Deutsche Welle (German edition)

Regierungs­wechsel in den USA beflügelt G20

Internatio­nale Zusammenar­beit steht bei der G20 wieder auf der Tagesordnu­ng. Denn die neue USFinanzmi­nisterin will mehr Hilfe für arme Staaten und Steuern für Internetko­nzerne möglich machen. Bernd Riegert berichtet.

-

Das Wort des Tages beim Video-Treffen der G20-Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs hieß Multilater­alismus. "Fast alle Teilnehmer­innen und Teilnehmer haben es benutzt", freute sich der Gastgeber der Gruppe der 20 wichtigste­n Volkswirts­chaften der Erde, der italienisc­he Finanzmini­ster Daniele Franco. "Die Rückkehr der internatio­nalen Zusammenar­beit", so Franco, sei vor allem einer Frau zu verdanken. Die neue amerikanis­che Finanzmini­sterin Janet Yellen hat die Blockade der G20 durch die abgelöste Trump-Administra­tion aufgehoben.

Yellen, die als ehemalige Notenbankp­räsidentin der USA oft an G20- Treffen teilgenomm­en hat und das Geschäft gut kennt, kündigte an, dass sie für eine Stärkung des internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) eintritt, damit dieser mit frischem Kapital, sogenannte­n Sonderzieh­ungsrechte­n, schwächeln­de Entwicklun­gsländer stärker unterstütz­en kann. Die Ausgabe dieser Sonderzieh­ungsrechte, einer Art Finanzrese­rve des Währungsfo­nds, hatte Donald Trump abgelehnt. mensein der Finanzmini­ster- und Ministerin­nen aber noch nicht. Im April bei der Frühjahrst­agung des IWF in Washington könnte es soweit sein.

Um der beispiello­sen Wirtschaft­skrise durch die CoronaPand­emie Herr zu werden, haben die G20-Staaten fast zwölf Billionen Dollar mobilisier­t. Die US-Finanzmini­sterin und andere G20-Mitglieder warnten, diese Hilfen dürften nicht zu früh auslaufen. Ansonsten, meinte der italienisc­he Notenbank-Chef Ignazio Visco, könne eine Pleitewell­e bei den Unternehme­n entstehen, die wiederum wegen nicht bedienter Kredite zu einer Banken- und Finanzkris­e führen könnte. Noch sei das Weltfinanz­system, das nach der Finanzkris­e 2008 reformiert wurde, widerstand­sfähig, so Ignazio Visco.

Große Sorge macht den Teilnehmer­n der G20, zu denen neben den USA, auch China, Indien, die EU, Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien gehören, die bislang ungleiche Verteilung der Impfstoffe auf der Welt. "Afrika hinkt bei der Fähigkeit zu impfen, noch weit hinterher", sagte Italiens Finanzmini­ster Franco.

Ohne Impfung sei aber eine wirtschaft­liche Erholung unmöglich. Deshalb bekannten sich die G20 - wie schon im letzten Jahr - noch einmal dazu, die Impfkampag­ne "COVAX" der Vereinten Nationen mit mehr Geld auszustatt­en. Konkrete Summen und Zusagen wurden aber noch nicht beschlosse­n.

Vor der Sitzung der Finanzmini­ster und Notenbankc­hefs hatte der ugandische Ökonom Julius Kapwepwe der DW gesagt, weniger entwickelt­e Staaten in Afrika könnten nicht länger warten. "Wir brauchen eine Lösung in Richtung Schuldener­lass. Wenn das nicht passiert, laden wir unsere afrikanisc­hen Regierunge­n ein, reihenweis­e Pleite zu gehen. Die Ökonomien in Afrika brauchen neues Leben und neue Geschäftsm­odelle." Auch die Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds, Kristalina Georgiewa, hatte sich für Schuldener­lass ausgesproc­hen. Doch die G20 verspreche­n keinen generellen Erlass, sondern das bessere Management und die Restruktur­ierung von Schulden, die Verlängeru­ng von Laufzeiten und Senkung von Zinsen.

Im November hatten die führenden Wirtschaft­snationen einen "Organisati­onsrahmen für

Schuldenre­strukturie­rung" geschaffen, in den auch private Kreditgebe­r und der größte Gläubiger afrikanisc­her Staaten, nämlich China, eingebunde­n werden sollte. Über diesen Rahmen sei erneut gesprochen worden, aber praktisch angewendet wurde er bisher kaum. Bislang haben der Tschad, Äthiopien und Sambia eine Restruktur­ierung mit der G20 eingeleite­t.

Nicht alle der 20 in Afrika für eine Schulden-Restruktur­ierung in Frage kommenden Staaten wollen daran teilnehmen, denn das würde oftmals bedeuten, dass internatio­nale Ratingagen­turen diesen Staaten die Kreditwürd­igkeit absprechen. Sie könnten sich auf Jahre hinaus ke i n G e l d m e h r an Finanzmärk­ten besorgen. Als Corona-Hilfsmaßna­hme stunden die G20-Staaten 71 ärmeren Staaten bis Ende Juni die Zahlung von Zinsen und Tilgung auf ihre Schulden. Diese Stundung soll wohl bis Ende des Jahres verlängert werden, weil die Pandemie immer noch anhält. Ein formaler Beschluss dazu soll im April fallen, kündigte der G20-Vorsitzend­e, der italienisc­he Finanzmini­ster an.

Man müsse bei der Diskussion um Schuldener­lasse auch sehen, dass die reichen Staaten durch die Pandemie selbst erheblich unter Druck stünden. Es sei klar, so Beamte, die mit der G20-Tagung beschäftig­t sind, dass man erst der eigenen Bevölkerun­g und Wirtschaft helfe, bevor man an seine Gläubiger denke. Großbritan­nien etwa hat sein Entwicklun­gshilfeBud­get komplett eingefrore­n. Die USA geben für die internatio­nale COVAX- Impfinitia­tive zwar vier Milliarden Dollar, das sind aber nur ein Promille der Stimulus-Pakete, die in die eigene US-Wirtschaft fließen.

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz drängt in der G20 besonders auf eine Einführung von fairen Steuern für digitale Internetko­nzerne wie Google oder Apple. Die Verhinderu­ng von Steuerverm­eidung und Steuerdump­ing "treibt mich besonders um", sagte Scholz. "Wir brauchen internatio­nale verabredet­e Mindestste­uersätze. Wir brauchen einen effektiver­en Weg die globalen digitalen Plattforme­n zu besteuern. Da wollen wir eine Verständig­ung erreichen bis zum Sommer dieses Jahres."

Hier kommt offenbar Bewegung auf, weil die neue US-Finanzmini­sterin Yellen den Kurs der Trump-Regierung revidiert. Sie zeigte sich offen für Steuermode­lle, die den Ort der Tätigkeit des Unternehme­ns und einen Mindestste­uersatz berücksich­tigen. Donald Trump hatte eine globale Besteuerun­g der hauptsächl­ich US-amerikanis­chen Internetri­esen stets abgelehnt. "Heute gab es Rückenwind. Das ist ein riesiger Schritt voran," lobte Scholz die revidierte amerikanis­che Haltung.

Der italienisc­he Finanzmini­ster Daniele Franco sieht Chancen, sich im Juli auf eine umfassende Internet- und Digitalste­uer zu einigen. Dann sollen sich die Finanzmini­ster der G20, wenn Corona es zulässt, erstmals persönlich in Venedig treffen.

 ??  ?? Gastgeber der G20 in diesem Jahr: Italiens Finanzmini­ster Franco (li.), Notenbankc­hef Visco
Gastgeber der G20 in diesem Jahr: Italiens Finanzmini­ster Franco (li.), Notenbankc­hef Visco
 ??  ?? Kursänderu­ng: Janet Yellen verspricht mehr globales Denken statt Alleingäng­e
Kursänderu­ng: Janet Yellen verspricht mehr globales Denken statt Alleingäng­e

Newspapers in German

Newspapers from Germany