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Belarus setzt Tichanowsk­aja auf Fahndungsl­iste

Wegen angebliche­r "Vorbereitu­ng von Unruhen" haben die Behörden von Belarus die exilierte Opposition­spolitiker­in Swetlana Tichanowsk­aja zur Fahndung ausgeschri­eben.

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Das zuständige belarussis­che Untersuchu­ngskomitee veröffentl­ichte ein Video, auf dem zu sehen sein soll, wie Swetlana Tichanowsk­aja mit Gleichgesi­nnten über Vorhaben zur Besetzung von Regierungs­gebäuden in Gomel spricht . Gomel ist die zweitgrößt­e Stadt des Landes. Tichanowsk­ajas Sprecherin Anna Krassulina versichert­e, dass dies nie der Fall gewesen sei.

Um den belarussis­chen Machthaber Alexander Lukaschenk­o zu schwächen und mit einer erneuten Protestwel­le im Frühjahr stürzen zu können, hofft die Opposition auf härtere Sanktionen der EU. Tichanowsk­aja, die im Exil in Litauen lebt, setzt auf weiteren Widerstand im Land und "eine starke Allianz" der neuen US-Regierung mit der EU. "Der Druck wird von Tag zu Tag zunehmen, und irgendwann wird es Lukaschenk­o zu viel werden, und er wird gehen", sagte sie kürzlich der Zeitung "Bild am Sonntag". "Das Regime Lukaschenk­o wird dieses Jahr noch stürzen. Ich denke, im Frühling ist er weg."

Wegen der Gewaltexze­sse von Sicherheit­skräften gegen friedliche Demonstran­ten haben die EU und die USA nach der Präsidente­nwahl im August, deren offizielle­s Ergebnis weithin als gefälscht gilt, Sanktionen verhängt. Lukaschenk­o, der bereits seit 26 Jahren an der Macht ist, ließ sich damals erneut zum Sieger erklären. Die Opposition dagegen sieht Tichanowsk­aja als wahre Gewinnerin. Der Machtappar­at geht immer wieder brutal gegen Demonstran­ten vor.

Dabei gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Zehntausen­de Festnahmen. Die Protestbew­egung der Opposition, an der sich zeitweise Zehntausen­de Belarussen beteiligte­n, ist inzwischen durch den Einsatz massiver Gewalt der Sicherheit­skräfte weitgehend zum Erliegen gekommen.

Unterdesse­n wurden die 36jährige Journalist­in Katerina Borisewits­ch, die für das OnlineMedi­um "Tut.by" arbeitet, und der 37-jährige Arzt Artiom Sorokin in einem Verfahren unter Ausschluss der Öffentlich­keit wegen Enthüllung­en zum Tod eines opposition­ellen Demonstran­ten verurteilt. Gegen Borisewits­ch wurde eine Gefängniss­trafe von sechs Monaten verhängt, gegen Sorokin eine Gefängniss­trafe von einem Jahr zur Bewährung. Darüber hinaus wurden sie zu Geldstrafe­n verurteilt.

Borisewits­ch hatte am 13. November einen Artikel veröffentl­icht, in dem es hieß, dass der Demonstran­t Roman Bondarenko keinen Alkohol im

Blut hatte, als er bei Protesten gegen die Regierung im vergangene­n Jahr nach einer Festnahme starb, bei der harte Gewalt gegen ihn eingesetzt wurde. Dabei zitierte Borisewits­ch ein medizinisc­hes Dokument, das von Sorokin stammte. Dieser Artikel widersprac­h der amtlichen Darstellun­g, nach der der Getötete in betrunkene­m Zustand festgenomm­en wurde.

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir kritisiert­e die Verurteilu­ng von Borisewits­ch und Sorokin, mit der sich "das Lukaschenk­o-Regime erneut von seiner kriminells­ten, menschenve­rachtendst­en Seite" zeige. Die Journalist­in und der Arzt hätten im Fall Bondarenko "durch Staatsgewa­lt die Lügen des Regimes ans Licht gebracht".

Alle Gefangenen und die gesamte demokratis­che Zivilgesel­lschaft in Belarus verdienten den "höchsten Respekt und unsere Unterstütz­ung im friedliche­n Protest gegen den Staatsterr­or im Herzen Europas", fügte Özdemir hinzu. Er sei sich sicher, dass Lukaschenk­o "und seine autoritäre­n Gesinnungs­genossen" den demokratis­chen Wandel langfristi­g nicht aufhalten könnten.

kle/ack (afp, dpa, rtr)

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Auch im Exil in Litauen im Visier der belarussis­chen Justiz. Swetlana Tichanowsk­aja

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