Deutsche Welle (German edition)
Deutsche Außenpolitik - wie könnte sie nach Merkel aussehen?
Der nächste Bundeskanzler dürfte entweder Armin Laschet oder Markus Söder heißen. Was wäre außenpolitisch von jedem von ihnen zu erwarten?
"Man erwartet von einem Bundeskanzler, dass er außenund europapolitisch erfahren ist." Das hat der neue CDUVorsitzende und nordrheinwestfälische Ministerpräsident Armin Laschet Anfang des Monats in einem Reuters-Interview gesagt und sich damit von seinem Rivalen in der Frage der Kanzlerkandidatur positiv abheben wollen.
Doch Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef, konterte prompt. Er habe gerade eine Dreiviertelstunde mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesprochen und dabei "große Ü b e re i n s t i m m u n g e n " m i t seinem Gegenüber festgestellt. In dem Gespräch - auf englisch - sei es unter anderem um gemeinsame Luftfahrtprojekte wie das geplante europäische Kampfflugzeug gegangen. Da in Bayern wichtige Unternehmen der Militär- und Zivilluftfahrt liegen, hat Söder damit sowohl außenpolitisch als auch außenwirtschaftlich Punkte gemacht. Bereits im Oktober hatte Söder eine aktivere Rolle für die deutsche Außenpolitik gefordert. chet und Söder zukommen: "Jeder Nachfolger einer Amtsinhaberin, die anderthalb Jahrzehnte außenpolitische Erfahrung hat und in zahlreichen Krisen gestählt ist, wird in diese Rolle erst hineinwachsen müssen. Zugleich hat Deutschlands internationales Gewicht in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, und dahinter wird kein Kanzler zurückfallen können. Im Gegenteil: Ein Personalwechsel wird hier den Druck erhöhen, sich in zentralen Fragen zu positionieren."
Bei der außen- und vor allem europapolitischen Erfahrung hat Laschet klar die Nase vorn, schon durch seine Vita. Aufgewachsen in Aachen am Dreiländereck Deutschland-Belgien-Niederlande, entwickelte er früh ein Bewusstsein, wie wichtig grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist. Auch in Corona-Zeiten hat Laschet als nordrhein-westfälischer Ministerpräsident offene Grenzen verteidigt. 1999 bis 2005 war er Abgeordneter im Europaparlament. Dort befasste er sich mit Außen- und Sicherheitspolitik. Immer wieder hat er mehr Mut bei der europäischen Integration gefordert.
Bei Markus Söder sucht man solches Engagement vergeblich. Varwick nennt ihn, europapolitisch gesehen, "noch ein recht unbeschriebenes Blatt". Thorsten Benner, Leiter des Global Public Policy Institute in Berlin, geht noch weiter. Söder habe "wenig bis keine emotionale Bindung an das europäische Projekt und wird vor opportunistischer Agitation gegen Brüssel nicht zurückschrecken, wenn ihm das politisch hilfreich erscheint".
Was beide Politiker eint, ist aber die Konzentration mehr auf die EU und Frankreich als auf die USA. Zur Erinnerung: Angela Merkel reiste 2003 als CDU- Vorsitzende, aber noch als Oppositionsführerin demonstrativ nach Washington und unterstützte Präsident George W. Bushs Irakkrieg, den damals in Deutschland eine große Mehrheit einschließlich SPD- Bundeskanzler Gerhard Schröder vehement ablehnte.
Das Transatlantische wurde deutschen Politikern in den vier Trump-Jahren allerdings auch reichlich schwergemacht. "Amerika war doch immer für uns das Land der Freiheit und der Demokratie", klagte Laschet in seiner Bewerbungsrede für den CDU-Vorsitz mit Blick auf die Erstürmung des Kapitols in Washington durch TrumpAnhänger im Januar 2021. Und Söder bekannte kürzlich, seine Liebe zu Amerika sei durch
Trump auf eine harte Probe gestellt worden. Beide setzen nun große Hoffnungen auf den neuen Präsidenten Joe Biden. Der hat bei der virtuellen Münchener Sicherheitskonferenz vergangene Woche den Partnern zugerufen: "Das transatlantische Bündnis ist zurück."
Bidens Annäherung ist aber nicht bedingungslos. Er fordert zum Beispiel, wie schon seine Vorgänger, dass die Partner ihre Rüstungsausgaben erhöhen und mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen. Söder ist grundsätzlich einverstanden, betont aber: "Wir sind keine kleinen Kinder. Wir sind Partner, keine Vassallen oder Untergebene", so Söder vor wenigen Tagen gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Auch Laschet bekennt sich zum Ziel der NATO, dass die Mitgliedsstaaten zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben, wovon Deutschland derzeit weit entfernt ist.
Ein Hindernis für eine Renaissance einer engen transatlantischen Zusammenarbeit ist die deutsche China- und Russlandpolitik. Wie schon Trump scheint auch Biden der Meinung zu sein, dass Berlin wegen handelspolitischer Interessen zu nachgiebig gegenüber beiden Regierungen auftritt.
Daran dürfte sich aber sowohl mit einem Bundeskanzler Laschet als auch Söder nichts grundlegend ändern. Laschet sprach zwar kürzlich von einem "Systemwettbewerb", in dem der Westen mit China stehe. Eine Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am Bau des 5G-Mobilfunknetzes wollte er aber nicht ausschließen, was Washington sehr kritisch sieht. Söder wiederum hatte im vergangenen Sommer im ZDF im Zusammenhang mit China gesagt: "(Die) richtige
Balance zu finden zwischen Interessen und Werten scheint mir die größte Herausforderung der deutschen Außenpolitik der nächsten Jahre zu sein." Das war nicht die Härte, die man sich in Washington wünscht.
Was Russland betrifft, so sind sowohl Laschet als auch Söder gegen den von den USA geforderten Baustopp der OstseeGasleitung Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland. Laschet will auch den Anschlag auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny - welchen er scharf verurteilt - strikt von Gasgeschäften trennen. Söder hat unterdessen mit einem Besuch in Moskau vor einem Jahr die Tradition früherer bayerischer Ministerpräsidenten fortgesetzt, eine eigene bayerisch-russische Handelspolitik zu betreiben, die losgelöst ist von politischen Meinungsverschiedenheiten.
Auf Laschet könnten wiederum Äußerungen zurückfallen, die schon einige Jahre zurückliegen: Kurz nach der russischen Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim hatte Laschet einen "marktgängigen Anti-Putin-Populismus" in Deutschland beklagt. Zwar sei die Krim- Besetzung "eindeutig völkerrechtswidrig", trotzdem müsse man sich in seinen Gesprächspartner "hineinversetzen, wenn man eine außenpolitische Beziehung pflegt".
Der grüne Außenpolitiker