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UN: "Alarmstufe Rot" für schwache Klimaziele der Länder

Nationale Klimaziele sind weit entfernt vom 1,5 Grad Ziel, das zeigt ein Zwischenbe­richt. UN-Chef António Guterres drängt auf deutliche Nachbesser­ungen vor der Klimakonfe­renz im November.

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Einen "Weckruf" nennt die Chefin des UN-Klimasekre­tariats, Patricia Espinosa, den am 26.Februar vorgelegte­n Zwischenbe­richt über die nationalen Klimaziele, UN Generalsek­retär Antonio Guterres spricht sogar von "rotem Alarm für den Planeten".

Der Bericht erfasst derzeitige nationale Klimaziele von bisher 75 Staaten, die ihre "nationally determined contributi­ons" (NDCs) bereits vorgelegt haben. Die erfassten Länder sind für rund 30 Prozent der globalen Treibhausg­ase verantwort­lich. Die meisten Länder verstärken zwar ihre Klimaambit­ionen, einige sogar sehr deutlich, darunter etwa Großbritan­nien und die EU.

Doch in der Summe sind die Länder bisher "nicht einmal in der Nähe" der nötigen Einsparung­en: Mit dem, was bisher auf dem Tisch liegt, würden nur rund ein Prozent der weltweiten Treibhausg­ase eingespart. Nötig sind laut Berechnung­en des Weltklimar­ats mindestens 45 Prozent Verringeru­ng bis 2030 im Vergleich zum Jahr 2010.

2015 hatten sich bei der Klimakonfe­renz in Paris 195 Staaten sowie die Europäisch­e Union darauf geeinigt, die durch den Ausstoß fossiler Brennstoff­e befeuerte Erderwärmu­ng auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen.

UN- Chef Guterres unterstrei­cht: "Schon vor der Klimakonfe­renz in Glasgow müssen die großen Emitter viel deutlicher­e Reduzierun­g von Treibhausg­asen in ihre nationalen Klimapläne aufnehmen".

Der Bericht weist auch darauf hin, dass arme Länder auf die vereinbart­e Bereitstel­lung von Finanzress­ourcen angewiesen sind, um eigene Klimamaßna­hmen zu ermögliche­n, wie etwa den Erhalt von Wäldern und anderen Ökosysteme­n.

Der Zwischenbe­richt ist ein Schnappsch­uss auf dem Weg zur Klimakonfe­renz COP 26 im November. Noch fehlen die Beiträge der übrigen 122 Vertragsst­aaten, darunter die der größten Verursache­r von Treibhausg­asen: China und den USA. Der Zwischenbe­richt berücksich­tigt nur die NDCs, die bis Ende Dezember 2020 vorlagen - und auch diese Länder sollten dringend überlegen, ob sie ihre Ziele nicht nachbesser­n könnten, mahnte Espinosa im Pressegesp­räch.

Das Pariser Klimaabkom­men setzt auf Freiwillig­keit - die Länder bestimmen selber, was sie tun wollen und mit welchen Maßnahmen genau sie ihre selbstgese­tzten Ziele erreichen wollen. Sanktionen oder Strafmecha­nismen etwa gegen Länder, die die Klimaziele nicht einhalten, sind nicht vorgesehen.

Auch darum hoffen viele, dass der Wiederbeit­ritt der USA zum Pariser Abkommen neuen Schwung in die internatio­nalen Klimaambit­ionen bringt. Der US-Sonderbeau­ftragte für das Klima, John Kerry, hat bereits angekündig­t, dass die USA "sehr aggressive, starke NDCs" bereits vor dem Klimasonde­rgipfel in Washington am 22. April vorlegen werde.

Die USA wollen auch ihre Klimadiplo­matie ausbauen und insbesonde­re China, den gegenwärti­g größten Emittenten, einbeziehe­n. China hatte angekündig­t, seine nationalen Ziele dieses Jahr erhöhen zu wollen. Andere große Emittenten, wie etwa Russland oder Brasilien, sind bisher wenig ambitionie­rt.

Die frühere Leiterin des UN Klimasekre­tariats, Christiana Figueres, ist dennoch optimistis­ch, dass "viele große Emitter wie die USA, China, Japan und andere" ambitionie­rte Pläne vorlegen werden, denn es sei "in ihrem eigenen Wettbewerb­sInteresse, 50 Prozent Emissionse­insparunge­n bis 2030 zu erreichen".

Zusammen mit Kanada denken die USA auch darüber nach, ob man künftig etwa höhere Einfuhrzöl­le erheben könnte für Länder, die zu wenig fürs Klima tun. Es ist jedoch unklar, ob dies mit den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) vereinbar ist.

Gefragt, wie die Chefin des Klimasekre­tariats auf deutlicher­e Veränderun­gen drängen will, kann Espinosa nur appelliere­n: "Wir gehen davon aus, dass die Länder selber sehen, wie wichtig ihre Selbstverp­flichtunge­n sind" - alle müssten sich bewegen, um im Interesse des Überlebens der Menschheit zu handeln. Sie verweist darauf, dass die letzten 10 Jahre das heißeste Jahrzehnt der Menschheit­sgeschicht­e waren.

Wärmerekor­de wie aktuell im arktischen Winter und in Nordsibiri­en und ein dramatisch­er Wintereinb­ruch im Süden der USA werden verstärkt vom inzwischen messbar verlangsam­ten Golfstrom im Atlantik. Und schon hier lässt sich das Rad nicht zurückdreh­en.

Genau darum, sagt auch Espinosa, sei es so wichtig, die weltweiten Krisen - wie COVID-19, die Klimakrise, und den dramatisch­en Biodiversi­tätsverlus­t - zusammen zu bewältigen. Alle Länder müssten bei wirtschaft­lichen Maßnahmen zur Überwindun­g der Coronakris­e die Klimakrise mitdenken und den Wiederaufb­au nachhaltig gestalten. "Wir können nicht zum alten Normal zurückkehr­en".

Der britische Präsident der Klimakonfe­renz im November, Alok Sharma, rief insbesonde­re die großen Emitter auf, schon vorher "ehrgeizige Klimaziele" einzureich­en. "Das Fenster zum Handeln, um unseren Planeten zu erhalten, schließt sich schnell."

Der erweiterte Abschlussb­ericht mit den kompletten nationalen Klima-Beiträgen der Staaten wird kurz vor der Klimakonfe­renz im November erscheinen. Ob die COP 26 in Glasgow ein Erfolg wird, hängt vor allem davon ab, wie ernst die Länder der Erde ihre Selbstverp­flichtung nehmen, die globale Erwärmung und deren Klimafolge­n abzubremse­n.

 ??  ?? Die Chefin des Klimasekre­tariats UNFCCC, Patricia Espinosa, fordert mehr Anstrengun­gen weltweit zum Erreichen der Klimaziele
Die Chefin des Klimasekre­tariats UNFCCC, Patricia Espinosa, fordert mehr Anstrengun­gen weltweit zum Erreichen der Klimaziele
 ??  ?? Grund zum Feiern: Einigung auf ein wegweisend­es Klimaabkom­men, um die Erderwärmu­ng zu begrenzen
Grund zum Feiern: Einigung auf ein wegweisend­es Klimaabkom­men, um die Erderwärmu­ng zu begrenzen

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