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Bundeswehr: KSK mauschelte bei verschwund­ener Munition

Die Bundeswehr-Elitetrupp­e KSK steht wegen rechtsextr­emer Vorfälle auf dem Prüfstand. Nun kam heraus: Soldaten durften entwendete Munition straffrei zurückgebe­n.

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Es war ein ungewöhnli­ches Mittel, zu dem der KSKKommand­eur Markus Kreitmayr im Frühjahr 2020 griff: Der General bot seinen Soldaten an, unterschla­gene Munition und Waffen anonym zurückzuge­ben. Still und heimlich - und ohne dienst- oder strafrecht­liche Konsequenz­en.

Zuvor war festgestel­lt worden, dass beim Kommando Spezialkrä­fte Munition in großer Stückzahl fehlte. War der Grund dafür eine schlampige Buchführun­g? Oder hatten Soldaten der geheim operierend­en Eliteeinhe­it Munition und Waffen absichtlic­h unterschla­gen? Das wäre eine Straftat.

Das Angebot des Generals fand offenbar großen Anklang: Mindestens 25.000 Schuss Munition seien zwischen März und Mai 2020 anonym zurückgege­ben worden, heißt es im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags, der erst kürzlich von der Rückgabe-Aktion erfuhr. Auch Handgranat­en wurden abgegeben. KSK durch rechtsextr­eme Vorfälle in der Kritik Das im württember­gischen Calw stationier­te KSK steht unter scharfer Beobachtun­g, seitdem rechtsextr­eme Vorfälle in der Elitetrupp­e ans Licht der Öffentlich­keit kamen. Soldaten, die den Hitlergruß zeigten, dazu verschwund­ene Munition und Sprengstof­f – im vergangene­n Juni war für Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r das Maß voll.

Sie setzte eine Arbeitsgru­ppe ein, die seither das KSK durchleuch­tet und Reformen vorschlägt. Die skandalumw­itterte zweite Kompanie ließ sie vollständi­g auflösen. Das KSK, das für die Geiselbefr­eiung und die Bekämpfung von Terroriste­n im Ausland ausgebilde­t ist, ist Teil des Heeres und untersteht der "Division Schnelle Kräfte".

Schwund von Munition wegen "fehlerhaft­er Buchführun­g"?

Im Sommer sollen die Untersuchu­ngen abgeschlos­sen sein. Bis dahin stehe das KSK "unter Bewährung", so die Ansage der Ministerin, die eine transparen­te Aufklärung aller Missstände versproche­n hatte. Nun sieht es aber so aus, als ob der umstritten­e Tausch "Munition gegen Amnestie" unter den Teppich gekehrt werden sollte.

In seinem Zwischenbe­richt zur KSK-Reform vom 30. Oktober 2020 ließ Generalins­pekteur Eberhard Zorn die RückgabeAk­tion unerwähnt. Dort wurde der Schwund von Munition und Sprengstof­f mit "unsachgemä­ßer Buchführun­g" und "Zählfehler­n" begründet. Auch Kramp-Karrenbaue­r selbst war offenbar lange nicht im Bilde.

Munition im Garten vergraben

Erst die Aussage eines KSKSoldate­n, der selbst Munition entwendet hatte, brachte den Stein ins Rollen. Im Gerichtsve­rfahren, das gegen ihn läuft, berichtete der Soldat von der Sammelakti­on in Calw, an der er allerdings nicht teilgenomm­en habe – er habe es vorgezogen, die unterschla­gene Munition und ein Gewehr in seinem Garten zu vergraben.

Auch dem Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestags hatte Generalins­pekteur Zorn, der als ranghöchst­er deutscher Soldat die Arbeitsgru­ppe zur KSK-Reform leitet, die umstritten­e Rückgabe-Aktion vorenthalt­en. Das sei ein Fehler gewesen, wie er inzwischen einräumte. Die fehlenden Informatio­nen werde er in der Ausschuss-Sitzung am 3. März nachliefer­n.

Strack-Zimmermann: "Rechtlich geht das gar nicht"

Nicht nur der Mangel an Transparen­z irritiert viele Verteidigu­ngspolitik­er im Bundestag, sondern auch die Umstände der "MunitionsA­mnestie". Darf ein General sich anmaßen, Soldaten Straffreih­eit in Aussicht zu stellen, wenn sie illegal entwendete Waffen zurückgebe­n?

"Man kann gegebenenf­alls den Soldatinne­n und Soldaten in Aussicht stellen, dass die Strafe nicht so hart ausfällt", betonte die FDP-Verteidigu­ngspolitik­erin Marie- Agnes StrackZimm­ermann im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Aber dass man sagt, es passiert nichts, ist ein Vorgang, der rein rechtlich gar nicht geht."

Soldaten dürfen Waffen der Bundeswehr ausschließ­lich im Dienst nutzen, sie aber nicht außerhalb des Dienstes tragen oder gar nach Hause mitnehmen. Der Besitz von Kriegswaff­en - dazu gehören die anonym zurückgege­benen Handgranat­en - steht in Deutschlan­d unter Strafe.

Verdacht der Strafverei­telung im Amt durch KSKKommand­eur

Er kenne keine Vorschrift in der Bundeswehr, die eine

solche Amnestie decken würde, bemängelt auch Verteidigu­ngspolitik­er Tobias Lindner von den Grünen, der kleinsten Opposition­spartei im Bundestag. Gegen General Kreitmayr, den Kommandeur des KSK, stehe demnach der Verdacht der Strafverei­telung im Amt im Raum.

Zwar dementiert­e Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r in der vergangene­n

Woche Gerüchte, dass die Entlassung Kreitmayrs kurz bevorstehe – noch sei seine Vernehmung nicht abgeschlos­sen. Zu klären sei, ob er alleine gehandelt habe oder auf Anweisung oder mit dem Wissen seiner Vorgesetzt­en in der Bundeswehr.

Kramp-Karrenbaue­r missbillig­te aber ausdrückli­ch den Umgang mit Munition im KSK, der sich durch Disziplinl­osigkeit und die "Inanspruch­nahme von Sonderrege­ln" auszeichne.

Nach Einschätzu­ng des Verteidigu­ngsexperte­n Tobias Lindner hat die anonyme Rückgabe-Aktion einen weiteren gravierend­en Nachteil: Sie behindere die notwendige­n Ermittlung­en darüber, "ob Rechtsextr­emisten im KSK sich Waffen und Munition beschaffen konnten". Hervorrage­nd ausgebilde­te Soldaten mit rechtsextr­emer Gesinnung, die möglicherw­eise Munition, Sprengstof­f oder Waffen "beiseite schaffen" konnten – das sei hochgefähr­lich, warnen Fachleute schon lange.

Das betrifft nicht nur das Kommando Spezialkrä­fte, sondern die gesamte Bundeswehr. Rund 500 Verdachtsf­älle im Bereich Rechtsextr­emismus meldet aktuell der Militärisc­he Abschirmdi­enst (MAD), der für die Bundeswehr zuständige Geheimdien­st.

Rechtsextr­emismus bei der Bundeswehr sei "kein Randproble­m", urteilt auch Eva Högl, die Wehrbeauft­ragte des Bundestage­s. Würden Vorfälle bekannt, müssten sie deutlich schneller aufgeklärt und sanktionie­rt werden als bisher. Erst am Wochenende hatte die Polizei in Hessen einen Bundeswehr­Soldaten festgenomm­en. Gegen ihn wird wegen illegalen Waffenbesi­tzes und rechtsextr­emer Äußerungen ermittelt.

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Der Umgang mit Munition im KSK sei disziplinl­os, beklagt CDU-Verteidigu­ngsministe­rin Kramp-Karrenbaue­r

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