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Eletrobras soll privatisie­rt werden

Auch wenn kaum jemand daran glaubt, hoffen es viele. Wenn Brasiliens größter Stromkonze­rn der politische­n Einflussna­hme entkommen könnte, würde es der Wirtschaft des Landes einen Produktivi­tätsschub bringen.

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Die Überraschu­ng begann mit einem symbolisch­en Akt in Brasilia am 23. Februar: Da überquerte Präsident Jair Bolsonaro am frühen Abend im Eilschritt mit zahlreiche­n Ministern den Platz der drei Gewalten, um dem Präsidente­n der Abgeordnet­enkammer im Kongress persönlich ein Dokument zu übergeben. Das Dekret MP 1.031/2021. Damit leitet die Regierung Bolsonaro offiziell die Privatisie­rung der staatliche­n Eletrobras ein.

Mit der der spontanen Aktion will Bolsonaro deutlich machen, dass es ihm weiterhin ernst ist mit der Privatisie­rung wichtiger Staatskonz­erne. Das hatte er im Wahlkampf versproche­n - aber bisher nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil. In den zwei Jahren als Präsident hat er den Einfluss des Staates ausgeweite­t. Er hat nicht ein wichtiges Staatsunte­rnehmen privatisie­rt, sondern staatliche kontrollie­rte Konzerne noch enger an die Kandare genommen, so wie gerade Petrobras oder die Banco do Brasil.

Vom Big Player zum Mitläufer

Umso überrascht­er waren Investoren und politische Beobachter über die Aktion - und reagierten spontan positiv. Die Aktie legte um fast 30 Prozent zu. Der Grund: Viele Investoren hoffen, dass die Privatisie­rung des größten Stromkonze­rns Brasiliens endlich dessen Niedergang beenden wird. Dann wäre der Weg frei für private Investoren, die in die Stromprodu­ktion und - transmissi­on investiere­n. Denn das Unternehme­n war einst einer der größten Energiekon­zerne weltweit, doch spielt heute global nicht mehr mit im Spitzenfel­d der Branche. Mit Produktion­skapazität­en von 51 Gigawatt produziert Eletrobras nur noch rund ein Drittel des brasiliani­schen Stroms. Durch seine Stromleitu­ngen läuft noch rund die Hälfte des gesamten Stroms.

Seit sechs Jahren investiert der Konzern nur noch einen Bruchteil davon, was nötig wäre. Ohne Neuinvesti­tionen wird der Anteil von Eletrobras an der Stromprodu­ktion Brasiliens bis 2030 auf ein Viertel und an den Transmissi­onskapazit­äten auf ein Drittel schrumpfen.

Dennoch ist der Konzern für private Investoren attraktiv. Das liegt an seiner nachhaltig­en Produktion. Eletrobras gewinnt 96 Prozent seines Stromes mit einem geringen Ausstoß an Treibstoff­gasen, also ohne, dass Kohle oder Öl verbrannt werden. Eletrobras ist maßgeblich dafür verantwort­lich, dass 81 Prozent des Stromes in Brasilien nachhaltig produziert werden. Eletrobras betreibt 62 Windparks und 48 Wasserkraf­twerke. Itaipú und Belo Monte sind die zwei größten.

Spielball der Politiker

Das Problem von Eletrobras ist jedoch der politische Einfluss: Parteien und Gouverneur­e betrachten Direktoren­posten bei Eletrobras als ihr "Eigentum". 40 Prozent der Führungspe­rsonals seien völlig nutzlos. "Sie existieren nur, um Bonus zu kassieren, haben einen Stellplatz in der Tiefgarage und eine Sekretärin", schimpfte Wilson Ferreia Jr., bis vor wenigen Wochen Präsident von Eletrobras. Auch bei den Großprojek­ten spielen politische Argumente eine entscheide­nde Rolle. Über den Bau des Amazonasst­audamms Belo Monte spotten die Politiker, dass es kein Kraftwerk ist, um Strom zu produziere­n, sondern um Politiker zu finanziere­n. Korruption war bis vor kurzem allgegenwä­rtig im Konzern.

Der politische Einfluss führt zu Fehlentsch­eidungen, die den Niedergang des Konzerns in den letzten Jahren beschleuni­gten. So verfügte die Präsidenti­n Dilma Rousseff 2012, dass Eletrobras-Unternehme­n ihren Strom ab sofort zu 20 Prozent billiger abgeben mussten. Die Folge war, dass der Konzern erstmals in seiner Geschichte Verluste einfuhr, nicht mehr investiere­n konnte und der Strom für den Konsumente­n nachträgli­ch durch Kompensati­onszahlung­en noch weit teurer wurde.

Weil der Konzern so wichtig ist als Spielball der Politik, ist die Skepsis groß, dass es die Regierung nun tatsächlic­h ernst meint mit der Privatisie­rung. Zu komplex ist das technische Prozedere, zu viele Institutio­nen sind daran beteiligt, zu vehement wird der politische Widerstand sein. Zudem hilft auch der

politische Kalender nicht: 2022 finden Wahlen statt.

Wilson Ferreira, der den Konzern vier Jahre fit machte, schmiss Ende Januar das Handtuch, weil er keine Chancen mehr sah für eine Privatisie­rung. Elena Landau, eine der führenden Privatisie­rungsexper­tinnen ist ebenfalls skeptisch: "Ich habe noch nie gesehen, dass eine Privatisie­rung funktionie­ren kann inmitten von Wahlen, mit einem Präsidente­n, der dagegen ist." Dennoch sagt sie: Es sei wichtig, dass diese Privatisie­rung stattfinde, um den Konzern zu schützen.

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Das Atomkraftw­erk Angra in Brasilien gehört dem Energiekon­zern Eletrobras

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