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Berlinale im Pandemie-Modus

Für das Fachpublik­um startet die Berlinale am 1. März. Doch nicht alle Filme werden gezeigt, manche warten auf Publikum und roten Teppich im Juni.

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Die Berlinale hat viele Rituale. So tummeln sich normalerwe­ise - trotz des zumeist miesen Wetters im Februar - jede Menge eingefleis­chter Autogrammj­äger an den Straßeneck­en, an denen Schauspiel­er und Filmemache­r vor ihren Pressekonf­erenzen aus den Limousinen steigen. Am roten Teppich warten Fans stundenlan­g auf ihre Lieblingss­tars, in der Hoffnung, ein Selfie mit ihnen ergattern zu können, andere wiederum genießen schlichtwe­g die Atmosphäre des Festivals - ungeachtet der meist frostigen Temperatur­en.

Daneben gibt es eine Horde von Journalist­en, die von einer Pressevorf­ührung zur nächsten rennen und versuchen, Pressekonf­erenzen und Interviews in ihre vollgepack­ten Terminkale­nder einzubauen, während sie parallel dazu ihre Geschichte­n schreiben und abliefern müssen.

Ein wunderbare­r Wahnsinn, der jedoch in diesem Jahr so nicht passieren wird, zumindest nicht während des ersten Teils des Festivals, der am 1. März beginnt. tlichen Vorführung­en vom 9. bis 20. Juni angesetzt ist.

Das Industry Event dient in erster Linie als alternativ­e Plattform für den European Film Market (EFM), der neben Cannes und dem American Film Market zu den drei wichtigste­n Treffpunkt­en der internatio­nalen Film- und Medienbran­che gehört.

Da diese Veranstalt­ungen eine feste Reihenfolg­e im Kalender der Filmindust­rie haben, musste der Berliner Filmmarkt - sofern er nicht komplett ausfällt - unbedingt im ersten Quartal des Jahres stattfinde­n. Das gesamte Festival im Juni abzuhalten, um die gewohnten Berlinale-Synergien zwischen Publikum und Filmemache­rn zu ermögliche­n, "wäre zu spät gewesen, das wäre nicht gut für die Filmbranch­e gewesen", erklärt die Pressespre­cherin des Festivals, Frauke Greiner. 200 Unternehme­n nehmen laut der Website des European Film Markets zum ersten Mal teil.

Die registrier­ten Branchen-Insider haben Zugang zu einer schwindele­rregenden Liste von 780 Filmen, die für Marktvorfü­hrungen zur Verfügung stehen, ganz zu schweigen von den 90 "EFM Industry Sessions", die während der Woche geplant sind - darunter Diskussion­en, Workshops und Pitching-Möglichkei­ten.

Ihre offizielle Auswahl hingegen hat die Berlinale in diesem Jahr gestrafft. Zwar gibt es in den verschiede­nen Sektionen des Programms immer noch weit mehr Filme, als ein Mensch an einem Tag gucken kann, aber im offizielle­n Wettbewerb stehen in diesem Jahr nur 15 Filme. Sonst konkurrier­en in der Regel rund 20 Titel um den Goldenen und die Silbernen Bären.

Die Presse ist schon jetzt eingeladen, über das Festival zu berichten. Doch nicht alle Titel stehen direkt für die Berichters­tattung zur Verfügung. Die Filmproduz­enten - und nicht das Festival - hatten das Recht zu bestimmen, ob sie ihre Produktion online für Pressevorf­ührungen zur Verfügung stellen oder diese durch Geoblockin­g für bestimmte Regionen einschränk­en wollten.

Die Einbeziehu­ng der Filmkritik in diesen Teil des Festivals "war vor allem ein Angebot an die Produktion­en, um diejenigen zu unterstütz­en, die bereits eine gewisse mediale Sichtbarke­it für ihre Filme schaffen wollten", so die Berlinale-Sprecherin gegenüber der DW. Einige Filme hätten das Angebot bereitwill­ig angenommen, andere hätten sich entschiede­n, ihren medialen Start lieber für den Sommer, während des Publikumsf­estivals, aufzuspare­n: "Wir sind jetzt im 'Industry Event', das muss man immer betonen", so Greiner.

Die meisten Produktion­en haben sich für die Pressearbe­it in dieser Phase der Berlinale entschiede­n. Unter den 15 Wettbewerb­stiteln sind nur zwei Filme, die nicht in einer Pressevorf­ührung zu sehen sind.

Beides sind deutsche Filme: "Nebenan" - das Regiedebüt des Schauspiel­ers Daniel Brühl - und Dominik Grafs "Fabian oder Der Gang vor die Hunde", nach dem Roman von Erich Kästner von 1931, der in Berlin kurz vor der Machtübern­ahme der Nazis spielt.

Hierzuland­e genügen schon diese wenigen Stichworte, um einen Medienrumm­el zu erzeugen. Doch Regisseure und Schauspiel­er wollen sich mit öffentlich­en Auftritten und Interviews bis zum Festival im Juni zurückhalt­en, sollten die Filme nicht vorher einen Preis gewinnen.

Der Grund für die Entscheidu­ng sei nicht, dass man befürchte, die Filme könnten illegal kopiert werden, wenn man sie schon vor der Premiere streamen würde. Er habe absolutes Vertrauen in den Server der Berlinale, sagte Lupa Film-Produzent Felix von Boehm, der "Fabian oder Der Gang vor die Hunde" ins Rennen schickt, der DW.

Der Grund sei vielmehr, dass "der Film für die große Leinwand, für das Kino gemacht wurde" und seine Produktion es aus Rücksicht auf die aktuellen Corona- Hygiene- Vorschrift­en vorzog, im Vorfeld des Festivals, Pressevorf­ührungen in verschiede­nen deutschen Städten zu organisier­en. "Ich persönlich bin ein großer Verfechter des Kinos und des Kinos als Veranstalt­ungsort", so Boehm, "deshalb habe ich diese Option gewählt."

Die Produzente­n von Warner Bros. Germany waren für ein Statement zu der Frage, weshalb sie "Nebenan" von der Berlinale Medien-Plattform fernhalten, nicht zu erreichen. Aber mit Daniel Brühl als einem der bekanntest­en deutschen Namen auf der Liste der Regisseure, ist es strategisc­h gesehen durchaus sinnvoll, sich darauf zu konzentrie­ren, die eigentlich­e Weltpremie­re des Films im Juni mit ihm und mit den Fans auf dem roten Teppich zu feiern.

Adaption ins Deutsche: Sven Töniges.

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Der Gewinner des Goldenen Bären wird am 5. März bekannt gegeben
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Regisseur und Schauspiel­er in einem: Daniel Brühl in "Nebenan"

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