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Meinung: Die Verfassung­sschützer und der "Verdacht" gegen die AfD

Der Bundesverf­assungssch­utz hat die AfD zu einem rechtsextr­emen “Verdachtsf­all“erklärt. Das berichten mehrere Medien und sogenannte "Parlaments­kreise" übereinsti­mmend. Doch der Nutzen ist fraglich, meint Hans Pfeifer.

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Es braucht keinen Geheimdien­st um festzustel­len, dass die "Alternativ­e für Deutschlan­d" eine zunehmend rechtsextr­eme Partei ist. Demokratie­verächter, Feinde der Pressefrei­heit, autoritäre Machtphant­asten, Rassisten, Antisemite­n, homophobe Menschenha­sser, Neonazis - sie alle haben reichlich und zunehmend Platz in dieser Partei.

Dokumentie­rt wird das vor allem durch die AfD selbst. Auf Facebook, Twitter und Co. werben die Mitglieder mit radikalen Bildern und Parolen um die Gunst der Wähler. Der führende deutsche Neonazi Thorsten Heise fasst den Extremismu­s der AfD treffend zusammen: Es sei fast unmöglich etwas radikaler auszudrück­en als die AfD, ohne die Grenze der Strafbarke­it deutlich zu überschrei­ten.

Überwachun­g hat Konsequenz­en

Mit der AfD verhält es sich also wie mit Donald Trump: Um die Gefährlich­keit zu erkennen braucht man kein Experte - geschweige denn Geheimdien­stler - zu sein. Es reichen etwas politische­s Interesse und der gesunde Menschenve­rstand.

Nun liefert der Verfassung­sschutz nicht nur Erkenntnis­gewinn, seine Arbeit hat auch politische Konsequenz­en: Wenn der Verfassung­sschutz jetzt gegen die selbsterna­nnte "Alternativ­e für Deutschlan­d" aktiv wird, können Mitgl ieder mit geheimdien­stlichen Methoden überwacht werden. Außerdem fördert die Überwachun­g den parteiinte­rnen Streit um den politische­n Kurs. Aber wird Deutschlan­d dadurch sicherer und die Demokratie besser geschützt? Das darf getrost bezweifelt werden.

Die naheliegen­dste Kritik an der Überwachun­g kommt von der AfD selber: Mit der Maßnahme würde das politische Establishm­ent versuchen, eine große Opposition­spartei einzuschüc­htern. Da die Einstufung des Verfassung­sschutzes kurz vor zwei wichtigen Landtagswa­hlen kommt und wenige Monate vor der noch wichtigere­n Bundestags­wahl, ist das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen. Wobei eingeräumt werden muss, dass kein Zeitpunkt für eine Partei angenehm ist. Aber natürlich ist und war der Verfassung­sschutz immer schon eine politische und keine neutrale Behörde. Die zuständige­n Innenminis­ter haben den Fokus der Arbeit häufig an der politische­n Großwetter­lage ausgericht­et und nicht an den realen Gefahren.

Die Frage der Parteienüb­erwachung ist schon lange umstritten: Auch Teile der Partei "Die Linke" werden vom Geheimdien­st überwacht. Und auch die kritisiert das staatliche Misstrauen als politische Einschücht­erung.

Versagen im Kampf gegen rechts

Der Nutzen für die Demokratie darf aber vor allem bei einem Blick in die jüngere deutsche Vergangenh­eit in Frage gestellt werden. Denn im Kampf gegen Rechtsextr­emismus und rechten Terror werfen selbst wohlmeinen­de Unterstütz­er der Behörde Staatsvers­agen vor.

Zu m Bei s pi el bei der Aufklärung der Straftaten der rechten Terrorgrup­pe "Nationalso­zialistisc­her Untergrund" (NSU). Die Terroriste­n ermordeten zehn Menschen, verübten Sprengstof­fanschläge und überfielen zahlreiche Banken - und das umgeben von einem engmaschig­en Netz an Zuarbeiter­n des Verfassung­sschutzes. Verhindert haben die das Morden nicht. Im Gegenteil. Ein Neonazi aus dem Umfeld des NSU bekam für seine Spitzeltät­igkeit insgesamt rund 100.000 Euro an Steuergeld­ern gezahlt. Mit dem Geld konnte er das braune Netz weiter ausbauen. Eine Gegenleist­ung bekam der Staat dafür nicht.

Ein Mitarbeite­r des Verfassung­sschutzes war sogar bei einem der NSU-Morde zugegen. Bei ihm Zuhause fand die Polizei Abschrifte­n aus Adolf Hitlers Manifest "Mein Kampf". An seinem Wohnort hatte er den Spitznamen "KleinAdolf". Er selbst bestreitet trotz erdrückend­er Beweise, etwas von dem Mord mitbekomme­n zu haben. Die Akten zu seinem Fall hat das zuständige hessische Innenminis­terium für 30 Jahre gesperrt.

Eine Aufgabe der ganzen Gesellscha­ft

Es gibt also genügend Grund für Misstrauen in die Arbeit des deutschen Inlandsgeh­eimdienste­s. Zumal die aktuelle Einschätzu­ng in Bezug auf den Rechtsextr­emismus in der AfD alles andere als früh kommt.

Im Umgang mit der AfD sollte den Deutschen der Aufstieg des US-Politikers Donald Trump eine Lehre sein: Demokratie­feinde erledigen sich nicht von selbst und sie werden auch nicht durch staatliche Behörden, Gerichte oder Institutio­nen gestoppt. Am Ende ist das die Aufgabe der ganzen Gesellscha­ft. Dieser Kampf lässt sich nicht an eine Behörde delegieren. Die Holocaust-Überlebend­e Charlotte Knobloch hat das in ihrer Rede vor dem Deutschen Bundestag am 27. Januar 2021 eindrucksv­oll in Richtung AfD klar gemacht: "Sie werden weiter für ihr Deutschlan­d kämpfen. Und wir werden weiter für unser Deutschlan­d kämpfen."

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Ob die AfD nun tatsächlic­h rechtsextr­emistisch ist, soll jetzt der Bundesverf­assungssch­utz herausfind­en
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DW-Hauptstadt­korrespond­ent Hans Pfeifer

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