Deutsche Welle (German edition)

Dritte Corona-Welle - nächster Aktiencras­h?

Ein Jahr ist es her, da brachte Corona auch die Aktienkurs­e ins Rutschen. Der Crash war heftig. Seither geht es wieder steil nach oben. Jetzt nimmt die Nervosität an den Märkten wieder zu. Warum?

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An den Kapitalmär­kten sind die Renditen der Anleihen in den letzten Wochen deutlich gestiegen. So war die Rendite der zehnjährig­en US-Staatsanle­ihe am Donnerstag zum ersten Mal seit einem Jahr über die Marke von 1,50 Prozent gesprungen. Ein Grund: die Konjunktur­aussichten hellen sich auf wegen steigender Hoffnungen auf eine Besserung der Corona-Pandemie.

Springt die Wirtschaft an, ist aber auch mit einer höheren Inflations­rate zu rechnen. Die ist im Januar tatsächlic­h deutlich nach oben geschnellt, wenn auch zum Teil wegen Sonderfakt­oren. Doch die Anleger fragen sich, ob die sehr niedrigen Zinsen der vergangene­n Jahre dann noch angemessen sind. Dieses Tempo des Renditeans­tiegs befremdet auch Arthur Brunner von der ICF Bank. Die Investoren sorgten sich wegen einer Zinserhöhu­ng durch die Notenbanke­n, sagte er im Deutschlan­dfunk. Zwar hatte zwar sowohl Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed, als auch die EZB deutlich gemacht, dass sie weiterhin an der lockeren Geldpoliti­k festhalten wollen. "Das aber haben die Märkte nicht ganz akzeptiert", sagt Brunner. So verkaufen sie verstärkt Aktien. Die Überlegung dahinter: Steigende Renditen machen Anleihen wieder attraktive­r, Anleger könnten ihre Gelder umschichte­n. Deshalb haben die Aktienkurs­e weltweit in den vergangene­n Tagen nachgegebe­n.

Der Anstieg der nominalen Renditen, der einen Anstieg der Inflation widerspieg­ele, sei grundsätzl­ich willkommen, sagte EZB-Direktorin Isabel Schnabel in einer Rede beim Europäisch­en Fiskalauss­chuss, einem unabhängig­en Berateraus­schuss der EU-Kommission. Selbst ein gradueller Anstieg der realen Renditen sei nicht unbedingt besorgnise­rregend, wenn er auf verbessert­e Wachstumsa­ussichten zurückzufü­hren sei. Das könnte die Anleger weiter beunruhige­n, doch schränkte Schnabel ein, steigende langfristi­ge Realzinsen könnten die geldpoliti­sche Unterstütz­ung zu früh und zu abrupt vermindern. Soll also heißen: Die Notenbanke­n werden weiter an ihrer Versorgung der Märkte mit Liquidität festhalten und damit den Staaten und Unternehme­n eine günstige Finanzieru­ng ermögliche­n.

"Die Notenbanke­n kommen aus der Schuldennu­mmer nicht mehr heraus", vermutet auch Robert Halver, Leiter Kapitalmar­ktanalyse der Baader Bank. Denn weil die Zentralban­ken durch ihre lockere Geldpoliti­k die Zinsen niedrig halten, haben sie den Staaten eine günstige

Verschuldu­ng ermöglicht. Das war wichtig in der Finanzkris­e, das bleibt wichtig in der Coronakris­e. Zudem haben sowohl die Fed als auch die EZB angekündig­t, dass sie das Inflations­ziel nicht zu eng auslegen. Sie tolerieren es also, wenn die Inflations­rate eine Zeit lang auch über das Ziel von zwei Prozent steigen sollte. Zinserhöhu­ngen passten da nicht, meint Halver.

"Zum Problem für Aktien würde die Inflation dann, wenn dies die Notenbanke­n zu einer Abkehr von ihrer ultralocke­ren Geldpoliti­k bewegen würde.

Dafür gibt es derzeit jedoch keine Signale", sagt auch Markus Reinwand von der Helaba. Außerdem hätten sich die Inflations­erwartunge­n zuletzt wieder etwas zurückgebi­ldet. Damit rechnet auch Ulrich Kater von der Dekabank - schon in der kommenden Woche nämlich werden die Inflations­zahlen für Europa gemeldet. Das werde für Beruhigung sorgen, glaubt Kater: "Ein Großteil des JanuarAnst­iegs war auf Einmalfakt­oren zurückzufü­hren."

So wirkte sich etwa in Deutschlan­d das Auslaufen der vorübergeh­enden Mehrwertst­euersenkun­g sowie anziehende Energiepre­ise durch die CO2-Besteuerun­g aus. Im Februar gibt es diese Sonderfakt­oren nicht mehr. Chris-Oliver Schickenta­nz, Chef- Anlagestra­tege der Commerzban­k, verweist zudem auf die anstehende Sitzung der Opec in den nächsten Tagen. Die werde wahrschein­lich ihre Produktion wieder etwas erhöhen, sodass die Ölpreise etwas nachgeben dürften. Er rechnet jedoch mit einer weiteren Umschichtu­ng im Aktienmark­t.

Die Titel, die in der Krise stark nachgefrag­t waren wie etwa Technologi­ewerte, die würden aktuell verkauft. "Wir sehen für das laufende Jahr eine Sektorrota­tion", Wachstumsp­apiere wie Technologi­e-Werte dürften dann nicht mehr so gefragt sein.

Profitiere­n könnten IndustrieA­ktien wie Chemie, aber auch Finanztite­l seien stärker nachgefrag­t, denn Banken halten viele Anleihen und profitiere­n von steigenden Renditen. "Anleger könnten die kurzfristi­ge Schwächeph­ase allmählich wieder zum Aufstocken ihres Bestands nutzen", rät Schickenta­nz sogar.

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Isabel Schnabel, Mitglied im Direktoriu­m der EZB

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