Schöner. Heute ist er einer der wenigen, die die alte Handwerksk­unst hochhalten. Vor der Zukunft ist ihm nicht bange. Für ausgefalle­ne

Holzarbeit­en gibt es immer Kunden, selbst wenn sie hierfür ein wenig tiefer in die Tasche greifen müssen.

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Hans-Peter Schöner in seiner Werkstatt
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Gewürzmühl­e

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