Deutsche Welle (German edition)
AstraZeneca: Auswege aus dem Impfstau
In Deutschland werden Impftermine abgesagt, während viele Menschen auf die schützende Spritze warten. Mit diesem Paradox versuchen Mediziner umzugehen – und verlieren die Geduld mit fehlenden Ansagen aus Berlin.
Es ist eigentlich ein Luxusproblem, das Deutschland gerade Kopfzerbrechen bereitet: Es gibt zu viel Impfstoff, den zu wenige Menschen haben wollen. Konkret geht es um den britisch/schwedischen Corona-Impfstoff AstraZeneca. Der lagert auf Halde, weil Menschen nicht zu ihren Impfterminen erscheinen. So wie im Impfzentrum in Köln. Dort kamen am Montag nur rund 120 Menschen zu ihren AstraZeneca-Impfterminen, obwohl das Impfzentrum Kapazitäten für 500 pro Tag hätte. "Beim Biontech/ Pfizer-Impfstoff sind die Leute eine Stunde vorher schon da, um den Impftermin wahrzunehmen, da haben wir eine wahnsinnige Auslastung", sagt Johannes Nießen, der Leiter des Gesundheitsamts Köln der DW. "Das ist bei AstraZeneca leider nicht so."
Was in Köln zu beobachten ist, scheint ein deutschlandweites Phänomen zu sein. Laut Bundesgesundheitsministerium wurden von 1,4 Millionen gelieferten AstraZeneca-Impfdosen - Stand Dienstag - nur 212.000 Dosen verimpft. Zum Vergleich: Von 5,7 Millionen Biontech/ Pfizer-Impfdosen sind bereits 4,8 unter die Bevölkerung gebracht worden. Grund dafür ist neben der Impfskepsis der Menschen auch die Tatsache, dass laut Impfverordnung bisher vor allem über 80-Jährige an der Reihe waren beim Impfen. Und die dürfen in Deutschland, anders als zum Beispiel in Großbritannien, nicht mit Astra
Zeneca geimpft werden.
Auch Bund, Ländern und der Ständigen Impfkommission (Stiko) werden eine Mitschuld an der Zurückhaltung der Menschen, sich mit AstraZeneca impfen zu lassen, bescheinigt. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier etwa bedauerte auf einer Pressekonferenz eine zu kurz geratene Kommunikation über die Wirksamkeit des Impfstoffes. Außerdem kritisiert Bouffier die Entscheidung der Stiko, AstraZeneca nur für Menschen unter 65 Jahren zuzulassen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur hatte hingegen eine Zulassung für jegliches Alter empfohlen. Dadurch sei der Eindruck entstanden, AstraZeneca wirke nicht richtig. gen gesucht, den Impfstau abzubauen. "Alles ist besser als Impfstoff wegzuschmeißen. Und es wäre schön, wenn man die Verimpfung rasch und rascher hinkriegen würde", sagt Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens im Gespräch mit der DW. Allerdings sollte dabei die Priorisierung der Impfgruppen weiterhin beachtet werden.
In Deutschland gibt es gemäß Impfverordnung, die in Anlehnung an Empfehlungen der Stiko ausgearbeitet wurde, drei ImpfPrioritätsgruppen. Nach den über 80- Jährigen Heimbewohnern folgen beispielsweise Lehrer, Polizisten und pflegende Angehörige. Das Problem: Wenn jemand aus Prioritätsgruppe 1 nicht zum Impfen erscheint, wird bisher nicht einfach ein Termin an eine Person aus Gruppe 2 vergeben. Das kostet wertvolle Zeit im Kampf gegen die Pandemie.
Die Stiko empfiehlt deshalb nun, dass die Impfzentren Listen anlegen mit Menschen aus anderen Prioritätsgruppen, die bei Ausfall nachrücken können. Genau so macht es das Impfzentrum Köln seit diesem Donnerstag. Es werden nun gezielt Berufsgruppen aus den Prioritätsgruppen angeschrieben, die sich zum Impfen melden können, sagt Nießen vom Gesundheitsamt. Der Krisenstab der Stadt habe das so entschieden – obwohl es noch keine offizielle Anordnung aus Berlin gibt. "Als Umsetzer müssen wir das ja so auch machen können und nicht auf das Signal aus Berlin warten. Das dauert zu lange und da wünschen wir uns manchmal ein bisschen mehr Flexibilität", sagt Nießen.
Auch in anderen Bundesländern geht man eigene
Wege. Die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach etwa plant, mit nicht genutzten AstraZeneca-Impfdosen 3000 Wohnungslose zu impfen. Dieses Vorhaben hat auch für Kritik gesorgt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz etwa warnt vor jedweder Art der Änderung der Priorisierung der Impfreihenfolge: "Epidemiologisch und ethisch hoch bedenklich" nannte es der Vorsitzende, Eugen Brysch. Mit der Impfung der Wohnungslosen halte man sich aber weiterhin an die Impfreihenfolge und es werde keine Gruppe bevorzugt, teilt die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales auf DW-Anfrage mit.
Aus Bayern kommen sogar Überlegungen, die noch weiter g e h e n . Mi n i s t e r p räs i d e n t Markus Söder hat die Idee ins Spiel gebracht, das Impfen den Ärzten zu überlassen, sollte AstraZeneca weiterhin ungenutzt liegen bleiben. So werde eine "schnelle Verimpfung" sichergestellt. Stiko-Vorsitzender Mertens hingegen warnt davor, ganz auf eine Priorisierung beim Impfen zu verzichten. Dadurch könnten Hochbetagte und Menschen, die den Impfstoff dringend brauchen, zurückbleiben. "Das halte ich für sehr problematisch. Man muss auf jeden Fall einen guten und gerechten Mittelweg finden", sagt Mertens.
Welche Lösung auch gefunden wird für einen Impfstoff, der zwar dringend gebraucht, aber nicht genutzt wird: Um einen Impfstau zu verhindern, braucht es vor allem Akzeptanz in der Bevölkerung, dass es sich um einen sicheren und wirksamen Impfstoff handelt.
Omid Nouripour, dessen Partei ein künftiger Koalitionspartner einer unionsgeführten Bundesregierung sein könnte, bezweifelte in einem Zeitungsinterview, dass ein Kanzler Laschet mit dieser verständnisvollen Haltung die Europäische Union zusammenhalten könne, wie es Laschets Anspruch ist. Gerade die östlichen EU-Länder sind sehr kritisch, wenn sie einen deutschen Kuschelkurs mit dem Kreml wahrnehmen.
Laschet hat sogar 2014 Russlands Rolle im Syrienkrieg gelobt: "Die Russen haben von Anfang an vor Dschihadisten gewarnt. Bei uns hat man das abgetan als Propaganda." Er zeigte damals auch ein gewisses Verständnis für den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, bei dem vor dem Volksaufstand immerhin eine gewisse religiöse Vielfalt möglich gewesen sei. Den Islamismus sah er jedenfalls als weit gefährlicher als das Assad-Regime.
Varwick will solche Äußerungen nicht überbewerten: "Man kann das auch als Form eines außenpolitischen Realismus verstehen, der nüchtern fragt, welche Einflussmöglichkeiten man hat und welche Mittel man bereit ist einzusetzen - und dann danach seine Rhetorik und Strategie ausrichtet. Das finde ich nicht grundfalsch." Dennoch sorgt Laschets Äußerung bis heute für Kopfschütteln, auch in Unionskreisen.
Etwas ganz anderes als die Merkelsche Außenpolitik erwarten beide Politikwisssenschaftler nicht, weder bei einem Kanzler Laschet noch bei einem Kanzler Söder. Im Gegenteil, Thorsten Benner sieht bei beiden eher den Versuch eines "Weiter-soKurses", mit dem sie allerdings seiner Ansicht nach auf Hindernisse stoßen werden: "Zum einen, weil Merkels Kurs sich aufgrund von Widersprüchen nicht einfach fortführen lässt, zum anderen, weil mögliche Koalitionspartner, insbesondere die Grünen, auf einer Kursänderung in wichtigen Fragen bestehen werden. Etwa in der ChinaPolitik, wo die eindimensionale Automobil-Außenpolitik der Kanzlerin Deutschland schweren Schaden zufügt".
Varwick kommt als Gesamtfazit zu der Einschätzung: "Beide sind politische Vollprofis, die bisher keinen außenpolitischen Schwerpunkt hatten. (…) Gewiss werden beide aber Außenpolitik schnell als wichtige Kanzleraufgabe entdecken. Laschet hat mehr internationale Erfahrung als Söder, aber beide sind auch international recht gut vernetzt. Und ihnen ist gleichermaßen zuzutrauen, bella figura auf internationaler Bühne zu machen."