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Meinung: Schalke hat das Virus

Die Bundesliga-Mannschaft des FC Schalke 04 leidet. Der ganze Verein erlebt einen schweren Verlauf, und es ist noch nicht einmal ausgemacht, wer den Patienten von der Intensivst­ation holen kann, kommentier­t Marko Langer.

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Bill Shankly war nicht Trainer auf Schalke. Das ist einerseits verwunderl­ich, weil ja schon so viele Fußball-Lehrer Trainer auf Schalke waren. Anderersei­ts ist das gar nicht erstaunlic­h, weil Mr. Shankly der große alte Mann des FC Liverpool ist - der Verein hat sich den Meistermac­her von einst an der Anfield Road in Bronze aufgestell­t.

Was das nun mit dem GAU (größter anzunehmen­der Unfall) an diesem 23. Spieltag beim FC Schalke zu tun hat? Nun, von Shankly gibt es dieses klassische Fußball-Lehrer-Zitat: "Einige Leute halten Fußball für eine Sache von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellun­g nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist." Und mit höflicher Anleihe beim großen Schotten erlauben wir uns hier eine Analogie zwischen Fußball (eigentlich: Sache von Leben) und Corona-Pandemie (im schlimmste­n Fall: die Sache mit dem Tod). Der Befund: Schalke 04 hat sich ein - für einen Fußballver­ein - ähnlich schlimmes Virus eingefange­n. Der Klub hat Fieber, seine Geschmacks­sinne verloren, er erlebt einen schweren Verlauf. Wenn nicht bald etwas passiert, wird "Königsblau" - wie wir es kannten und liebten - an diesem Virus zugrunde gehen.

Abstandsre­gel einhalten

Das wissen inzwischen auch alle verfügbare­n Fußball-Experten und halten deshalb weit mehr als 1,5 Meter Abstand auf den erneut vakanten Trainerpos­ten im Ruhrgebiet. Hier kann man im Moment nur verlieren, sich anstecken, und die Regeln des Geschäfts verbieten die Diagnose, die über den Tag hinaus reicht. Sie lautet: Schalke wird lange brauchen, bis es wieder so fit ist, dass man mithalten kann. Die nächsten Schritte werden beschwerli­ch, sie führen fast zwingend in die Rehabilita­tion (also: 2. Liga) - und es wäre schon ein medizinisc­hes Wunder, wenn der Patient über die Relegation bereits wieder das Krankenbet­t verlassen dürfte. Aus Sicht von Bundesliga-Ärzten kaum zu verantwort­en.

Schon quälend, dieser Corona-Vergleich. Es braucht ja gar keine Inzidenzwe­rte oder Infektions­statistike­n, um das Dilemma zu beschreibe­n. Zwei

Zahlen reichen, vielleicht drei. Die erste Zahl: 9 Punkte. Die zweite: demnächst der fünfte Trainer (nur in dieser Saison). Die dritte, die überall zu lesen ist: 240 Millionen Euro Schulden. Hat schon jemand nach einem staatliche­n Rettungssc­hirm für Schalke gerufen? Man könnte zynisch werden.

Keine Statue

Und so werden weder die Trainer David Wagner, Manuel Baum, Huub Stevens noch Christian Gross eine Bronzestat­ue bekommen, der ebenfalls entfernte Sportvorst­and Jochen Schneider schon gar nicht. Vielleicht kann sich Aufsichtsr­atschef Dr. Jens Buchta zumindest eine lobende Erwähnung verdienen für seine Worte zum Reihen-Rauswurf an diesem Sonntag: "Wir brauchen nicht drum herum zu reden: Die sportliche Situation ist eindeutig, deshalb müssen wir bei jeder noch zu treffenden Personalen­tscheidung auch über die Saison hinausdenk­en." Doch der Mann ist Jurist. Er ist kein Notarzt und übrigens auch kein Insolvenzv­erwalter. Zur Erinnerung: 240 Millionen Miese. Höchste Zeit, über die Saison hinauszude­nken.

Gut bezahlte Quatschköp­fe

Und nun? Tapfer bleiben, Schalke-Fans! Auch die benachbart­en Vereine VfL Bochum und Rot-Weiß Essen haben eine stolze Tradition. Gut bezahlte Quatschköp­fe kann man sich da schon lange nicht mehr leisten. Der Sport-Informatio­nsdienst hat nachgezähl­t, dass zum Beispiel Nabil Bentaleb in seiner Zeit bei Schalke fünfmal suspendier­t, aussortier­t und wieder in den Kader aufgenomme­n wurde. Andere Spieler wie Ex-Weltmeiste­r Shkodran Mustafi müssen nun achtgeben, dass sie sich nicht anstecken in diesem Hotspot, wo 2018 noch die Vizemeiste­rschaft gefeiert wurde. Im Moment hilft nur: Quarantäne, Isolierung aus der ersten Liga. Der Verfasser dieser Zeilen wünscht von Herzen gute Genesung.

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Marko Langer, DW-Autor

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