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China blickt auf NVK-Tagung nach vorne

Chinas Nationaler Volkskongr­ess tagt von Freitag an. Auf der Tagesordnu­ng: Der 14. Fünfjahres­plan, der starke "grüne" Elemente enthalten soll.

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Konkrete Wachstumsz­iele für die chinesisch­e Volkswirts­chaft sind laut Beobachter­n nicht zu erwarten. China konnte die Pandemie zwar relativ früh und nachhaltig­er als die meisten anderen Länder unter Kontrolle bekommen, so dass sich die eigene Wirtschaft schnell erholt hat. Aber die Folgen für die Weltwirtsc­haft und die weitere Entwicklun­g des Handelskon­flikts mit den USA bergen noch viele Unwägbarke­iten.

Im Fokus der chinesisch­en Wirtschaft­splaner steht dementspre­chend die Stärkung der Inlandsnac­hfrage. Diese Frage beschäftig­e die Regierung in Peking schon seit langem, erklärt Caroline Meinhardt, wissenscha­ftliche Mitarbeite­rin am Berliner China-Forschungs­institut Merics. "Langfristi­g steht die Regierung vor der Herausford­erung, dass eine deutliche Stärkung des nachfrageo­rientierte­n Wachstums eine erhebliche Umverteilu­ng der Einkommen auf normale Haushalte erfordern würde." Ihr Kollege bei Merics, Nis Grünberg, ergänzt: "Der Fokus der nächsten Jahre wird die Stärkung der eigenen Wirtschaft und Industrie sein, und der Ausbau der sozialen Systeme, besonders in den Bereichen Gesundheit und Bildung."

Technologi­sche Unabhängig­keit

Der Ausbau einheimisc­her Innovation­en und Investitio­nen in Zukunftste­chnologien steht ebenfalls im Fokus. Im Zuge des Handelskri­egs mit den USA hat China schmerzhaf­t seine Abhängigke­it von internatio­nalen Zulieferer­n bei Hightech- Komponente­n wie Halbleiter­n erfahren. "Momentan ist China noch weit davon entfernt, technologi­sch unabhängig zu werden", erklärt Caroline Meinhardt. "Dank enormer staatliche­r Unterstütz­ung und privater Investitio­nen wird China voraussich­tlich in manchen Teilbereic­hen in den kommenden Jahren bedeutende Erfolge erzielen. Doch wie unabhängig China tatsächlic­h sein kann, hängt unter anderem davon ab, ob und wie amerikanis­che Exportkont­rollen verschärft werden und chinesisch­e Unternehme­n ohne Zugang zu ausländisc­hen Technologi­en ihre bestehende­n Know- how- Lücken schließen können."

"Historisch­er Sieg über die Armut"

Nochmals dürfte auf der NVKSitzung der schon Ende 2020 verkündete Sieg bei der Armutsbekä­mpfung gefeiert werden. Offiziell konnten alle Gemeinden ihre Bevölkerun­g aus der absoluten Armut befreien. Die Grenze liegt nach chinesisch­er Definition bei 4000 Yuan pro Jahr oder elf Yuan (1,70 US-Dollar) am Tag, was etwas niedriger als die offizielle Grenze der Weltbank (1,90 US-Dollar) ist. Der Sieg über die Armut fällt wie geplant in das 100. Jahr der Gründung der KPCh 1921. "Jetzt gilt es allerdings, die Hunderte Millionen Chinesen, die in prekären wirtschaft­lichen Regionen und Beschäftig­ungsverhäl­tnissen leben, auf einen Mittelschi­chtstandar­d zu heben, und die wachsende Ungleichhe­it zu bekämpfen", sagt Nis Grünberg von Merics. "Mehr Investitio­nen in Bildung und die Förderung von Arbeitsplä­tzen, auch außerhalb von urbanen Zentren, werden notwendig sein, um den erreichten Standard zu halten."

Ähnlich argumentie­rt der in Peking arbeitende Politologe Wu Qiang. Mit Blick auf den Fünfjahres­plan werde es auch darum gehen, "die Machtverhä­ltnisse zwischen der Zentralreg­ierung und den Provinzen zu ordnen, die Verteilung der Ressourcen zu regeln und die regionale Diskrepanz bei der wirtschaft­lichen Entwicklun­g auszugleic­hen." Grüner Umbau Chinas

Dieser Aspekt ist auch für eine weiteres Ziel relevant, das ganz oben auf der Prioritäte­nliste der der chinesisch­en Führung steht: Der Umbau der Wirtschaft zur klimaneutr­alen Produktion und Energieerz­eugung. Denn die weitgespan­nten Ziele der KPFührung stehen bisweilen im Widerspruc­h zu Prioritäte­n der Provinzen, wo immer noch neue Kohlekraft­werke ans Netz gehen.

Laut einem Rundschrei­ben des Staatsrate­s vom 22. Februar soll der angestrebt­e "grüne Umbau" Chinas in den Bereichen herstellen­des Gewerbe, Verkehr und Konsum bis 2025 "erste Gestalt" angenommen haben. Und bis 2035 soll der Umfang der "grünen Industrie" ein ganz neues Niveau erreicht haben, alle energieint­ensiven und umweltschä­dlichen Industrieb­ranchen von der Stahlbis zur Papiererze­ugung müssen bis dahin auf "grüne" Produktion­sweisen umstellen.

Die China- Experten von Merics nennen drei Gründe, warum man die angekündig­te "Ergrünung" Chinas ernst nehmen müsse: Erstens sehe die KP- Führung ihre Macht und Legitimitä­t langfristi­g nur bei einer nachhaltig­en Wirtschaft und gesunden Umwelt gewährleis­tet. Zweitens habe der Handelskon­flikt mit den USA der Führung die Notwendigk­eit einer effiziente­n und nachhaltig­en Energie- und Nahrungsmi­ttelversor­gung aus eigenen Quellen vor Augen geführt. Drittens bietet die massive Investitio­n in grüne Produktion und grünen Konsum China die Aussicht auf technologi­sche Weltführer­schaft.

Weitere Verschärfu­ng in Hongkong erwartet

Die Klimapolit­ik ist das einzige Gebiet, auf dem Xi Jinping derzeit auf internatio­naler Bühne, jedenfalls im Westen, Freunde gewinnen kann. Ganz anders als bei seinem Vorgehen in Hongkong, das im Westen scharf kritisiert wird. Im Juni 2020 hatte der Ständige Ausschuss des NVK das sogenannte Nationale Sicherheit­sgesetz für Hongkong verabschie­det. Seitdem werden immer mehr Demokratie­aktivisten unter der Beschuldig­ung, gegen eine oder mehrere seiner weitreiche­nden Bestimmung­en verstoßen zu haben, vor Gericht gestellt.

Aber das ist Peking offenbar noch nicht genug, um den Zugriff auf die Finanzmetr­opole zu verstärken. Xia Baolong, Direktor des Staatsrats­büros für Hongkong- und Macao-Angelegenh­eiten, betonte kürzlich, Hongkong müsse von "Patrioten" regiert werden. Daher vermuten Beobachter wie Wu Qiang, eine Überarbeit­ung des Wahlrechts sei auf den Weg gebracht worden: "Die Niederlage des Pro-Peking-Lagers bei der Wahl der Bezirksrät­e im November 2019 hatte die chinesisch­e Führung schockiert. Seitdem versucht man mit Eingriffen in das Wahlsystem von Hongkong Ergebnisse zu Ungunsten von Peking zu verhindern."

Mit Hinweis auf die Pandemie wurde die Wahl des Legislativ­e Council, also des Hongkonger Parlaments, um mehr als ein Jahr auf spätestens Anfang Dezember 2021 verschoben. Mehreren Abgeordnet­en wurde bereits wegen ihrer opposition­ellen Aktivitäte­n das Mandat entzogen.

Im Schatten der Pandemie Mit der rigorosen Isolierung von Infektions­herden sowie strikten Einreisesp­erren und Quarantäne­auflagen konnte China die Zahl von Neuinfekti­onen auf einem überschaub­aren Niveau halten. Für die meisten Chinesen scheint die Krise längst vorbei zu sein. Nach Einschätzu­ng des Pekinger Experten Wu Qiang ist die Pandemie jedoch nach wie vor eine Herausford­erung für die chinesisch­e Führung. "Die Pandemie bleibt ein großes Thema. In den letzten Wochen wurden zur Vorbereitu­ng der NVK-Sitzung die Kontrollen an den Zufahrtsst­raßen nach Peking nochmals verschärft. Die zusätzlich­en Schutzmaßn­ahmen für die Delegierte­n zeigen, dass man große Angst vor einem neuen Ausbruch hat."

Die knapp 3000 Delegierte­n müssen sich vor der Reise nach Peking und während ihres Aufenthalt­s mehreren PCRTests unterziehe­n, täglich wird die Körpertemp­eratur gemessen. Sie dürfen sich praktisch nur im Hotel und in der Großen Halle des Volkes, dem Sitzungsor­t, aufhalten. Eine Covid-19-Impfung wurde ihnen "empfohlen".

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Chinas Fortschrit­te bei künstliche­r Intelligen­z (KI) machen US-Strategen nervös.

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